Bezahlbarer Wohnraum zählt zu den ganz großen Herausforderungen in Luxemburg. So sagte Semiray Ahmedova („déi gréng“), Berichterstatterin zum Gesetzesprojekt, dass es fünf nach 12 sei. Das Projekt soll demnach einen Paradigmenwechsel bringen. „Wir geben uns neue Instrumente, um auf die Wohnungskrise reagieren zu können.“ Wohnen sei heute für immer mehr Leute unbezahlbar. Ahmedova sagte, dass man aus dem „Pacte logement 1.0“ viel gelernt habe. „Mit dem neuen Pakt setzen wir endlich die Weichen für eine neue Offensive.“ Ziel sei es, das Angebot für bezahlbaren Wohnraum zu vergrößern und die Wohnqualität zu verbessern. Den Gemeinden soll ein Berater zugewiesen werden.
Der alte Pakt ist am 1. Januar 2021 ausgelaufen. Deshalb soll der neue Pakt schnellstmöglich umgesetzt werden, so die Berichterstatterin. Der Pakt 2.0 soll demnach retroaktiv ab dem 1. Januar 2021 bis zum 31. Dezember 2032 laufen. Die Kritik am alten Pakt zog sich quer durch alle Parteien, da nur 2,2 Prozent tatsächlich in bezahlbaren Wohnraum geflossen waren. „Pakt 1.0 hat sein Ziel nicht erreicht. Es ist klar, dass die Situation heute dringend ist: Wir müssen bauen, bauen, bauen.“
Marc Lies (CSV) erinnerte daran, dass vor 13 Jahren der erste Pakt gestimmt wurde. Damals habe Xavier Bettel die Sitzung mit Zwischenrufen gestört. Und Maggy Nagel habe gesagt, dass die Bagger rollen werden. Laut Lies wurden lediglich 2.000 der 10.000 vorgesehenen Wohnungen bis heute gebaut. Auch Wohnungsbauminister Henri Kox („déi gréng“) warf Lies vor, damals behauptet zu haben, der Pakt habe gut werden können, wenn man die Gemeinden nicht mit hineinnehmen würde. Die CSV sei anderer Meinung gewesen. Lies erinnerte daran, dass lediglich zehn Prozent der Fläche in Luxemburg bebaut sei. Eine Perimeter-Erweiterung müsse vollzogen werden, da, wo es Sinn ergebe, sagte er. Dadurch sei die grüne Lunge des Landes immer noch gesichert.
Nach einem Zwischenruf von Mars di Bartolomeo (LSAP) sagte Parlamentspräsident Fernand Etgen (DP), die Abgeordneten Lies und di Bartolomeo sollten doch netter zueinander sein. Der CSV-Abgeordnete sparte nicht an Kritik am Pakt 2.0. Es sei kein Pakt mit den Gemeinden, sondern ein Diktat, das die Gemeinden auszuführen hätten. Zudem sei der Pakt zu bürokratisch, was einen administrativen Mehraufwand für die Gemeinden mit sich bringe. „Es ist ein zahnloser Tiger.“ Die CSV-Fraktion stimmte demnach gegen den Text. Marc Lies reichte dann auch sechs Motionen zum Gesetzesprojekt ein. Alle sechs Motionen wurden mit den Stimmen der Mehrheit verworfen.
Pakt 2.0 alleine reicht nicht aus
Max Hahn (DP), Yves Cruchten (LSAP), François Benoy („déi gréng“) und Roy Reding (ADR) waren sich einig, dass der Pakt 1.0 seine Ziele nicht erreicht habe. Cruchten sagte, dass das eigentliche Problem für bezahlbaren Wohnraum durch das Abtreten von Bauland und Wohnungen an den Staat gelöst werden könne. „So werden Staat und Gemeinden in den Besitz kommen und diesen auch behalten.“ Er nannte als Vorbild den Umgang der Stadt Wien mit der Wohnungsproblematik. Dort seien 40 Prozent der Wohnungen in öffentlicher Hand. „Mit dem Gesetz gehen wir ein wenig in diese Richtung“, sagte Cruchten. Er sprach von einem Paradigmenwechsel und hoffte, dass auch CSV-geführte Gemeinden beim Pakt mitmachen werden. Der Pakt alleine reiche aber nicht, betonte er. Deshalb müsse man nun die Gesetzesprojekte zum „Remembrement” und zum Bauland im Plenum debattieren.
Dem stimmte auch François Benoy zu. Da die Gelder in öffentlicher Hand bleiben, sei der Pakt nachhaltig. Beim neuen Pakt gebe es eine „obligation de résultat“. Der Forderung der CSV, den Familien Ausnahmen zu gewähren, die Bauland bewusst für ihre Kinder oder Enkel aufheben würden, erteilte er eine klare Absage. Laut Benoy könnten durch den neuen Pakt 300.000 Wohnungen geschaffen werden, alleine durch Verdichtung in den Ortschaften, ohne unbedingt den Bauperimeter zu erweitern.
