Dienstagmorgen im INS: Die Temperatur auf dem Thermometer kratzt bereits an der 30-Grad-Marke, in der Basketballhalle bereitet sich gerade eine der besten luxemburgischen Spielerinnen auf eine weitere Trainingseinheit vor. Für Anne Simon gibt es auch während der Sommermonate kaum eine Pause. Gerade einmal fünf Tage Urlaub hat sich die Profispielerin in den letzten Wochen gegönnt, ihr Blick inzwischen wieder voll auf ihre zweite Profisaison in Italien gerichtet. Und hier geht es für die 25-Jährige von San Martino di Lupari nach Campobasso, den Dritten der abgelaufenen Spielzeit in der Serie A1.
Dass sie diesen Schritt wagt, ist alles andere als Zufall, denn bereits in ihrer ersten Profi-Saison hat sich die luxemburgische Spielerin, die zuvor fünf Jahre für die University of Maine in den USA auflief, einen Namen gemacht. Mit San Martino schaffte Anne Simon, nach einem komplett verpatzten Saisonstart, überraschend den Einzug ins Meisterschaftshalbfinale und avancierte auf Anhieb zu einer der wichtigsten Stützen des Teams. In ihrer Debütsaison bekam sie im Schnitt bereits mehr als 30 Minuten pro Partie zu spielen, erzielte dabei durchschnittlich 12,4 Punkte und wurde im Dezember sogar zur Spielerin des Monats in der höchsten italienischen Spielklasse gewählt.
Dass sie gleich in ihrer ersten Saison nach dem College eine solch positive Erfahrung machen würde, das überraschte auch Anne Simon selbst, denn die Chemie mit dem Team war von Anfang an hervorragend. „Ich kann es natürlich nicht vergleichen, da es mein erstes Jahr war. Doch ich glaube, dass es selten vorkommt, dass sich die zwölf Spielerinnen in einer Mannschaft auf Anhieb so gut verstehen.“ Zufrieden kann die Nationalspielerin demnach ein Häkchen hinter ihre Debütsaison machen. „Gerade im ersten Jahr war es mir wichtig, dass ich in einen Klub gehe, bei dem ich auch spielen kann und eine Rolle habe. Auch die Spielphilosophie des Trainers, die stark auf die Defensive ausgerichtet war, lag mir. Deshalb war alles von Anfang an perfekt.“
24 Stunden Bedenkzeit
Die Entscheidung, zum Ligakonkurrenten zu wechseln, fiel der 25-Jährigen somit dann auch alles andere als einfach. „San Martino war wirklich eine tolle Erfahrung für ein erstes Jahr. Manche sagen, dass Profibasketball schon ziemlich einsam sein kann. Aber wenn du ein Team hast, wie ich es jetzt hatte, dann ist das absolut kein Thema.“ Doch für Anne Simon war auch von Anfang an klar, dass sie sehen möchte, wie weit sie in ihrer Profikarriere kommen kann. „Ich habe mit meiner Agentin geschaut und es stand fest, dass wir uns das erste Jahr einmal anschauen und uns dann das Ziel setzen, irgendwann mal EuroCup und später vielleicht auch EuroLeague zu spielen.“ Das erste Ziel dürfte sie mit Campobasso nun auch schaffen, denn der Klub wird im nächsten Jahr auf der „kleinen“ europäischen Bühne, dem EuroCup, antreten. Bei ihrem neuen Klub wird sie zudem gemeinsam mit Spielerinnen auflaufen, die erst am Wochenende die Bronzemedaille bei der EM gewonnen haben. Eine perfekte Möglichkeit also, um sich selbst weiterzuentwickeln.
