Petz Lahure aus Como
Vor rund 40 Jahren gaben die Journalisten einem gewissen Eddy Merckx den Beinamen „Le cannibale“, weil er auf seinen Radtouren (fast) alle Trophäen abräumte, die abzuräumen waren. In Belgien hat Merckx (zumindest was die Klassiker anbelangt) nun endlich einen Nachfolger gefunden. Denn in den letzten Jahren zeigte Philippe Gilbert bei verschiedenen Rennen eine derartige Überlegenheit, dass er durchaus imstande ist, im Laufe seiner weiteren Karriere alle wichtigen Eintagesrennen zu gewinnen.
Starker Gilbert
In Gilberts Palmarès stehen derzeit (um nur die wichtigsten Erfolge aufzuzählen) zwei „Het Nieuwsblad“/früher „Het Volk“ (2006 und 2008), die „Coppa Sabatini“ 2009, das Amstel Gold Race 2010, zwei Paris-Tours (2008, 2009), zwei Piemont-Rundfahrten (2009, 2010) und zwei „Giri di Lombardia“ (2009, 2010).Affaire Contador: Saxo Bank bleibt in jedem Fall Riis-Sponsor
Auch ohne Alberto Contador bleibt das Geldinstitut Saxo Bank Hauptsponsor des Radsportteams von Ex-Toursieger Bjarne Riis. Das bestätigte die Bank am Sonntag. „Zusammen mit SunGard, einem der weltweit führenden Software- und Technologie-Dienstleister, wird Saxo Bank das Team auch 2011 unterstützen, unabhängig davon, ob Alberto Contador dabei bleibt“, hieß es in einer Pressemitteilung.
„Tatsache ist, dass der Vertrag zwischen der Saxo Bank und dem Radteam eine Klausel enthält, die eine Verpflichtung Contadors für 2011 als Teil des Teams vorsieht. Ich bin jedoch zusammen mit Bjarne Riis und dem Team-Management zu der Entscheidung gekommen, dass die Saxo Bank diese Klausel ignorieren wird, wenn Contador, entgegen bisherigen Erwartungen, nächstes Jahr nicht im Team sein wird“, sagte Lars Seier Christensen, Vizepräsident des Hauptsponsors.
Nächstes Jahr soll auch der eine oder andere Sieg bei Frühjahrsklassikern dazukommen, will man dem neuen Stern am belgischen Sporthimmel, der in Monaco lebt, glauben.
„Schaut her, ich bin die Nummer eins“, teilte der 28-jährige Gilbert (geb. am 5. Juli 1982 in Verviers) den Zuschauern am Straßenrand und den Millionen Ferventen, die vor dem Fernsehschirm saßen, schon lange vor dem Einbiegen in die Zielgerade mit. Immer wieder zeigte er auf die an seinem Velorahmen befestigte Startnummer „1“ und winkte dem Publikum zu.
„Weltuntergang“
„Jetzt habe ich meine Revanche für die verpatzte WM“, meinte er bei der Pressekonferenz: „Ich bin natürlich glücklich, dass ich die Saison mit zwei Erfolgen in drei Tagen abschließen konnte. Es war ein sehr schweres Rennen bei unmöglichen Bedingungen. In keinem Moment aber habe ich an meinem Erfolg gezweifelt.“
Die Lombardei-Rundfahrt wurde ihrem Beinamen „Rennen der fallenden Blätter“ mehr als gerecht.
Als sich bei „Weltuntergangsstimmung“ die Vorentscheidung anbahnte, rutschte der heimliche Favorit einer ganzen Nation, der Italiener Vincenzo Nibali, in einer Spitzkehre auf den nassen Herbstblättern aus. Nibali stürzte in der technisch äußerst schwierigen Abfahrt vom „Colma di Sormano“, den die Organisatoren anstelle des „Civiglio“ ins Programm eingebaut hatten. Zu fahren waren in dem Augenblick noch rund 40 Kilometer.
Während der spätere Sieger Philippe Gilbert vorne auf den glitschigen Straßen Tempo machte, kam Nibali nie mehr an die Spitzengruppe, die mit fortschreitender Zeit auf nur zwei Einheiten zusammenschrumpfte (Philippe Gilbert, Michele Scarponi), heran. Die Entscheidung erzwang Gilbert 200 m vor dem Scheitel des letzten Anstiegs (San Fermo della Battaglia), als er Scarponi mit einem wuchtigen Antritt stehen ließ und bis ins 5 km entfernte Ziel am Lungo Lario Trento in Como 12 Sekunden Vorsprung bewahrte.
