Der Reifenhersteller stellt jedem der 12 Teams einen persönlichen Ingenieur für die ganze Saison zur Seite, und bei Mercedes GP ist es eben Riefstahl.
Während seines Maschinenbau-Studiums absolvierte Riefstahl ein praktisches Jahr bei BMW in München. Der Kontakt war geknüpft, der erste Job war die Rennmotoren-Abteilung von BMW. Es folgte ein Job in der Analyse-Abteilung des Rennstalls BMW-Sauber, der 2009 mit dem BMW-Rückzug aus der F1 endete. Riefstahl kehrte zu BMW zurück, Abteilung Chassis-Entwicklung für Straßenautos. „Der Motorsport hat mir dort gefehlt, das konkrete Resultat an jedem Wochenende, der Adrenalin-Kick“, so der 32-Jährige, von klein auf Motorsport-Fan.
Als feststeht, dass Pirelli der neue alleinige Reifenhersteller der automobilen „Königsklasse“ wird, bewirbt sich Riefstahl. Und wird auch eingestellt: „Ein Traum ging in Erfüllung: die Formel 1, live an der Piste, nicht ’nur‘ dabei sein (wie bei BMW-Sauber, d. Red./siehe Interview).“
Dominique, was ist die Job Description des Pirelli-Reifeningenieurs bei einem F1-Team?
Dominique Riefstahl: „Ich bin quasi das ‚Gesicht‘ von Pirelli beim Rennstall. Ich gebe dem Team die nötige Hilfestellung, damit dieses seine Reifen bestmöglich einsetzen kann. Das Team bekommt von mir ein Feedback über die benutzten Reifen, damit gegebenenfalls Anpassungen an der Einstellung des Boliden vorgenommen werden können. Umgekehrt bin ich eine von 12 Daten-Quellen für Pirelli was das gute Funktionieren der Pneus angeht.“
Klingt einfach …
„Ja, aber … Es ist ein Balance-Akt. Ich muss Vertrauen zum Team aufbauen, denn ich erhalte sehr sensible Daten. Andererseits muss ich natürlich Pirelli so viel wie möglich geben. Ich kann nicht mit jedem über alles reden. Ich denke, es funktioniert aber recht gut, bei uns allen (12 Pirelli-Ingenieuren bei den Teams, d. Red.).
So ein Renn-Wochenende ist ja ziemlich lang …
„Ja, es werden lange Tage, wobei der Freitag in der Regel der längste ist und zwischen 22.00 und 24.00 Uhr endet. Dann werden die Tage kürzer, aber intensiver. Wobei, im Vergleich zu den Winter-Tests ist dies alles noch ‚Kindergeburtstag‘. Dort wird an einem Tag viel mehr gefahren, zwischen 9.00 und 18.00 Uhr, also fällt auch eine riesige Datenmenge an. Das heißt um 2.00 den letzten Bericht fertig machen und um 6.00 schon wieder aufstehen. Das ist richtig harte Arbeit, macht nichtsdestotrotz aber viel Spaß.“
Du arbeitest im Team von Rekord-Weltmeister Michael Schumacher und von Nico Rosberg. Wie sind die beiden so?
„Ich habe beide vorher nicht gekannt, und bin begeistert. Ein Riesenvorteil ist natürlich, dass ich Deutsch spreche. Mit Schumacher zusammen arbeiten zu dürfen ist einmalig, eine Riesen-Chance. Er hat wahnsinnig viel Erfahrung. Im Umgang ist er total locker und unkompliziert, wir duzen uns von Beginn an.“
Schumacher hat 20 Jahre F1-Erfahrung auf dem Buckel, merkt man das?
„Ja und nein. Er hat schon alles gesehen und man merkt: er will immer gewinnen, hat sich aber auch immer noch den Spaß an der Sache bewahrt. Nico seinerseits will sich beweisen. Der erste Konkurrent ist immer der eigene Teamkollege, in seinem Fall ist es halt ein siebenfacher Weltmeister. Beide wollen das Beste rausholen.“
Schumacher feiert wie erwähnt 20 Jahre Formel 1 an diesem Wochenende, weißt du, ob etwas Besonderes vorgesehen ist?
„Ja, das ganze Paddock ist eingeladen für Samstagabend zu Curry-Wurst und Kölsch. Das ist ein Privileg, bei diesem Event dabei sein zu können.“
In der Analyse-Abteilung von BMW-Sauber hast du am Firmensitz gearbeitet, nicht an den Rennstrecken…
„… genau, ich war nur einmal beruflich bei einem Rennen und vier Mal privat …“
… wie ist es jetzt, wo du seit Januar so richtig in die Welt des Formel-1-Zirkus eingetaucht bist?
„Es ist tatsächlich eine andere Welt. Eine andere und eine kleine Welt, größtenteils eine englische – fast alle Laster im Paddock sind Rechts-Lenker – mit einer italienischen und einer spanischen ‚Insel‘. Es ist wie eine große Familie, man sieht immer die gleichen Gesichter, und es entsteht schnell eine ‚camaraderie‘. Es gibt viel Stress, es wird aber auch viel gemeinsam gelacht. Viele von uns treiben zusammen Sport. In China beispielsweise war unsere Küche abgebrannt, Aushilfe war gar kein Thema. Auch sonst gibt es öfters gegenseitige Einladungen. Wir sind halt alle zusammen sehr viel auf Reisen, das schafft einen Zusammenhalt. Man sieht sich eben, soziale Kontakte sind einfacher als am Wohnort. Die Erfahrenen unter uns kennen die Städte, wissen wo man was unternehmen kann, essen oder ausgehen kann; sie nehmen die neuen an die Hand.“
Hat man denn viel Freizeit an einem F1-Wochenende?
„Man kann sie sich nehmen, aber dann ist es meistens ein Tauschgeschäft: gegen weniger Schlaf (lacht). Mittwochs bleibt manchmal etwas Zeit, wenn wir schon morgens ankommen. Samstagsabends kann man in der Regel essen gehen.“
Und allgemein die Freizeit? Gibt es zwischen den Rennen auch mal Tage, wo man wirklich nur die Beine hochlegt?
„Bis jetzt hatte ich diesen Bedarf noch nicht, meistens ist man auch gleich wieder weg. ‚Ech sinn och éischter wibbeleg.‘ Nach den Winter-Tests, da braucht man richtige Erholung. Die Freizeit zwischen den Rennen ist auch immer schnell verplant, ich sehe meine Freundin in München oder sie kommt zu mir, ich treffe Freunde in England,…“
Du hast deine Fern-Beziehung angesprochen, funktioniert’s?
„Ja, die Alltags-Probleme wie ‚wer bringt den Müll runter?‘ entfallen bei uns (schmunzelt). Ernsthaft: Als ich bei Pirelli unterschrieb war uns klar, dass es wenig Sinn macht, dass meine Freundin mit nach England zieht. Auf Jahre hinaus ist das wohl kein Dauerzustand, aber ein paar Jahre, das geht. Seit Januar verbrachte ich so ca. 70 Prozent meiner Zeit auf den Rennstrecken dieser Welt, ca. 20 Prozent in Abingdon, und die restlichen 10 Prozent in München – Ferien abgerechnet.“
Und wie oft sah Dich deine Familie in Luxemburg seit Januar?
„Die ist nicht sehr froh, aber ich muss mich ja eh schon zweiteilen … Dreimal, und am Dienstag hatte mein Flieger Verspätung, da reichte es leider auch nur für ein gemeinsames Abendessen. Mittwochmorgens um 6.00 ging es los nach Spa.“
De Maart

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