Kein Jahr ist es her, dass das Great Barrier Reef erneut knapp an der Roten Liste der Unesco vorbeigeschrammt ist und nicht als gefährdet eingestuft wurde. Kurzzeitig sah es dann sogar so aus, als würden günstige Bedingungen während der regenreichen La-Niña-Saison im vergangenen Jahr zu einer leichten Erholung der Hartkorallen führen, die durch drei Bleichen in nur fünf Jahren schwer angeschlagen waren.
Doch Ende der Woche kam dann die Hiobsbotschaft: Eine weitere Hitzewelle im Norden von Queensland, dem australischen Bundesstaat, vor dessen Küste sich das Riff über 2.300 Kilometer erstreckt, hat erneut eine intensive Korallenbleiche ausgelöst. Die Great Barrier Reef Marine Park Authority (GBRMPA) bestätigte, dass die Bleiche sowohl im hohen Norden als auch in den zentralen Abschnitten des Riffs zu erkennen ist. In den zentralen Teilen vor Townsville ist sie wohl besonders schwerwiegend.
Normalerweise sollten die Korallen in einer La-Niña-Saison, die kühlere Temperaturen sowie Wolken und Regen bringt, nicht bleichen. „2022 ist dank der anthropogenen Erwärmung eine Premiere“, schrieb Terry Hughes von der James Cook University, einer der führenden Korallenforscher Australiens, auf Twitter.
Tiere und Menschen hängen vom Riff ab
Das Riff, das aus 3.000 Einzelriffen besteht und die Heimat von 1.500 Fischspezies und 400 Korallenarten bildet, leidet seit Jahren an den Folgen des Klimawandels. Die steigenden Meerestemperaturen, ausgelöst von den vom Menschen verursachten Emissionen, haben in den Jahren 1998, 2002, 2016, 2017 und 2020 bereits zu fünf Massenbleichen am Riff geführt. Während einer Bleiche wird die Symbiose der Korallen mit einer Algenart, die die Nesseltiere mit Energie versorgt und ihnen die bunten Farben verleiht, unterbrochen. Zwar können sich die Tiere von Bleichen auch wieder erholen, doch wenn diese zu lange andauern oder zu häufig wiederkehren, sterben die Korallen oft ganz ab.
Zusätzlich zu den höheren Wassertemperaturen machen den Korallen auch Stürme, Abwässer aus der Landwirtschaft, der Ausbau von Kohlehäfen und die invasive Art des Dornenkronenseesterns zu schaffen. Doch der Erhalt des Riffs ist nicht nur für Australiens Ökosysteme von höchster Wichtigkeit, auch der wirtschaftliche Aspekt für die Menschen ist nicht zu unterschätzen: 60.000 Menschen in Australien arbeiten in einem Beruf, der mit dem Great Barrier Reef in Verbindung steht.
Milliarden weitere Korallen werden sterben
Die Korallen leiden jedes Jahr Anfang bis Mitte März unter dem größten Hitzestress. Doch Wissenschaftler begannen, sich bereits im Dezember Sorgen zu machen, nachdem die Wassertemperaturen auf ein Rekordniveau gestiegen waren. „Lassen Sie sich von niemandem sagen, dass ein weiteres Massenbleichereignis im Jahr 2022 am Great Barrier Reef keine Tragödie ist“, schrieb Terry Hughes in einem weiteren Post auf Twitter. „Ein paar Milliarden weitere Korallen sterben gerade – schon wieder.“ Denn die aktuelle Bleiche ist die vierte in nur sieben Jahren.
Erst im November zeigte eine Studie, die im Fachmagazin „Current Biology“ veröffentlicht wurde, dass inzwischen bereits 98 Prozent der Einzelriffe seit 1998 einer Bleiche ausgesetzt waren. Nur eine einzige Gruppe von Riffen im äußersten Süden des Great Barrier Reef, in einer kleinen Region, die während aller fünf Massenbleichen konstant kühl geblieben ist, ist bisher ungebleicht. Im Oktober 2020 war eine weitere Studie zudem zu dem Schluss gekommen, dass die Anzahl der kleinen, mittleren und großen Korallen am Great Barrier Reef seit den 1990er Jahren um mehr als 50 Prozent zurückgegangen ist.