Roy Reding kritisierte das blinde Wachstumsdenken. „Wir befinden uns in einem Hamsterrad“, sagte der ADR-Politiker. Dazu führte er die Zuwanderung von 10.000 Personen pro Jahr an. „Wir schaffen das nicht. Wir rennen gegen eine Mauer.“ Reding führte die Idee an, das Ganze den privaten Bauträgern zu überlassen. Das wäre günstiger und schneller, meinte er. Das ganze Gesetzesprojekt basiere auf einer falschen Idee. „Wir brauchen keinen Pakt 2.0“, sagte Reding.
Nathalie Oberweis („déi Lénk“) nannte drei Ziele des Projektes, die ambitiös seien. Dennoch sei der Pakt kein Paradigmenwechsel, wie dies so oft behauptet werde. Für sie sollte ein solcher Pakt verpflichtend für alle Gemeinden sein. Das aktuelle Gesetzesprojekt nannte sie einen Tropfen auf den heißen Stein. „déi Lénk“ stimmte gegen das Projekt. Auch für Marc Goergen (Piratenpartei) ist der Pakt kein Paradigmenwechsel. Er führte unter anderem das Problem der privaten Bauträger an, die möglichst viel Profit aus der Wohnungsnot ziehen wollen. Der Staat müsste selber bauen, dann könne man nicht 20, sondern 100 Prozent der Wohnungen günstig anbieten.
Beihilfen für Sektoren und Naturpakt
Wohnungsbauminister Henri Kox verteidigte das Projekt: „Ich will von einer Vision sprechen.“ Er nannte den Pakt einen Startschuss. Dabei gehe es auch um nachhaltiges Zusammenleben und soziale Kohäsion. „Es geht um die Menschen, denen man eine Wohnung zur Verfügung stellt und wo sie die Miete zahlen können.“ Innenministerin Taina Bofferding (LSAP) sagte, dass das Instrument, das hier geschaffen werden soll, verpflichtend ist. „Es löst heftige Diskussionen aus, das war uns bewusst. Außergewöhnliche Probleme brauchen außergewöhnliche Lösungen.“ In jeder Gemeinde, jedem Viertel werde ein gewisser Prozentsatz bezahlbaren Wohnraums geschaffen. Laurent Mosar (CSV) bemängelte, dass nicht über das Vorkaufsrecht gesprochen wurde. Das Gesetzesprojekt wurde mit 20 Nein- und 31 Ja-Stimmen angenommen.
Das zweite Gesetzesprojekt forderte die Verlängerung von Beihilfen für bestimmte Sektoren bis zum 31. Oktober. Berichterstatterin Simone Beissel (DP) nannte dabei den Horeca-Sektor, den Kultur-, Tourismus- und den Veranstaltungsbereich. Einige Abgeordnete wie Marc Spautz (CSV) störten sich daran und wollten lieber bis Ende des Jahres verlängern. Mittelstandsminister Lex Delles (DP) erklärte, dass dies je nach Situation nicht ausschließe, dass eine weitere Verlängerung nach Oktober möglich sei.
Ein weiteres Gesetzesprojekt, das am Mittwoch im Plenum abgestimmt wurde, war jenes über den Naturpakt mit den Gemeinden. Laut Berichterstatter François Benoy („déi gréng“) baut das Projekt auf den Erfahrungen auf, die mit dem Klimapakt gemacht wurden. 30 Millionen sind für den Schutz der Natur vorgesehen. Das Projekt soll den legislativen, finanziellen und technischen Rahmen vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2030 festlegen. 77 Maßnahmen zum Naturschutz sind vorgesehen. Umweltministerin Carole Dieschbourg („déi gréng“) führte an, dass das Projekt die Zusammenarbeit mit den Gemeinden für mehr Naturschutz auf lokaler Ebene vorantreiben solle. „Die Latte wird hoch liegen, die Gemeinden werden sich anstrengen müssen, aber das ist Sinn des Paktes“, so die Ministerin.
Sechs weitere Gesetzesprojekte wurden am Mittwoch angenommen. Bei allen sechs war André Bauler (DP) Berichterstatter. Bauler sprach von einem Abstimmungsmarathon. Finanzminister Pierre Gramegna (DP) gab jeweils Erklärungen zu den Projekten. Dabei handelte es sich unter anderem um den Schutz vor Falschgeld, der in Europa gestärkt werden soll. Ein weiteres Projekt hatte zum Ziel, Investmentfirmen zu kontrollieren. Gramegna sagte, dass es sich dabei um die Umsetzung europäischer Direktiven handele, was dem Luxemburger Finanzplatz zugutekomme. Bei einem weiteren Projekt wurde über die „Fonds d’investissement“ abgestimmt. Danach stand der das Abkommen über den europäischen Stabilitätsmechanismus zu Abstimmung. Hier musste die qualifizierte Mehrheit der Stimmen erreicht werden, weil es sich um einen Artikel aus der Verfassung handelt. Alle neun Gesetzesprojekte wurden mit einer Mehrheit angenommen.
De Maart
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