Dienstag2. Dezember 2025

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Indien: Pferd löst Debatte über Diskriminierung aus

Indien: Pferd löst Debatte über Diskriminierung aus

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Von unserem Korrespondenten Jason Overdorf

Es ist nur ein Symbol, aber für Jatav ist es wichtig. Der 27-Jährige will mit dem Pferd zu seiner Hochzeit reiten. Doch für Angehörige der Kaste der Dalits ist das ein Tabubruch. Indien streitet nun über die Diskriminierung dieser Kaste, zu einem guten Teil wohl auch politisch motiviert.

Jatav und Sheetal wollen heiraten. Die Angehörigen der Dalits, der untersten indischen Kaste, benutzen wie viele Inder nur ihren Vornamen. Im traditionellen Hinduismus waren die Mitglieder der Dalits als die „Unberührbaren“ bekannt. Der 27-jährige Anwalt Jatav möchte gerne auf einem Pferd zu seiner Hochzeit reiten. Doch nun wird er angefeindet, da dieser Brauch höheren Kasten vorbehalten ist.

Diskriminierung ist verboten

Jatav hat eine nationale Diskussion über die Bürgerrechte in Indien losgetreten. Nach monatelangen Verhandlungen – teilweise vor Gericht – hat er nun eine schriftliche Vereinbarung mit Vertretern der höher gestellten Thakurs unterschrieben, welche den Herkunftsort von Sheetal dominieren. Demnach darf Jatav sein Pferd nun auf der Hauptstraße des Dorfes reiten. Polizisten werden einerseits Jatavs Weg und andererseits auch die Familie der Braut beschützen, um gewalttätige Übergriffe zu verhindern.

Dabei ist die Diskriminierung von Dalits in Indien bereits seit 1950 verboten. Sie stellen heute auch 17 Prozent der Bevölkerung und sind damit eine wichtige Wählergruppe. Dennoch hat sich Jatav entschieden, vor Gericht zu gehen, da laut ihm die Diskriminierung von Dalits in Dörfern wie Nizampur, Sheetals Herkunftsort, immer noch verbreitet ist.

Junger Mann wurde ermordet

In früheren Zeiten war das Reiten von Pferden bei der Hochzeit den Kriegerkasten vorbehalten. Mit diesem Vorgang ist auch heute noch eine große Symbolkraft verbunden, weshalb Angehörige der Dalits im ganzen Land daran gehindert werden, hoch zu Ross zur eigenen Hochzeit zu kommen. „Ich bin ein gebildeter Mensch“, sagt Jatav. „Und durch meine Bildung kenne ich meine Rechte. Trotzdem wird immer noch an alten Traditionen festgehalten.“

Dies zeigte sich auch beim 21-jährigen Pradeep Rathod, der nach Angaben seines Vaters im Bundesstaat Gujarat totgeschlagen wurde, weil er als Dalit auf seinem Pferd zu seiner Hochzeit geritten war. „Nach der indischen Kastentradition sind bestimmte Symbole sozialer Anerkennung für Dalits verboten“, so der Journalist Chandrabhan Prasad. Dazu würden Gold, Silber, neue Kleidung oder gezwirbelte Schnurrbärte gehören.

Modi braucht Stimmen der Dalits

Während Jatav seinen Fall vor Gericht brachte, stellte das Oberste Gericht Indiens ein Gesetz von 1989 infrage, welches zum Schutz der Dalits erlassen worden war. Die Überprüfung dieses Gesetzes löste einen Generalstreik und landesweite Proteste von Dalits aus, bei denen zahlreiche Todesopfer zu beklagen waren. Nach Meinung des Obersten Gerichtes soll eine Verletzung der Rechte der Dalits nicht mehr automatisch zur Inhaftierung führen.

Die kontrovers geführte Debatte wird im Vorfeld der landesweiten Wahlen 2019 wahrscheinlich noch an Schärfe zunehmen. Gerade im bevölkerungsreichsten Bundesstaat Uttar Pradesh sind die Stimmen der Dalits wichtig – und der Bundesstaat gilt als entscheidend für die Besetzung des Premierministerpostens. Für die Partei des Amtsinhabers Narendra Modi, die hindunationalistische Bharatiya Janata Party (BJP), wäre ein Verlust der Dalit-Wählerstimmen eine Katastrophe, weswegen sie sich auch gegen die Meinung des Gerichts ausgesprochen hat.

Die Dalit-Partei Bahujan Samaj Party (BSP) profitiert hingegen von den Spannungen, weswegen die Hochzeit von Jatav und Sheetal überhaupt ein so großes Thema geworden ist, meint der überparteiliche Distriktmagistrat RP Singh, der an der Einigung zu Jatavs Ritt beteiligt war. Jatav ist Anhänger der BSP, so Singh. Und er habe seinen Plan zum Ritt über die Hauptstraße nur aus Trotz angekündigt.