Längere Strecken ohne Bebauung, mit viel Grün- oder Weideland, sind in der insgesamt 113,4 Quadratkilometer großen Gemeinde durchaus üblich. Auf diese Fläche passt die Minettestadt Esch-Alzette gleich acht Mal. In Wintger geht es ländlich zu. Zwischen 100 und 110 aktive Landwirte tummeln sich auf dem Gemeindegebiet. Das ist immer noch viel, obwohl ihre Zahl abnimmt. 2015 waren es noch ungefähr 140.

Viele Landwirte
Konzentrations- und Nachfolgeprobleme verkleinern die Zahl der Betriebe bis heute. Bürgermeister Lucien Meyers ist selbst mal Landwirt im Vollerwerb gewesen. Er übernimmt den Familienbetrieb 2002 von seinem Vater, der sich auf Schweinzucht spezialisiert hat. 150 Sauen sorgen seinerzeit für permanenten Nachwuchs und finden Abnehmer. In Meyers Generation allerdings schrumpft der Hof.
Seine Söhne wollen den Hof nicht übernehmen. 2010 steigt er als Gemeinderat in die Lokalpolitik ein, 2015 wird er Schöffe und fünf Jahre später hat auch das letzte Schwein den Hof verlassen. Seit 2023 ist er erstmals Bürgermeister. Heute baut er auf 50 Hektar vor allem Gerste und Triticale an. Im Vorraum zu seinem Büro steht ein hölzerner, mit geschnitzten Intarsien übersäter Schreibtisch.

Er erinnert an Henri Wenkin. Der DP-Mann hat als Bürgermeister zwischen 1978 und 1993 mit seinen damaligen Ratskollegen Fakten geschaffen, die bis heute wegweisend sind. Wintger ist, obwohl es aktuell nur rund 250 Einwohner hat, nicht umsonst der Ort, der der Gemeinde als Ganzes den Namen gibt. Hier sind zentrale Versorgungseinrichtungen, die von allen 27 Ortschaften genutzt werden und teilweise in der Ära Wenkin entstanden sind.
Dazu gehören die Schule „om Kiemel“ mit aktuell 500 Schülern, „Maison relais“, Sportplatz und -halle, Schwimmbad, „Centre médical“ mit Apotheke und die Feuerwehr. „Wintger liegt ziemlich genau in der Mitte der Gemeinde“, sagt Meyers. Und es werden noch Gebäude hinzukommen. Knapp über 5.000 Einwohner hat die Proporzgemeinde heute insgesamt und wächst in den letzten Jahren kontinuierlich um zwischen 2,5 bis drei Prozent.
Deutliches Wachstum

Damit liegt sie deutlich über dem Landesdurchschnitt von 1,5 Prozent. Das zieht Konsequenzen nach sich. Die Schule war 1974 bei ihrer Erbauung die erste interkommunale ihrer Art im Land und liegt wie das Rathaus am Ortseingang von Wintger. Mittlerweile ist sie zu klein. „Bildungshaus“ hat die Gemeinde den Neubau getauft, der zukünftig Grundschule und „Maison relais“ unter einem Dach vereint.
Der Spatenstich war am 23. Mai 2023, 2027 soll er fertig sein und ist für 640 Kinder ausgelegt. Rund 43 Millionen Euro sind dafür veranschlagt. In der Crèche auf dem Gelände werden aktuell 56 Kinder betreut, was auch nicht mehr reicht. Angesichts der flächenmäßigen Ausdehnung der Gemeinde will sehr gut überlegt werden, wo zukünftig weitere Standorte entstehen. In der frühkindlichen Betreuung setzt der Gemeinderat deshalb auf dezentralisierte Konzepte.
„Mini-Crèches“
„Mini-Crèches“ mit maximal elf Plätzen sollen über vier Ortschaften verteilt entstehen. „Wir wollen damit Wintger selbst vom Verkehr entlasten und die Eltern, die sonst teilweise weite Anfahrten hätten“, sagt Rathauschef Meyers. Die kleinste Ortschaft ist mit nur drei Häusern Hinterhasselt und um den Spitzenplatz bei den Einwohnern liefern sich Asselborn und Boxhorn, beide mit rund 400 Einwohnern, seit Jahren ein Rennen.

Zwischen der kleinsten und einer der beiden größten Ortschaft liegen rund 12 Kilometer. Da ist man in Esch-Alzette entweder kurz vor Petingen oder aber kurz hinter Leudelingen. Eine „Mini-Crèche“ funktioniert schon in Boxhorn, eine weitere ist im Gebäude der ehemaligen „Spillschoul“ in Helzingen im Bau. Die nächsten Standorte stehen noch nicht fest.
Bei Ar-Preisen von nach Gemeindeangaben durchschnittlich 30.000 Euro zieht es mittlerweile auch Familien aus dem Süden in den hohen Norden. Bürgermeister Meyers hat das gerade erst bei der „Rentrée“ und der Begrüßung der neuen Schüler wieder festgestellt. Hier bleibt ein Haus mit Grün noch kein unerfüllter Traum. Vor allem der Hauptort Wintger wird sicher wachsen.
120 Baugrundstücke

Im neuen „Plan d’aménagement général“ (PAG), er nimmt für die ganze Gemeinde 56 Aktenordner in Anspruch, sind für die nahe Zukunft 120 Baugrundstücke geplant. Einfamilienhäuser und Mehrparteienhäuser mit maximal vier Apartments können dort entstehen. „Bausünden“ wie andernorts soll es hier nicht geben. „Die Dörfer sollen Dörfer bleiben“, sagt Bürgermeister Meyers. Natur, keine Staus, und – Ruhe. Das schätzen nicht nur die Neubürger, sondern auch die Menschen, die schon immer in der Gemeinde wohnen.
Klimapakt „Goldgemeinde”
Wintger ist eine der Top-Ten-Gemeinden im Land, was „grünen“ Strom angeht. Von den 80 Windrädern, die im Land stehen, stehen 20 auf Gemeindegebiet. Zahllose Photovoltaikanlagen sowie ein Blockheizkraftwerk, das die Gebäude rund um das Rathaus beheizt, kommen hinzu. „Wir sind einer der größten Netto-Einspeiser für grünen Strom im Land“, bestätigt Rathauschef Meyers.
De Maart

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