Freitag14. November 2025

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Glibbertiere auf Expansionskurs

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Jeden Sommer wieder bevölkern plötzlich unzählige Quallen ganze Küstenabschnitte. Am Mittelmeer vermiesten erst kürzlich Feuerquallen den Badegästen den Urlaub. Die schmerzhafte Plage könnte sich ausbreiten.

Sommerurlauber an Nord- und Ostsee müssen sich das Wasser häufig mit zwei Glibbertieren teilen: der harmlosen Ohrenqualle und der gelben Haarqualle. Mit letzterer hat so mancher Badegast schon Erfahrung gemacht. Unter Urlaubern ist sie unter dem Namen Feuerqualle berühmt-berüchtigt.

Die verbrennungsähnlichen Hautblessuren durch Feuerquallen seien vor allem schmerzhaft, sagt Quallenforscher Lutz Postel vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde. Wirklich gefährliche Arten gebe es in Europa nicht. Ganz anders an der australischen Nordküste: Die Begegnung mit der dort heimischen Würfelqualle endet nicht selten mit einem Herzstillstand.

„Pfui, eine Qualle“

Trotzdem graust es auch vielen europäischen Badegästen vor den glibberigen Meerestieren. Fischer stören sich an von Quallen verstopften Netzen, Kinder zerhacken die am Strand angeschwemmten, scheinbar leblosen Medusenkörper mit der Schaufel. Beinahe wie von einem anderen Stern erscheinen die seltsamen Wesen, die zu 90 Prozent aus Wasser bestehen und weltweit in unterschiedlichsten Farben und Formen vorkommen.

Die Quallen sind nur ein Stadium in der Entwicklung der Nesseltiere: Mit dem Wechsel in die nächste Generation geht für die Tiere ein Gestaltwechsel vor sich. Während die eine Generation aus winzigen Polypen besteht, die am Meeresgrund und auf Steinen siedeln, schwimmt die folgende Generation in Gestalt glibberiger Medusen durch die Meere.

Sie betreiben Brutpflege

Welche Form gerade am Zug ist, hängt in Europa von der Saison ab. Im Winter gibt es Polypen, im Sommer Quallen. Und die betreiben Brutpflege wie andere Tiere auch. Mit ihrem Sehsinn unterscheiden sie hell und dunkel. „Das sind so Sachen, die man normalerweise nicht so kennt und weiß, und daher sind die Tiere einem nicht so sympathisch“, sagt Postel.

Wann es zu besonders quallenreichen Jahren kommt, hätten die Wissenschaftler mittlerweile herausgefunden, erläutert der Forscher. „Bei kalten Wintern pflanzen sich die Polypen besonders gut fort. Und wenn es kalte Winter sind und wir warme Sommer haben, wo dann die Schirmquallen gut wachsen, dann haben wir, was die Biomasse angeht, biomassereiche Quallenjahre.“

Vermehrt treten Quallen aber auch dann auf, wenn natürliche Fressfeinde fehlen. Die Überfischung der Ozeane ist für Quallen eine positive Entwicklung. Auch die Klimaveränderung mit wärmeren Sommern könne den Medusen zugute kommen, sagt Postel.

Äußere Bedingungen entscheiden

Es sind äußere Bedingungen, die entscheiden, an welchen Stränden die Quallen in besonders großer Zahl auftauchen. „Es ist so, dass sie zum Plankton gehören und planktische Organismen sind von der Meeresströmung abhängig, sie können sich in gewisser Weise selbst bewegen, aber sich nicht gegen die Strömung durchsetzen oder Wanderungen vornehmen wie beispielsweise die Fische.“

Laut Experten kann es durchaus sein, dass an einem Tag an einem Strand tausende Quallen auftreten, die dann eine Woche später an weit weg an einem anderen – je nach Wind und Strömung. Die flachen Küstengewässer, in denen es für Badegäste oft zu unerfreulichen Begegnungen kommt, sind jedenfalls nicht das Gebiet, in dem sich die Nesseltiere bevorzugt herumtreiben: Feuerquallen fühlen sich in sehr salzigem, kaltem Tiefenwasser wohl.

In weniger kühlen und verregneten Sommern als in diesem Jahr können Menschen auch weit ab vom Meer, in Seen und Flüßen Quallen zu Gesicht bekommen. Eigentlich ein gutes Zeichen, denn Quallen sind ein Zeichen für gute Wasserqualität.