Die Finanzkrise ist überwunden – jedenfalls, was den Besitz an Bargeld, Bankeinlagen, Aktien und Ansprüchen gegenüber Versicherungen betrifft. Das globale Brutto-Vermögen der privaten Haushalte wuchs 2012 um 8,1 Prozent und erreichte einen Rekordstand von 111,2 Billionen Euro. Das ergab der vierte „Global Wealth Report“, den der Versicherungskonzern Allianz gestern in Frankfurt vorstellte.
Luxemburgs Daten „offensichtlich verzerrt“
Wie, die Schweizer sind die Reichsten?
Einer der Autoren der Studie, Arne Holzhausen, gab gegenüber dem Tageblatt zumindest zu, „dass Luxemburg für die Studie gar nicht berücksichtigt wurde“.
Wäre dies der Fall gewesen, stünde Luxemburg „ohne Zweifel“ noch vor den Schweizern auf Platz eins.
So weit, so gut.
Schlüssige Begründung
Die Autoren unternehmen wenigstens einen ehrlichen Schritt und begründen ihre Entscheidung, Luxemburg, Malta und Zypern für die Studie nicht berücksichtigt zu haben. Diese Tatsache muss man den Autoren anrechnen, denn oft genug geben die Verfasser ähnlicher Studien überhaupt nichts an.
Bei der Allianz liest man im Bericht Folgendes: „Die Daten dieser drei Ministaaten sind offensichtlich verzerrt: Aufgrund der geringen Bevölkerungszahl fallen die Angaben der dort lebenden reichen Ausländer deutlich ins Gewicht.“
Man kann sich wohl über den Begriff Ministaat aufregen, allerdings ist die Argumentation an sich schlüssig.
Und weiter: „Die hohen Vermögenswerte in diesen Ländern sagen wenig über den Reichtum der dortigen (autochthonen) Bevölkerung aus, sondern viel über die Attraktivität des Standorts für hoch bezahlte Finanzspezialisten oder wohlhabende (russische) Geschäftsleute.“ Wohl müssten neben den „(russischen)“ noch einige (deutsche) – und andere – Geschäftsleute hinz gezählt werden, doch auch hier ist die Argumentation schlüssig.
München als Maßstab
Die Begründung der Allianz schließt jedenfalls mit der Feststellung: „Der richtige Vergleichsmaßstab für beispielsweise Luxemburg wäre München oder Frankfurt, nicht aber Gesamtdeutschland.“
Immerhin, möchte man sagen.
(sb)
Wachstum beschleunigt sich
Laut der Untersuchung ist dies das stärkste Wachstum seit sechs Jahren und liegt auch deutlich über dem langfristigen, wechselkursbereinigten Durchschnitt (2001 bis 2012) von 4,6 Prozent pro Jahr.
Das Netto-Geldvermögen pro Kopf lag erstmals wieder in allen Regionen über dem bisherigen Höchststand, der im Jahr 2007 erreicht worden war. Für das globale Netto-Geldvermögen – dem Brutto-Geldvermögen abzüglich Verbindlichkeiten – ergab sich daraus sogar ein zweistelliges Plus von 10,4 Prozent.
Vor allem das Kursfeuerwerk an den Börsen machte sich beim Anstieg der Bruttovermögen bemerkbar. Der Wertpapierbesitz erreichte 2012 mit einem Plus von 10,4 Prozent den höchsten Stand seit der Finanzkrise. Die Ansprüche der Haushalte an Versicherungen und Pensionseinrichtungen wuchsen um 7,4 Prozent. Von den drei großen Anlageklassen schnitten die Bankeinlagen mit plus 6,7 Prozent am schwächsten ab. Wegen der niedrigen Zinsen in vielen Ländern sei der Anstieg hier auf neue Anlagegelder zurückzuführen, heißt es von Seiten der Allianz.
Mit einem Netto-Geldvermögen pro Kopf von 141.900 Euro oder knapp 175.000 Franken führen die Schweizer die Rangliste an – mit deutlichem Abstand zu den zweitplazierten US-Amerikanern (100.710 Euro).
Neben der Schweiz befinden sich drei weitere westeuropäische Länder unter den zehn reichsten weltweit: Belgien (73.520 Euro), die Niederlande (68.760 Euro) und Großbritannien (58.910 Euro). Deutschland lag mit 41.950 Euro nur auf Platz 17. Doch immerhin liegen damit die Vermögen um 18 Prozent über dem Höchststand vor der Krise – ein Zuwachs höher als in allen anderen Flächenländern der Eurozone.
Wer hat, dem wird gegeben
Die reichen Schweizer machen aber auch unbeschwert Schulden. In Westeuropa führen die eidgenössischen Haushalte mit einer Pro-Kopf-Verschuldung von 76.200 Euro oder 94.000 Franken. Es folgen Norweger (72.250 Euro) und Dänen (64.340 Euro). Insgesamt gab es in Zeiten strengerer Bankanforderungen an die Sicherheiten für Kredite ein eher gedämpftes Schuldenwachstum von 2,9 Prozent (einschließlich Hypothekenschulden). Die globale Schuldenquote (Verbindlichkeiten in Prozent des Bruttoinlandsprodukts) ging um einen Prozentpunkt auf 65,9 Prozent zurück. 2009 hatte sie noch bei 71,6 Prozent gelegen.
Am höchsten fiel das Plus beim Bruttovermögen mit knapp 16 Prozent in Asien (ohne Japan) aus, auch Lateinamerika und Osteuropa wuchsen zweistellig. „Die Dynamik, mit der sich die globale Mittelschicht entwickelt, war dabei nicht nur im letzten Jahr bemerkenswert.
Wermutstropfen Ungleichheit
In den letzten zwölf Jahren haben vor allem die Schwellenländer enorm aufgeholt: Seit Jahrtausendbeginn hat sich die Bevölkerung, die im globalen Maßstab über ein mittleres Vermögen verfügt, in Osteuropa und Lateinamerika verdoppelt, in Asien (ohne Japan) sogar beinahe verzehnfacht“, heißt es im Bericht der Allianz. Die Unterschiede sind allerdings immer noch krass: das durchschnittliche Netto-Geldvermögen beläuft sich im wohlhabendsten Fünftel der untersuchten mehr als 50 Länder auf 87.200 Euro, im untersten Fünftel auf 1.100 Euro pro Person.
Sorgen macht den Versicherungsökonomen das Auseinanderdriften der Euro-Länder auch auf diesem Gebiet. „Die wachsenden Vermögensunterschiede im Euroraum sind beunruhigend“, konstatiert Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise.
Zwar stieg das Netto-Geldvermögen – auch wegen stagnierender Verbindlichkeiten – in den Ländern mit der Gemeinschaftswährung um 7,2 Prozent und lag damit Ende 2012 erstmals wieder über dem Vorkrisenwert. Allerdings liegt das Nettovermögen pro Person in Griechenland bei nur noch 28 Prozent des Euroraum-Durchschnitts; vor der Krise lag dieser Wert noch deutlich über 50 Prozent. In Spanien ist er von 61 auf 44 Prozent gefallen.
De Maart
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