Tageblatt: Sie sind Landwirt. Wenn Sie jemandem den Beruf schmackhaft machen sollten, was würden Sie sagen?
Christian Hahn: Für mich ist es der schönste Beruf der Welt. Man ist eigenständig, leistet einen Beitrag zur Gesellschaft und ist in der Natur. Es ist sehr abwechslungsreich. Das ist das Schönste an dem Beruf.
Immer wieder werden Nachfolgeprobleme beklagt. Landwirtschaftsministerin Martine Hansen hat angekündigt, eine Anlaufstelle für dieses Thema gründen zu wollen. Was halten Sie davon?
Es ist eine gute Idee und besser, als mit zwei Füßen ins kalte Wasser zu springen. Aber man muss potenziellen Nachfolgern auch sagen, es ist kein „9 to 5“-Job und man muss Leidenschaft dafür mitbringen.
Es gibt den „Landwirtschaftsdësch“. Eine gute Idee?
Ja. Er bietet punktuell die Gelegenheit, Themen zu vertiefen. Ich finde jedoch die Arbeit mit dem Landwirtschaftsministerium, aber auch mit anderen Ministerien, das ganze Jahr über noch viel wichtiger.
Flirten Sie noch mit Martine Hansen, oder zeichnet sich eine gute Zusammenarbeit ab?
Ich habe noch nicht mit ihr geflirtet, aber die Zusammenarbeit gestaltet sich gut – auch mit den Administrationen, die anschließend umsetzen müssen.
Viele Landwirte beklagen zu hohen Bürokratieaufwand. Sehen Sie das auch so?
Das kann ich nur bestätigen. Der Bürokratieaufwand erhöht neben der täglichen Arbeit den Druck auf uns. Wir zahlen Strafen, wenn wir unsere Anträge nicht fristgerecht abliefern, bekommen aber keine Zinsen, wenn das beantragte Geld zu spät ausgezahlt wird. Wir haben jetzt September 2025 und letzte Woche sind die letzten Gelder für 2024 gekommen.
Ist die Weideschlachtung ein Thema unter den Kollegen?
Ja. Es ist eine Nische, aber es gibt Landwirte, die daran interessiert sind. Ich möchte eine Arbeitsgruppe dazu einberufen, so arbeite ich gerne. Dann müssen wir schauen, wie wir mit Veterinärverwaltung und Ministerium eine juristische Basis dafür hinbekommen. In anderen Ländern gibt es das schon.
Der Einsatz an Pflanzenschutzmitteln wird immer wieder diskutiert, vor allem wenn es um Klimafragen geht. Wie geht die Kammer damit um?
Ziemlich gelassen. Die Landwirte, die Pflanzenschutzmittel einsetzen, haben es gelernt. Für mich darf jemand nur Pflanzenschutzmittel bekommen, wenn er gelernt hat, damit umzugehen. Und generell kommen sie nur aufs Feld, wenn es sein muss.
Wie steht es denn um den Einsatz von Glyphosat?
Glyphosat hat eine europäische Zulassung. Luxemburg wie auch Österreich wollten einen Alleingang machen. Beide sind gescheitert. Wenn es eine europäische Zulassung gibt, darf national nicht anders entschieden werden. Die Diskussion darum hatte aber Vorteile.
Welche?
Es wird hier belohnt, wenn man es nicht einsetzt. Wir verzichten ja auf ein zugelassenes Mittel, das dann nicht mehr eingesetzt wird. Das hat einen Grund: Wenn man es während der Wachstumsphase spritzt, ist alles kaputt. Glyphosat unterbindet die Fotosynthese der Pflanze. Das Foto mit einem Sprühfahrzeug über einer Pflanzenkultur zu einem Artikel über Glyphosat ist falsch. Es wird – wenn überhaupt – immer zwischen den Kulturen eingesetzt, wenn zu viel Unkraut da ist, teilweise nur an den Feldrändern. Sowieso war die Entscheidung, es verbieten zu wollen, nicht konsequent.
Inwiefern?
Wir Landwirte arbeiten heutzutage in einem internationalen Umfeld. Dazu gehören Importe, die aus genmanipulierten Pflanzen stammen, die der Kunde im Regal findet. Denen aber macht Glyphosat nichts aus. Das ist eine deloyale Konkurrenz. Deswegen finde ich es richtig, den Nicht-Einsatz zu belohnen. Übrigens war der größte Glyphosatausbringer in der Vergangenheit nicht die Landwirtschaft, sondern die CFL.

Viele konventionelle Bauern sagen, Sie arbeiteten fast genauso wie ihre Biokollegen. Ist der Unterschied konventionell und Bio wirklich so gering?
Ich stelle die Frage zurück. Meine Kürbisse sind komplett unbehandelt. Was ist an meinen schlechter als an bio-zertifizierten? Die Antwort ist, wir haben konventionelle Betriebe, die nah an biologische Arbeitsweisen herankommen, aber wegen des Verwaltungsaufwandes kein Siegel beantragen. Ich will den Graben aber nicht tiefer machen, als er ist. Im Gegenteil: Ich bin Präsident der Landwirtschaftskammer und für mich ist jeder Landwirt gleich. Ich vertrete alle.
In diesem Jahr sind die Erträge grandios. Trotzdem wurde beim Erntegespräch gesagt, viele Betriebe könnten nicht kostendeckend arbeiten …
Ein Problem sind die Preise, die wir für unsere Produkte erzielen. Nur neun Prozent des monatlichen Budgets eines Haushaltes werden im Land für Lebensmittel ausgegeben. Das ist das eine. Das andere ist die Tatsache, dass gleichzeitig die Produktionskosten wie Energie, Wasser, Löhne oder die Zinsen für Investitionen wie Maschinen oder ein neuer Stall etc. gestiegen sind, unsere Preise aber nicht wirklich. Und das Allerwichtigste ist, viele Lebensmittel werden an der Börse gehandelt, wo sie meiner Meinung nach nicht hingehören.
Als Kammerpräsident befürworten Sie einen Zusammenschluss der drei großen Bauerngewerkschaften. Das wäre dann die zweite Revolution. Kann das Erfolg haben?
Ich werde als Präsident der Landwirtschaftskammer alle Bemühungen der drei, zusammenzufinden, unterstützen. Es ist wichtig, dass wir geschlossen an die Politik herantreten und geschlossen die Probleme der Landwirtschaft vertreten. Unsere Liste „Aktiv Bauere fir eng staark Landwirtschaft“ hat auf Anhieb ein Drittel der Stimmen erhalten. Das zeigt, dass wir einen Nerv getroffen haben und Gas geben müssen bei dem, was auf uns zukommt.

Der Hof in Roodt
Christian Hahn betreibt den Hof in vierter Generation. 2003 schloss er die Ackerbauschule ab und übernahm nach Jahren der Mitarbeit offiziell 2015 den Betrieb. In der Gegend um Roodt und nicht nur dort ist er vor allem wegen der Kürbisse bekannt. Der Hof ist diversifiziert. Milch und Rindfleisch gehören zur Produktion und seit 2001 die Kürbisse, von denen aktuell 150-200 Tonnen pro Jahr den Hof verlassen. Das Besondere: Er produziert rund 200 verschiedene Sorten. Auf seinen rund 170 Hektar werden zusätzlich zu den Kürbissen noch Getreide, Viehfutter und Mais angebaut.
De Maart

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