2. Dezember 2025 - 8.01 Uhr
ForumGusty Graas: Ist China ein Partner oder eine Bedrohung?
Vor allem in größeren Städten, Shanghai sei in erster Linie erwähnt, versetzt die chinesische Megalomanie den Beobachter in Staunen. Insbesondere die Wohnungs- und Transportinfrastruktur sowie die Digitalisierung belegen das chinesische technische Können und ihr Know-how.

Bei aller Modernität genießt das klassische kulturelle Leben weiterhin einen hohen Stellenwert. Unzählige Museen, in denen vor allem die rezente Geschichte aus dem Blickwinkel der kommunistischen Partei dargestellt wird, Theateraufführungen oder überdimensionierte Shows bieten abwechslungsreiche Höhepunkte. Außergewöhnliche Zeugen aus kaiserlichen Zeiten wie die Verbotene Stadt in Peking, das Mausoleum von Qin Shihuangdis mit der Terracotta-Armee oder selbstverständlich die Mauer, das größte Bauwerk der Erde, wirken wie Magneten auf die zahlreichen Besucher aus dem In- und Ausland. Wunderbare Landschaften in der Provinz Yunnan oder die magischen Bergkegel bei Guilin sind Bestandteile einer überragenden Natur.
Das politische System entspricht nicht unserer Kultur, Menschenrechte werden kleingeschrieben und die Partei wacht über alles und jeden
China mit seinen 1,4 Milliarden Einwohnern und einer Fläche von 9,5 Millionen Quadratkilometern ist ein verführerisches Land, das Ehrfurcht und Respekt ausstrahlt. Doch trotz dieser vielfältigen Angebote darf man nicht bedenkenlos dem Charme dieses Riesen verfallen. Das politische System entspricht nicht unserer Kultur, Menschenrechte werden kleingeschrieben und die Partei wacht über alles und jeden. Beispiel gefällig? Wie im Le Monde vom 6. Dezember 2024 zu lesen war, wurden junge verheiratete und kinderlose Frauen über Telefon befragt, warum sie noch keinen Nachwuchs haben und wann sie die letzte Regel hatten! Frauen wurden sogar aufgefordert, die Spirale aus ihrem Körper zu entfernen. Der Staat ist nämlich besorgt über die demografische Entwicklung des Landes. Der UN-Studie „World Population Prospects“ vom Juli 2024 zufolge würde die chinesische Einwohnerzahl zwischen 2024 und 2054 um 200 Millionen zurückgehen. Und für den Horizont 2100 prognostizieren die Statistiker gar ein Schrumpfen der Bevölkerung von heute 1,4 Milliarden um 50%! Ein solcher Prozess würde natürlich erhebliche wirtschaftliche Probleme bedeuten.
Chinesische Banken in Luxemburg
Es ist ein offenes Geheimnis: China macht keinen Hehl aus seinen militärischen Ansprüchen. Vor allem im indopazifischen Raum sind die Ambitionen im maritimen Bereich unverkennbar. Sehr bedauernswert ist zudem, dass die Volksrepublik hochpräzise Werkzeugmaschinen und Mikroelektronik dem Putin-Regime liefert, die für die Waffenherstellung von Bedeutung sind und somit der Krieg gegen die Ukraine unterstützt wird. Im All mischt Peking ebenfalls kräftig mit. Die Taiwanfrage sorgt bei den Chinesen für nervöse Reaktionen. Gründe genug, das Land zu ignorieren und keine diplomatischen Beziehungen zu unterhalten? Nein, China ist besonders für Luxemburg nicht nur ein wichtiger wirtschaftlicher Akteur, sondern auch ein seit Jahrzehnten verbundener Partner. Der luxemburgische Ingenieur Eugène Ruppert hat durch sein Wirken viel zum Aufbau der Hüttenindustrie in China beigetragen. Auch der Name Adolphe Franck ist mit dem groβen Land verbunden. Sein Einsatz galt vor allem der Modernisierung der chinesischen Eisenbahn. Immerhin hat Franck die Volksrepublik 58-mal besucht und wurde dreimal von Mao empfangen. Seit dem 16. November 1972 unterhält das Groβherzogtum mit China diplomatische Beziehungen. Im Jahr 2006 wurde ein Konsulat in Shanghai eröffnet. 1994 unterzeichnete unser Land ein Doppelbesteuerungsabkommen und 2002 kam es zu einem Übereinkommen im Luftfahrtbereich. China, zusammen mit Hongkong, ist unser zweitgröβter Handelspartner in Asien.
