Dienstag2. Dezember 2025

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Luxemburg-Stadt„Wir sind gegen diesen Größenwahn“ – Warum Bürger aus Hamm kein neues Stadion wollen

Luxemburg-Stadt / „Wir sind gegen diesen Größenwahn“ – Warum Bürger aus Hamm kein neues Stadion wollen
Auf diesem Feld gehen Julien Gannard (r.), Roger Schlechter (Mitte) und weitere Bürgerinnen aus Hamm gerne spazieren. In Zukunft soll dort allerdings ein großes Projekt entstehen. Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Die Stadt Luxemburg will in Hamm ein neues Leichtathletikstadion bauen – und wegen der Spiele der kleinen Staaten von Europa im Frühjahr 2029 drängt die Zeit. Nun allerdings wehren sich Bürger aus der Umgebung gegen das Großprojekt. 

Roger Schlechter wohnt seit 45 Jahren in Hamm und wünscht sich, dass das ursprüngliche Projekt umgesetzt wird
Roger Schlechter wohnt seit 45 Jahren in Hamm und wünscht sich, dass das ursprüngliche Projekt umgesetzt wird Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

„An diesem Ort lernen unsere Kinder Radfahren und wir gehen hier mit unseren Omis spazieren. Es ist die einzige Möglichkeit, oben in Hamm in der Natur zu sein“, erklärt Roger Schlechter, Präsident des „Syndicat d’intérêts locaux Hamm-Pulvermuhle“. Seit 45 Jahren lebt er in Hamm und steht mit fünf weiteren Einwohnerinnen und Einwohnern auf einem Feldweg nahe der rue de Hamm, wo die Stadt Luxemburg einen neuen Sportkomplex plant. Vorgesehen sind unter anderem ein Leichtathletikstadion mit überdachtem Trainingsbereich, Basketball- sowie Fußballfelder und Parks – wie in einer Sitzung des hauptstädtischen Gemeinderats Ende Oktober deutlich wurde.

Bei den Leuten aus der Umgebung sorgt das Projekt der Stadt – und vor allem deren Kommunikation dazu – für deutlichen Unmut. Zu sechst stehen sie an diesem kalten Novembertag in Hamm vor einer Journalistin und einem Fotografen, um ihren Frust über das mindestens 139,5 Millionen teure Vorhaben zu äußern. Roger Schlechter erinnert daran, dass ursprünglich nur ein kleines Fußballstadion vor Ort saniert werden und eine Anlage ähnlich jener des „Institut national des sports“ (INS) in Cents entstehen sollte.

Fehlende Informationen

Beim Apéri’tour im vergangenen Jahr in Hamm – einer Bürgerversammlung, bei der der Schöffenrat in den Stadtvierteln unterwegs war – erwähnten die politisch Verantwortlichen der Gemeinde Luxemburg dann aber die Spiele der kleinen Staaten von Europa. „Da haben wir gemerkt, dass das Projekt viel größer wird“, sagt der 67-jährige Roger Schlechter. Die Spiele werden im Frühjahr 2029 in Luxemburg stattfinden, voraussichtlich in der neuen Infrastruktur in Hamm. Entsprechend drängt die Zeit. Im Oktober sagte Bürgermeisterin Lydie Polfer (DP) am Knuedler, dass keine Zeit mehr verloren gehen darf.

Der seit 20 Jahren in Hamm lebende Julien Gannard ist frustriert darüber, wie langsam wichtige Projekt im Vergleich zum geplanten Leichtathletikstadion voranschreiten
Der seit 20 Jahren in Hamm lebende Julien Gannard ist frustriert darüber, wie langsam wichtige Projekt im Vergleich zum geplanten Leichtathletikstadion voranschreiten Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Wie genau das Großprojekt – das teils direkt hinter den Gärten einiger Häuser entstehen wird – aussehen soll, wissen die Einwohnerinnen und Einwohner des Viertels nicht. Beim Gespräch am geplanten Standort sagt Anwohnerin Alexandra Forétova, die seit neun Jahren in Hamm lebt: „Ich habe das finale Projekt noch nie gesehen.“ Julie Gannard, ein Mann aus dem Viertel, ergänzt: „Wir haben bisher keine Informationen dazu bekommen.“ Eine reine Informationsversammlung habe es bislang nicht gegeben, betonen die Sechs.

