Mittwoch12. November 2025

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Ägypten: 28 Verletzte und 143 Verstöße

Ägypten: 28 Verletzte und 143 Verstöße
(AP)

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Nach einem stürmischen ersten Tag sind die Ägypter am Donnerstag erneut in großer Zahl zu den Urnen geströmt, um einen neuen Präsidenten zu wählen. Bilanz: 28 Verletzte und 143 Verstöße. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 25 Prozent.

Wahlbeobachter haben am ersten Tag der Präsidentenwahl in Ägypten 143 Verstöße gegen die Wahlordnung festgestellt. Es habe Versuche gegeben, Wähler bei der Stimmabgabe zu beeinflussen, teilte das Netzwerk Beobachter ohne Grenzen am Donnerstag in Kairo mit. Zudem sei der Wahlkampf entgegen den Vorschriften weitergeführt worden, in Wahllokalen für Frauen sei versucht worden, Stimmen gleich bündelweise abzugeben. Außerdem hätten die unabhängigen ägyptischen Beobachter fehlerhafte Wählerlisten vorgefunden. Vor allem in den Großstädten Kairo und Alexandria seien Unregelmäßigkeiten festgestellt worden.

Nach Schätzungen des unabhängigen Nachrichtenportals „youm7“ lag die Wahlbeteiligung am Mittwoch bei rund 25 Prozent. Am ersten Tag der zweitägigen Abstimmung über die Nachfolge des im vergangenen Jahr gestürzten Präsidenten Husni Mubarak war es vor einigen Wahllokalen zu Schlägereien zwischen den Anhängern verschiedener Kandidaten gekommen.

Insgesamt zählten die Behörden bisher nach Angaben der staatlichen Medien 28 Verletzte, was allerdings deutlich unter dem Gewaltniveau früherer Wahlen in Ägypten liegt. Die Zahl der Beschwerden über Bestechung und Wählerbeeinflussung bei der Abstimmung war etwas geringer als bei der letzten Parlamentswahl, aus der die Islamisten als Sieger hervorgegangen waren.

Kandidat mit Schuhen beworfen

Vor einem Wahllokal in Kairo war der Kandidat Ahmed Schafik am Mittwochnachmittag von Gegnern bedrängt und mit Schuhen beworfen worden. Der Leiter seiner Kampagne, Ahmed Sarhan, erklärte am Abend, Schafik sei nicht verletzt worden. Die beste Antwort auf dieses Verhalten sei es, wenn möglichst viele Menschen zur Wahl gingen. Schafik gilt vielen Ägyptern als Mubarak-Mann und ist deshalb sowohl für die Islamisten als auch für die sogenannte Revolutionsjugend ein rotes Tuch.

Das Wahlergebnis wird für Samstag erwartet. Die meisten Beobachter gehen davon aus, dass keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit erreichen wird. Dann kommt es am 16. und 17. Juni zu einer Stichwahl.

Verlässliche Wählerbefragungen gibt es in Ägypten nicht. Aus stichprobenartig erfassten Aussagen von Wählern lässt sich bislang nur ablesen, dass neben dem früheren Luftfahrtminister Schafik auch der frühere Karrierediplomat Amre Mussa, der linke Aktivist Hamdien Sabbahi sowie zwei islamistische Kandidaten viele Stimmen erhalten haben.

50 Millionen Ägypter aufgerufen

Mehr als 50 Millionen Ägypter sind aufgerufen, bis zum Donnerstagabend aus zwölf Kandidaten einen Nachfolger für den im Februar 2011 gestürzten Langzeitmachthaber Husni Mubarak zu bestimmen.

Die Wahl entscheidet, ob das bevölkerungsreichste arabische Land demnächst von einem säkularen Polit-Profi aus dem ehemaligen Mubarak-Regime oder von einem Islamisten regiert wird. Das wird sich nicht nur auf die politische und wirtschaftliche Zukunft des Landes auswirken, sondern möglicherweise auch auf das Verhältnis zu Israel.

Boykott und Protest

Auf den Stimmzetteln standen zwar 13 Namen, aber ein Bewerber hatte seine Kandidatur zurückgezogen. Zu einem Boykott der Wahl riefen lediglich einige der sogenannten Revolutionsgarden auf, die mit ihren Protestaktionen im Februar 2011 den Sturz von Mubarak erreicht hatten. Sie protestierten gegen den aus ihrer Sicht undemokratisch handelnden Militärrat.

Zu den säkularen Kandidaten, die nach Umfragen die besten Chancen haben, zählen der ehemalige ägyptische Außenminister sowie Generalsekretär der Arabischen Liga, Amre Mussa, und der ehemalige Luftfahrtminister, Ahmed Schafik. Aus dem Lager der Islamisten sind Abdel Moneim Abdul Futuh und der Muslimbruder Mohammed Mursi Favoriten. Als gut platzierter Außenseiter gilt der linke Aktivist Hamdien Sabbahi. Er erklärte nach seiner Stimmabgabe vor Reportern: „Das Wichtigste ist, dass diese Wahlen sauber und fair ablaufen. Wenn dies nicht der Fall ist, dann muss sich die Gesellschaft zur Wehr setzen.“

Gerücht „Herzinfarkt“

Kaum hatten die Wahllokale geöffnet, verbreitete sich das Gerücht, der aussichtsreiche Kandidat Schafik habe einen Herzinfarkt erlitten. Schafik trat daraufhin in Kairo vor die Presse.

Einige Beobachter berichteten am Mittwoch über Versuche von Wahlleitern, die Wähler zugunsten eines bestimmten Kandidaten zu beeinflussen. Besonders aktiv waren nach Angaben von Menschenrechtlern die Anhänger Schafiks und der beiden Favoriten aus dem Lager der Islamisten, Abdul Futuh und Mursi. „Unsere Wahlbeobachter haben selbst gehört, wie Mitglieder der Wahlkommission einzelnen Wählern, die nicht lesen können, gesagt haben, wo sie ihr Kreuz machen sollen“, sagte Scherin Talaat von der Kampagne des Kandidaten Chalid Ali.

Vor vielen Wahllokalen bildeten sich am Morgen lange Warteschlangen, die allerdings kürzer waren als bei der ersten Parlamentswahl nach dem Sturz von Präsident Husni Mubarak. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums wurden zehn Wähler im Gedränge ohnmächtig. Frauen und Männer stellten sich diesmal getrennt an und wählten auch in getrennten Räumlichkeiten. Damit sollte ermöglicht werden, dass weibliche Beisitzer der Wahlkomitees die Identität von Frauen mit Gesichtsschleier überprüfen.