Sieben der gröβten chinesischen Banken sind in Luxemburg beheimatet. Vor allem im Sektor „Asset Management“ bietet der einheimische Finanzplatz den chinesischen Banken noch Potenzial. Seit fünf Jahren hat unsere Börse ihre Aktivitäten im Reich der Mitte bedeutend ausgebaut. Betriebe wie ArcelorMittal, IEE und CEBI produzieren Zusatzteile für die Automobilindustrie. Cargolux fliegt etwa 50-mal pro Woche in das Land und seit 2014 besitzt die Henan Civil Aviation Development and Investment Co. (HNCA) 35% des Kapitals der Luftfrachtgesellschaft. Und schlussendlich unterhält die China Southern Airlines seit dem 21. Dezember 2023 eine direkte Flugverbindung zwischen Findel und Guangzhou-Zhengzhou. Um den Tourismus zu erhöhen, ist die Einreise nach China für 24 Länder in Europa für eine Dauer von 15 Tagen visafrei, darunter auch Luxemburg. Die Eisenbahnverbindung mit Güterzügen zwischen Chengdu und Bettemburg musste allerdings eingestellt werden.
Nutzung von erneuerbaren Energiequellen
Regelmäβig werden bilaterale Austausche auf höchster politischer Ebene notiert. Eine Finanzmission unter der Leitung der damaligen Finanzministerin Yuriko Backes fand im Mai 2023 statt. Im Juni 2024 war Vize-Premier Ding Xuexiang in Luxemburg. Erst kürzlich weilten Vertreter der Umweltkommission unseres Parlamentes in China. Eine Delegation des Chamber-Büros wird dem Reich der Mitte übrigens im Dezember auch einen Besuch abstatten.
Vor allem in einem Bereich macht das für den Ausstoβ von etwa 33 Prozent der weltweiten Treibhausgase zuständige Land groβe Fortschritte: Während die Vereinigten Staaten im Klimaschutz keine Priorität mehr sehen, setzen die Chinesen verstärkt auf die Nutzung von erneuerbaren Energiequellen. Sich ihrer Verantwortung bewusst, investieren sie massiv in Solarzellen. 30 Gigawatt werden angestrebt. In Quinghai entsteht zum Beispiel in einer Höhe von 3.000 Metern eine 610 Quadratkilometer groβe Anlage. Auch Windmühlen sind allenthalben im Land sichtbar. Mitte des Jahres hatte China bereits eine Kapazität von 1.100 GW erreicht, die EU lag Ende 2024 bei 338 GW, wie Le Monde in seiner Ausgabe vom 11./12. November dieses Jahres berichtete. Auch in der Produktion von elektrischen Autos ist das Land schon federführend und bereitet uns Europäern damit erhebliche Kopfschmerzen. In dem Sinne hat die Europäische Kommission den Import von chinesischen Elektroautos mit Einfuhrzöllen belegt. Sollte Europa nicht bedeutende Anstrengungen unternehmen, riskiert es allerdings, weiter in die Abhängigkeit von China zu rutschen. Die rezente Affäre um Nexperia spricht Bände. Deutsche Automobilhersteller benötigen zudem den riesigen chinesischen Absatzmarkt, ansonsten ihnen schwierige wirtschaftliche Zeiten ins Haus stehen.
Sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene muss der Kontakt, trotz mehrerer schwerwiegender Differenzen, mit Peking weiterhin gepflegt werden, umso mehr die Beziehungen zu den USA leider fragiler geworden sind und Russland zurzeit kein Thema ist. Die EU und Luxemburg dürfen sich allerdings nicht scheuen, bei den vielen bilateralen Gesprächen auf diese Meinungsverschiedenheiten aufmerksam zu machen. Nur ehrliche Dialoge und konstruktive Annäherungsversuche führen zu nachhaltigen Verbindungen, die im Endeffekt ebenfalls notwendig für einen dauerhaften Frieden sind.
Anmerkung
Das Tageblatt schätzt den Austausch mit seinen Leserinnen und Lesern und bietet auf dieser Seite Raum für verschiedene Perspektiven. Die auf der Forum-Seite geäußerten Meinungen sollen die gesellschaftliche Diskussion anstoßen, spiegeln jedoch nicht zwangsläufig die Ansichten der Redaktion wider.
De Maart
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