Als sie die Streckenführung auswählten, konnten die Veranstalter nicht wissen, dass das Wetter ihrem Renn-Monument (der „Giro di Lombardia“ gehört neben Milan-SanRemo, der Flandern-Rundfahrt, Paris-Roubaix und Liège-Bastogne-Liège zu den „Big 5“ des Rennkalenders) den Stempel aufdrücken könnte.
Andys Sturz
Der Regen und die niedrigen Temperaturen (zwischen 6 und 10 Grad) zwangen viele Fahrer vorzeitig in die Knie. In Como fuhren schließlich nur 34 Konkurrenten über den Strich.
Unter 161(!) Fahrern, die den Klassiker nicht zu Ende fuhren, war auch Andy Schleck. In Mailand streifte der Luxemburger zum letzten Mal das Trikot des Saxo-Bank-Rennstalls über und wollte sich eigentlich mit einer guten Leistung von der dänischen Mannschaft verabschieden.
Trotz viel guten Willens aber wusste Andy schon am Morgen beim Start, dass er die vor geraumer Zeit geplante Glanzleistung bei der „Tour de Lombardie“ frühzeitig ad acta legen konnte. „Ich fühle mich nicht wohl“, sagte er den Journalisten beim Einschreiben in die Teilnehmerliste: „Ich leide an einer Virusinfektion. Ich bestreite das Rennen, weil ich es so geplant hatte, doch leider muss ich meine Ambitionen zurückschrauben. Sollte ich merken, dass ich keine Siegchancen habe, will ich mich in den Dienst von Jakob Fuglsang stellen.“
Dazu aber kam es nicht, denn schon nach 80 km stürzte Andy und verlor den Kontakt zum Peloton. Als keine Aussicht mehr bestand, ins Feld zurückzufahren, steckte der Luxemburger auf. Für ihn endete die Saison also mit einer kleinen Enttäuschung: „Ich liebe das Rennen in der Lombardei und werde zurückkommen. Die Strecke passt mir, und ich bin mir sicher, dass ich hier auf Sieg fahren kann.“
Der erste Teil des „Giro di Lombardia“ stand ganz im Zeichen einer sechsköpfigen Fluchtgruppe, die sich kurz nach dem Start gebildet hatte. Sie setzte sich zusammen aus Tony Gallopin (Cofidis), Gianluca Mirenda (ISD-Neri), Diego Caccia (ISD-Neri), Mauro Da Dalto (Lampre), Kjell Carlström (Team Sky) und Michael Albasini (HTC-Columbia). In der herbstlichen Kälte hielt dieser Angriff bis in die Steigung nach Madonna del Ghisallo, wo Albasini und Caccia sich von ihren zeitweiligen Begleitern lösten.
Danach versuchte es der Schweizer auf eigene Faust, doch konnte er die Rückkehr der „Meute“ nicht verhindern. Später starteten auch Vladimir Gusev, Giovanni Visconti und auch der überraschend starke Holländer Bauke Mollema einen Versuchsballon. Sie alle dürfen höchstens das Verdienst für sich beanspruchen, das Rennen definitiv lanciert zu haben.
Das Ergebnis
Lombardei-Rundfahrt (260 km), letzter Klassiker der Saison: 1. Philippe Gilbert (Belgien) Omega Pharma-Lotto 6:46:32 Stunden, 2. Michele Scarponi (Italien) Androni Giocattoli 0:12 Minuten zurück, 3. Pablo Lastras (Spanien) Caisse d’Epargne 0:55, 4. Jakob Fuglsang (Dänemark) Saxo Bank 1:08, 5. Vincenzo Nibali (Italien) Liquigas-Doimo g.Z., 6. Samuel Sanchez (Spanien) Euskaltel-Euskadi 1:12, 7. Mikel Nieve (Spanien) Euskaltel- Euskadi 2:07, 8. Mauro Santambrogio (Italien) BMC 3:01, 9. Carlos Barredo (Spanien) Quick Step 3:25; 10. Giampaolo Caruso (Italien) Katusha 3:50, … 34. Aleksejs Saromotins (Lettland) HTC-Columbia 21:35. 34 Fahrer klassiert, 195 am Start. Aufgegeben u.a. Andy Schleck (Luxemburg) Saxo Bank.
De Maart
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