Es ist doch so, dass der bescheidenste Minister im kleinsten Lande über ein Kabinett verfügt, dessen zumeist hoch diplomierte Mitglieder jede zu treffende Entscheidung aus vielerlei Gesichtspunkten prüfen und schließlich richtungsweisenden Einfluss haben.
" class="infobox_img" />Alvin Sold [email protected]
Andersrum: Europa, das verfallende Europa, ist die geradezu typische Ausgeburt einer Technokratie, die schwache Regierungen in die von den Finanzmärkten gestellten Fallen führte.
In Deutschland wundert man sich darüber, dass eine deutsche Staatsanleihe nicht sofort voll gezeichnet wurde. Warum sollten die Herren der gewaltigen Geldströme, welche sich aus der Entschuldungs-Austerität ergeben, ausgerechnet in das Land lenken, das die wenigsten Zinsen zahlen muss?
Der Wucher ist ein uraltes Geschäft, eines, das christliche Religionen in ihrer reinen Zeit verboten. – Ich bestimme das Risiko, das du aus meiner Sicht bist, und dann lege ich meinen Satz fest. Bin ich ungerecht, als Wucherer, gegenüber Portugal, Griechenland, Irland und demnächst Frankreich und Belgien? Geht dich überhaupt nichts an, denn mein Geld setz ich ein zum Preis, den du, der abhängig Gewordene, mir zahlen musst. Sorry, you lost your triple A, you have to pay!
Nehmen wir an – aber das ist nur eine noch nicht im Ansatz zutreffende Hypothese –, die Wähler hätten die Strategie der global operierenden Finanzingenieure durchschaut. Würden sie dann zulassen, dass man ihnen nun als Premier oder Minister getarnte Technokraten vor die Nase setzte, solche, deren Auftrag nicht darin besteht, für ausgleichende Gerechtigkeit zu sorgen, sondern geliehenes Kapital zurückzuführen, koste es, was es wolle, an die Verleiher, damit diese es in anderen Weltteilen ertragreicher einsetzen können?
Denn darum geht es letztlich.
Wenn Europa seine Schulden halbwegs getilgt hat, mit Austeritätspolitiken, die der europäischen Wirtschaft das Lebensblut, die Kaufkraft (!) entziehen, hat das aus Europa abgesogene Kapital anderswo höchste Erträge verbucht, weil es dort unter menschenunwürdigen Bedingungen schuften lassen kann. Und wir Europäer bekamen die fällige Lektion.
Wieso wird romantisches Zeug wie das, was hier zu lesen steht, solches, das einer vorgestrigen Ideologie entstammt, überhaupt noch gedruckt, mag da manch einer der inzwischen recht zahlreichen Patrons denken, die in Luxemburg alle sozialen Eigenarten weghobeln möchten.
Nun, es wird gedruckt und, so oder so, zur Kenntnis genommen, weil es gedacht und geschrieben werden darf. Und es muss gedacht und geschrieben werden, hier und vielerorts, weil das Europa, das politische Europa, das wir brauchen, nur auf der distributiven Gerechtigkeit fußen kann.
Diese setzt eine Konvergenz der wirtschaftlichen UND der sozialen Entwicklung voraus. Ein nie vertraglich festgehaltenes Ziel!
Am nächsten Montag
Aus dem unglaublichen Schlamassel, der sich aus der Bevormundung Europas durch die Finanzmärkte ergibt, ist eigentlich nur ein politischer Rückschluss zu ziehen: Man wähle, nach eingehendster Prüfung, die Besten. Man wähle Politiker, die ihre Beamten führen, und keine, die von Beamten geführt werden müssen.
Man lasse, bei einer Ministerernennung, alles Zweitrangige beiseite, wie z.B. das Alter, das Geschlecht, den Wahlbezirk.
Was zählt, ist erstens die politische Legimität, die grundsätzlich im Wählerwillen wurzelt, und zweitens das erwiesene Können.
Die Luxemburger Sozialistische Arbeiterpartei – ja, nennen wir sie mal wieder bei ihrem vollen Namen –, welche nicht zuletzt durch falsche Personalentscheidungen Verluste verbuchte wie fast keine andere in Europa, kann sich keinen Irrtum leisten, am nächsten Montag.
De Maart
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