Ihnen zufolge gab es am 31. Oktober lediglich eine öffentliche Sitzung zu einer für das Projekt nötigen Neuklassifizierung des Geländes. Diese fand kurz vor den Ferien und während der Arbeitszeit statt, weshalb nur wenige teilnehmen konnten. Alexandra Forétova war dabei. „Als ich nach Studien zum Einfluss des Projekts auf die Umgebung fragte, unterbrach Bürgermeisterin Lydie Polfer mich sofort. Sie sagte, dass es an dem Tag nicht um das Projekt selbst gehe, sondern nur um die Neuklassifizierung des Geländes“, berichtet die 38-Jährige. Eine Anfrage des Tageblatt bei der Stadt zu den durchgeführten Auswirkungsstudien blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

Schock über Geplantes

Konkrete Informationen gab es für die Betroffenen aus dem Viertel also bislang nicht. Als Oppositionsmitglied Linda Gaasch („déi gréng“) im Oktober im Gemeinderat den Frust der Menschen ansprach, entgegnete die für den Bereich Freizeit zuständige Schöffin Simone Beissel (DP): „Es gab eine Informationsversammlung, den Einwohnern aus Hamm wurde gesagt, was da kommt“. Welche Veranstaltung die Schöffin – die das neue Stadion übrigens als „Aushängeschild für die Stadt“ bezeichnet – damit meinte, hat die Pressestelle der Gemeinde bislang nicht beantwortet. Den Bewohnern zufolge soll eine Infoversammlung erst im Januar stattfinden, „wenn schon alles in trockenen Tüchern ist“, sagt der 47 Jahre alte Julien Gannard. Dann sei die Frist nämlich abgelaufen, um Einspruch gegen die laufenden Prozeduren einzureichen.

Es ist ein Prestigeobjekt ohne Nutzen

Roger Schlechter, Präsident des Interessenvereins

Auch Bildmaterial zum Projekt wurde weder ihnen noch der Öffentlichkeit bislang gezeigt. Als das Vorhaben im Oktober im hauptstädtischen Gemeinderat diskutiert wurde, fragten mindestens zwei Medien bei der Pressestelle der Stadt nach Visualisierungen des Geplanten. Doch diese stellte kein Material zur Verfügung und beantwortete auch Nachfragen zum neuen Leichtathletikstadion nicht. Bauzeichnungen würden erst veröffentlicht, wenn am Knuedler über die Sportinfrastruktur abgestimmt werde, hieß es zu dem Zeitpunkt.

Auf anderem Weg sind die Leute aus Hamm dennoch an Visualisierungen gelangt und sind angesichts der Größe des Projekts – das unter anderem eine teils überdachte Anlage und eine Tribüne umfasst – schockiert. Roger Schlechter spricht von einem „Prestigeobjekt ohne Nutzen“ für eine Veranstaltung, die nur alle 16 oder 18 Jahre in Luxemburg stattfindet. Der Präsident des lokalen Interessenvereins betont: „Wir waren nie gegen das ursprüngliche Vorhaben und auch nicht gegen die Leichtathletik. Aber wir sind gegen diesen Größenwahn.“

Andere Wünsche

Trotz Beachvolleyballfelder, Parks und Spielplätzen glauben viel nicht, dass ihnen das Projekt nützen wird. „Es ist für andere gedacht“, sagen sie. Roger Schlechter vermutet, dass die angekündigten Freizeitinfrastrukturen die Nachbarschaft nur besänftigen sollen. Alexandra Forétova meint: „Wir haben nicht um dieses Projekt gebeten. Was wir brauchen, sind eine Apotheke und Lebensmittelgeschäfte.“ Die Bürgerinnen und Bürger verweisen auf das neue Kulturzentrum, dessen Bau wegen einer Firmenpleite seit Jahren stockt, sowie auf den renovierungsbedürftigen Turnsaal der Grundschule. Der seit 20 Jahren in Hamm lebende Julien Gannard ärgert sich: „Jahrelang ist nichts passiert. Aber in zwei, drei Jahren ein Leichtathletikstadion bauen – das geht.“ 

Gemeinsam mit einer weiteren Anwohnerin aus Hamm hat Alexandra Forétova nun eine Türklingelaktion gestartet, um die Nachbarschaft auf eigene Faust über das Projekt zu informieren. Rasch schlossen sich weitere Menschen aus der Umgebung an. „Diese Bürgerinitiative war notwendig, weil die offiziellen Informationen offensichtlich nicht bei den Betroffenen ankommen“, stellt sie fest. Mittlerweile haben sich 95 Personen (Stand: 30.11.25) in einer WhatsApp-Gruppe zusammengeschlossen, um auf dem Laufenden zu bleiben. Viele von ihnen haben der Stadt ihre Bedenken bereits schriftlich mitgeteilt und hoffen jetzt auf eines: endlich gehört zu werden.


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