Matthieu Lemaire (34) und Cyril Geldreich (33) sind ein Paar wie jedes andere auch. Und trotzdem haben die beiden eine besondere Geschichte. Sie haben als erstes gleichgeschlechtliches Paar 2015 in Esch/Alzette geheiratet. Zwei Jahre später adoptieren sie ein Kind. Seit seiner Ankunft in Luxemburg ist Frédéric der Mittelpunkt ihres Glücks.
Die Haustür im Viertel Dellhéicht öffnet sich nach dem Klingeln nur langsam. Sie ist schwer. Ein kleiner Junge steht in der Tür und strahlt. Der „Papp“ folgt im Schlepptau und Frédéric versichert sich mit Blicken über die Schulter, dass er in der Nähe ist. Sein anderer Vater ist noch unterwegs und auf dem Heimweg von der Arbeit. In der Küche ist der Kaffee, der gerade gekocht wird, eine aufregende Sache. Frédéric kennt das Wort „Kaffi“ und wird nicht müde, seine neueste Errungenschaft auf Luxemburgisch zu demonstrieren.
Der Zweijährige wächst zweisprachig, mit Luxemburgisch und Französisch, auf. Für ihn ist es eigentlich Zeit zum Schlafen, aber schlafen finden die meisten Kinder öde. Matthieu Lemaire kennt das schon, hebt ihn in den Kindersitz. Ein Plätzchen vollendet die kindliche Seeligkeit. Der Kinderwunsch ist eine lang gehegte, gut überlegte und gemeinsam getroffene Entscheidung. Bei Matthieu und seinem Partner Cyril Geldreich konnte sie nur über eine Adoption wahr werden.
Während des Studiums der „Lettres modernes“ in Straßburg lernt der Luxemburger seinen späteren Mann, einen gebürtigen Elsässer, kennen. Das war vor zwölf Jahren. Mittlerweile sind beide wieder nach Luxemburg umgesiedelt und arbeiten als Gymnasiallehrer und Assistent der Direktion in der Hotellerie. Das Thema Kind steht schon länger auf der Tagesordnung. Ohne Aussicht auf Erfüllung. „Wir wussten, dass es nicht geht“, sagt Matthieu. Nicht nur die Biologie steht im Weg, lange ist auch der fehlende rechtliche Rahmen ein Hindernis. Mit dem Gesetz vom 17. Juli 2014, das am 1. Januar 2015 in Kraft getreten ist, ändert sich die Lage schlagartig. Ein halbes Jahr später ist es so weit. „Wir waren das erste gleichgeschlechtliche Paar, das hier in Esch geheiratet hat“, sagt Matthieu. Nicht nur das. Der neue Familienstand ebnet endlich auch den Weg zur Adoption. Die beiden sind bis jetzt eines von zwei gleichgeschlechtlichen Paaren in Luxemburg, die ein Kind adoptieren konnten.
Gewohnte Sichtweisen geraten durcheinander
Nicht alle Länder erlauben gleichgeschlechtliche Paare als Eltern. Südafrika ist eines davon und Partner der in Luxemburg ansässigen Organisation Naledi. Frédéric ist in Johannesburg geboren, über die Mutter wissen sie fast nichts. „Sie hat den Kleinen auf der Geburtsstation zurückgelassen“, sagt Cyril, „die Behörden glauben auch, dass sie einen falschen Namen angegeben hat.“ Der „Papounet“ genannte andere Papa ist mittlerweile auch eingetroffen. Der „Badge“ um seinen Hals, den er auf der Arbeit trägt, wird von den kleinen Händen eingehend inspiziert.
Die Reise nach Johannesburg ist ein Aufbruch zu neuen Ufern. Frédéric kennen sie nur von einem Video und ein wochenlanger Papierkrieg liegt vor ihnen. Als der damals 16 Monate alte Junge nach vier Wochen das Flugzeug nach Luxemburg besteigt, hat er einen neuen Pass und neue Eltern. Die Rückreise verläuft ohne Probleme. „Ich glaube, Frédéric dachte, das ist ein Spiel“, sagt Cyril. Für die Erwachsenen fühlt es sich anders an. In Rekordzeit muss Babypflege, erhöhte Wachsamkeit und dieses andere Verantwortungsgefühl, das nur Eltern kennen, in Fleisch und Blut übergehen. Am Ende steht: „Wir bereuen diesen Entschluss keine Minute“, sagen sie unisono, „das Glück ist das, was zählt.“
Der Anblick der kleinen Familie bringt Gewohnheiten ins Wanken. „Wenn die Leute uns sehen, fangen sie an zu überlegen“, sagt Matthieu, „das ist eine halbe Sekunde, in der sie sich fragen, was ist da los?“ Sagen tut allerdings nie jemand etwas. „Luxemburg ist diversifiziert“, sagt Cyril, „vor allem in den Ballungsgebieten leben viele verschiedene Nationalitäten miteinander.“ Beweis ist der wie selbstverständlich und ebenfalls ohne Diskussionen bewilligte „Congé parental“ für beide durch die jeweiligen Arbeitgeber. Dass Frédéric irgendwann mit Fragen konfrontiert wird, schon allein über das Umfeld einer „Crèche“ oder später in der Schule, wissen sie. „Da gibt es ja gleich zwei Fragen“, sagt Cyril, „warum habe ich zwei Väter und warum bin ich adoptiert?“ Auch von außen werden Fragen auftauchen. „Die Leute sind das einfach noch nicht gewöhnt“, sagt Matthieu, „wir waren ja die Ersten.“
Adoptionen in Luxemburg
In Luxemburg gibt es drei Organisationen, über die Adoptivkinder vermittelt werden. Die „Amicale internationale d’aide à l’enfance asbl“ (AIAE) vermittelt Kinder aus Südkorea, Indien und Vietnam. Der „Service d’adoption de la Croix-Rouge luxembourgoise“ ist laut eigenen Angaben seit 1974 als Adoptionsvermittlungsstelle anerkannt und vermittelt Kinder aus Luxemburg und aus Ländern wie Bulgarien, Burkina Faso, Portugal, Kolumbien und seit 2017 auch aus der Slowakei.
Kinder aus Luxemburg können von gleichgeschlechtlichen Paaren im Großherzogtum adoptiert werden. Die anderen Partnerländer des „Service“ erlauben dies nicht. Die dritte Organisation, die Adoptionen vermittelt und offiziell vom Familienministerium anerkannt ist, ist die „Naledi asbl.“. Das „Maison de l’adoption“ des Roten Kreuzes begleitet mit Vor- und Nachbereitungskursen sowie psychologischer Betreuung die Adoption. Nach einem Vorbereitungskurs haben die Interessierten zwei Jahre Zeit, sich bei einer der drei Adoptionsvermittlungen einzuschreiben. 2017 haben sich 36 Paare und Singles gemeldet, 20 Kinder wurden adoptiert. Vier davon kamen aus Luxemburg, sieben aus Südafrika, vier aus Südkorea, drei aus Vietnam, eines aus Bulgarien und eines aus Burkina Faso.
Von den im Jahr 2017 adoptierten Kindern waren laut Familienministerium sechs Kinder unter einem Jahr alt, die restlichen 14 waren zwischen einem und vier Jahre alt.
Trotz großen Interesses und Nachfrage praktizieren die meisten Länder das Prinzip, die Kinder im eigenen Land zu vermitteln. Deshalb sinken die ins Ausland vermittelten Adoptionen, wie das Familienministerium mitteilt. 2016 wurden noch 22 Kinder nach Luxemburg vermittelt.
De Maart

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