Die Nachricht von der erneuten Bleiche kommt zu einer kritischen Zeit für das Riff. Experten der Unesco überprüfen seit Montag, ob die australische Regierung das weltgrößte Korallenriff gut genug vor dem Klimawandel und anderen Gefahren schützt. Im vergangenen Jahr war das Riff nach einer groß angelegten Marketingkampagne der australischen Regierung noch knapp einer Aufnahme auf der Roten Liste der UN-Experten entgangen.
Geld alleine wird das Problem nicht lösen
Doch schon damals ließ das Welterbe-Komitee verlauten, man habe die drei jüngsten Massenbleichereignisse „mit größter Besorgnis und mit Bedauern“ zur Kenntnis genommen. Zudem kritisierte man schon damals die „unzureichenden“ Fortschritte, die in Bezug auf Wasserqualität und Agrarwirtschaft gemacht worden seien.
An Geld mangelt es dabei nicht. So plant die derzeitige Regierung – sollte sie nach den Wahlen in diesem Jahr im Amt bleiben – das momentane Zwei-Milliarden-Dollar-Rettungspaket um eine weitere Milliarde Australische Dollar – umgerechnet knapp 670 Millionen Euro – aufzustocken. Das Geld soll über die kommenden neun Jahre hinweg in den Erhalt des Welterbes fließen.
Wissenschaftler und Umweltschützer begrüßten diese Nachricht durchaus, doch gleichzeitig sparten sie auch nicht mit Kritik. So schrieb der Riffexperte des WWF, Richard Leck, bereits im Januar, dass Bargeld allein die Probleme des Riffs nicht lösen werde. „Wir müssen die Wälder besser schützen und verstärkt an der Wasserqualität arbeiten“, meinte er. Außerdem müsse Australien sich zu einer Klimapolitik bekennen, die mit einer Begrenzung der Erwärmung auf 1,5 Grad vereinbar ist.
Temperaturschocks an beiden Polen
Der Osten der Antarktis erlebt nach Angaben der Weltwetterorganisation (WMO) zurzeit eine „außergewöhnliche und beispiellose Hitze“. Am 18. März seien an der Forschungsstation Concordia minus 12,2 Grad gemessen worden. Das sei 40 Grad wärmer als für diese Region im Schnitt um diese Jahreszeit üblich, und 20 Grad mehr als der vorherige Rekord im März, berichtete die WMO am Dienstag in Genf. Die Station wird seit 2005 von Italien und Frankreich betrieben und liegt auf einem gut 3.200 Meter hohen Plateau.
Auch in Teilen der Arktis am Nordpol würden aktuell außergewöhnlich hohe Temperaturen gemessen, hieß es von der WMO. Die Temperaturen in der Arktis sind durch den menschengemachten Klimawandel schon mehr als doppelt so stark gestiegen wie im globalen Durchschnittswert.
Die ganze in der Antarktis betroffene Region gilt als trockenste, windigste und kälteste Region der Welt. Grund für die beispiellosen Temperaturen sei ein „atmosphärischer Fluss“, erklärten französische Meteorologen. Als atmosphärischer Fluss wird ein Band mit feuchtigkeitsgesättigter Luft ein paar Kilometer über der Erdoberfläche bezeichnet, der Wärme und Feuchtigkeit transportiert.
Das Meereis in der Antarktis rund um den Südpol war nach WMO-Angaben schon so weit zurückgegangen wie nie zuvor seit Beginn der Satellitenmessungen 1979. Die Fläche fiel erstmals unter zwei Millionen Quadratkilometer.
„Mit diesem Ereignis müssen die Rekordbücher und unsere Erwartungen, was in der Antarktis möglich ist, neu geschrieben werden“, twitterte Robert Rhode vom Umweltdateninstitut Berkley Earth. „Handelt es sich einfach nur um ein äußerst unwahrscheinliches Ereignis, oder ist es ein Zeichen dafür, dass noch mehr passieren wird? Im Moment weiß das niemand.“ (dpa, AFP)
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