Mittwoch12. November 2025

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Wenn die Arbeit krank macht

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Immer mehr Menschen leiden unter mentalen Problemen. Sie drücken auf die Produktivität der Arbeitnehmer, sagt nun eine OECD-Studie. Auch in Luxemburg sind psychische Leiden auf dem Vormarsch.

Die Analyse der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) ist alarmierend. Ein Arbeitnehmer von fünf leidet an psychischen Störungen. Angstzustände, Burn-outs, Depressionen sind auf dem Vormarsch. Carlo Steffes, Chef der Arbeitsmedizin im Gesundheitsministerium bestätigt die Resultate der OECD-Studie. In einer rezenten Studie der ILReS und der Arbeitskammer gaben 42 Prozent der Befragten an, unter Stress zu leiden. Darunter würden 20 Prozent Symptome eines Burn-outs aufweisen. Den jährlichen Zahlen der Arbeitgeber zufolge seien jedoch nur 10 Prozent der Arbeitnehmer betroffen.

Auch die Statistiken zu den sogenannten „Reclassements“ (berufliche Umorientierungen) zeigen, dass die psychischen Leiden immer wichtiger werden. Jedes Jahr würden etwa 2000 Menschen den Arbeitsplatz wechseln. 60 Prozent würden wegen Knochen- und Muskelproblemen neu eingestuft, aber mit 17 Prozent seien die seelischen Krankheiten inzwischen schon auf Platz zwei geklettert, bedauert Carlo Steffes.

Weniger ertragsfähig

Laut OECD hat die Zunahme der mentalen Krankheiten erhebliche Folgen auf die Ertragfähigkeit der Arbeitnehmer. Bei drei von vier Angestellten, die unter psychischen Krankheiten leiden, würde ein beängstigender Rückgang der Produktivität festgestellt, heißt es weiter in der Studie. Nur zwischen 55 und 70 Prozent der psychisch kranken Menschen würde eine Arbeit finden. Zwischen 30 und 50 Prozent der frühzeitigen Rentenanfragen werden durch eine schlechte mentale Gesundheit begründet.

Viele Menschen verlieren ihren Arbeitsplatz wegen psychischer Krankheiten. Zunehmender Stress, die Forderung nach einem immer größeren Engagement, der Rückgang der Erholungsperioden … derartige Erscheinungen hätten sich in den letzten Jahren in den OECD-Ländern drastisch erhöht.

Die psychischen Probleme fangen jedoch nicht erst mit dem Eintritt ins Berufsleben an. Schon bei Jugendlichen werden immer häufiger geistige Probleme diagnostiziert. Die Folge seien schulische Schwierigkeiten, was wiederum die Chancen auf dem Arbeitsmarkt senke, so die Wissenschaftler der OECD.

Mehr und länger abwesend

Immer mehr junge Menschen würden schon früh aus dem Arbeitsleben ausscheiden. Und wenn sie weiter arbeiten, liege bei ihnen der Durchschnitt der Krankschreibungen mit 32 Prozent viele höher als der ihrer gesunden Kollegen (19 Prozent). Sie seien auch länger abwesend. Die Zahl der Anträge auf eine Invalidenrente steigt. Auf diese Weise gingen der Wirtschaft Milliarden an Euro an Produktivität verloren. Laut einer EU-Studie gehen in den Euro-Ländern jedes Jahr etwa 300 Milliarden Euro verloren. Das sind etwa 3 Prozent des Bruttoinland-Produktes der 15 alten EU-Mitgliedsstaaten. In Luxemburg wird der Verlust ebenfalls auf ungefähr drei Prozent des Bruttoinland-Produktes (1,26 Milliaren Euro) geschätzt.

Handlungsbedarf sieht die OECD in der Schule und auf dem Arbeitsplatz. Dort müssten Bedingungen geschaffen werden, die psychische Probleme vorbeugen. Wenn Schüler, Studenten oder Arbeitnehmer Symptome (Kopfweh, Genick- und Rückenprobleme, chronische Müdigkeit, Schlafstörungen, Lustlosigkeit, Appetitlosigkeit, plötzlicher Gewichtsverlust, aggressives Verhalten …) einer zu großen mentalen Belastung aufweisen, müsste eine schnelle und effiziente Behandlung garantiert sein.

Zu späte Hilfe für Betroffene

Die OECD kritisiert in diesem Zusammenhang die Gesundheitspolitik in den meisten Ländern, die nur bei akuten Problemen, wie etwa bei Schizophrenie, aktiv wird. Diese Krankheit aber stelle nur ein Viertel aller psychologischen Pathologien dar, wird in der Studie betont. Zwischen 50 und 70 Prozent der Leute, mit einem leichten oder mittelschweren Krankheitsbild würde keine Hilfe erhalten, moniert die OECD.

In Luxemburg gibt es mehrere Anlaufstellen für Angestellte mit psychischen Krankheiten: Die Arbeitsmedizin, die „Stress asbl“ der Arbeitnehmerkammer, „Mobbing asbl“ und die Gewerbeaufsicht (ITM). Im nächstem Jahr werden die seelischen Probleme in der Arbeitswelt ein Hauptthema bei verschiedenen Tagungen und Aktionstagen sein, kündigte der Chef der luxemburgischen Arbeitsmedizin, Dr Carlo Steffes, an.