Ich hatte gerade einmal einen Tag, um zuzusagen, zudem war es noch mitten in der Saison mit San Martino …
Dennoch hat Anne Simon in den letzten Wochen auch die bittere Realität des Profigeschäfts gesehen, denn für einen möglichen Wechsel nach Campobasso hatte sie kaum Bedenkzeit. „Ich hatte gerade einmal einen Tag, um zuzusagen, zudem war es noch mitten in der Saison mit San Martino und für mich ist es eigentlich so, dass ich erst eine Saison beenden möchte, bevor ich mich schon auf die nächste konzentriere.“ Doch das Wissen, dass sie dort auf jeden Fall Möglichkeit haben würde, europäisch zu spielen, gab am Ende dann den Ausschlag. „Ich wusste, dass das Angebot aus Campobasso ein gutes war und ich wollte nicht, dass es am Ende weg ist. Also habe ich mit verschiedenen Leuten gesprochen – mit meiner Mutter, mit meinem Trainer, sogar mit einer Mitspielerin, der ich vertraue und bei der ich weiß, dass sie nur das Beste für mich will.“
Auch wenn sie sich im Endeffekt frühzeitig entschieden hat, kamen auch noch Angebote aus Spanien rein, es gab auch Kontakt nach Frankreich. „Es waren nicht direkt Mannschaften dabei, die EuroCup spielen. Aber für mich war es auch naheliegend, in Italien zu bleiben. Es ist jetzt mein zweites Jahr dort, ich kenne die Liga, die Leute kennen mich.“ Zu sehen, dass ihr Name dennoch auf der Wunschliste von Vereinen war, die in starken europäischen Ligen spielen, zeigt der Luxemburgerin aber auch, dass sie sich in ihrer ersten Saison auf die kontinentale Basketballkarte gebracht hat. „Das gibt einem natürlich Selbstvertrauen, dass du dir denkst: ‚Okay, ich bin wohl doch eine gute Spielerin.‘ Denn manchmal hat man eben diese Momente, in denen man sich sagt, ‚Vielleicht war das jetzt nicht so gut‘, und man dann schnell negativ denkt. Wenn man solche Anfragen dann sieht und hört, tut das dann doch schon gut.“
Acht-Monats-Verträge
Die Luxemburgerin ist sich bewusst, dass auch alles ganz anders hätte kommen können und ihre aktuelle Situation nicht selbstverständlich ist. „Ehrlich gesagt, ich hatte gehofft, dass es so laufen würde. Aber man weiß es nie. Vor allem hatte ich in meiner Zeit in den USA ja nicht die Möglichkeit, auf mich aufmerksam zu machen, auch weil ich in dieser Zeit ja auch kaum für die Nationalmannschaft spielen konnte.“ Dass sie die Option für ein fünftes Jahr am College gezogen hatte, in dem sie es mit Maine dann auch bis in die berühmte March Madness schaffte und selbst eine beeindruckende Saison spielte, hat ihr sicherlich geholfen und so entschied sie sich dann auch dafür, direkt in den Profibasketball zu starten. Ein anderer Weg übrigens als die weiteren Profibasketballer Magaly Meynadier, Joy Baum, Ben Kovac, Davy Rocha oder Malcolm Kreps, die der Sportsektion der Armee angehören.
12,4
Der Schnitt an Punkten, den Anne Simon in ihrer Debütsaison in Italien erzielte
Somit beschäftigt Anne Simon derzeit auch die Tatsache, dass es im europäischen Damenbasketball eigentlich nur Verträge über acht Monate gibt, denn sozial abgesichert, so wie ihre Kollengen, ist sie nicht. „Das heißt, in den vier Monaten, wie jetzt im Sommer, ist es schwierig, Geld hereinzubekommen. Bei den Herren ist die Option meistens ein Vertrag von zehn Monaten, es gibt auch welche mit zwölf.“ Themen wie Sozialversicherung, Rentenbeiträge, Anerkennung von Jahren sind für die Basketballerin somit plötzlich auch akut geworden. „Das sind alles Sachen, über die man am Anfang nicht sofort nachgedacht hat. Aber mit dem Rookie-Jahr habe ich auch erste Erfahrungen gemacht. Für mein zweites Jahr bin ich schon besser aufgestellt“, gibt sie mit einem Lachen zu. Dankbar ist sie somit auch für die Unterstützung der Familie.
Gerade deshalb planen Anne Simon und Nationalmannschaftskollegin Magaly Meynadier, die in der Bundesliga für Saarlouis spielt, derzeit auch einen Podcast, um über Damenbasketball und das Profigeschäft zu reden. Ein Thema, das beiden sehr am Herzen liegt und für das man in den letzten Wochen auf Instagram („coachseet“) anhand lustiger Videos bereits versucht hat, mehr Aufmerksamkeit zu erhalten. „Die Leute denken manchmal, du seist zwei Stunden in der Halle, und das war’s. Aber sie sehen nicht die Arbeit im Hintergrund – so wie jetzt: Ich hab offiziell ‚Ferien’, aber bin eigentlich jeden Tag von 9 Uhr morgens bis 15, 16 Uhr nachmittags unterwegs“, erklärt die Profispielerin. „Ob das jetzt beim Training hier im INS ist oder in der Coque oder vielleicht auch im Recovery Center. Oder eben die ganzen organisatorischen Dinge, die man nebenbei noch erledigen muss.“
Schwierige Momente
Und auch die mentalen Herausforderungen des Profigeschäfts möchte Anne Simon in Zukunft beleuchten, denn dass es nicht immer einfach ist, das sieht man sogar anhand von frisch gebackenen Europameisterinnen. So beschäftigte die 25-Jährige, die ein großer Fan der belgischen Mannschaft und ihrer Spielweise ist, Anfang der Woche vor alle der Fall Julie Vanloo, die sich gleich nach dem Gewinn des WM-Titels ins Flugzeug nach L.A. gesetzt hatte, nur um von ihrem WNBA-Klub Golden State Valkyries bei ihrer Ankunft zu erfahren, dass man sie zwischenzeitlich entlassen, im Fachjargon „gewaived“, habe. „Das sind Dinge, die machen einen doch mental kaputt und so etwas sehen die Leute halt einfach nicht sofort. Für mich war es so nach unserer Nationalmannschaftskampagne im Februar.“
Als ich nach Italien zurückgekommen bin, war ich mental komplett durch. Ich bin sonst jemand, der gerne auf dem Platz steht, der viel spricht – aber beim ersten Training kam nichts.
Mit der hohen Niederlagen gegen Montenegro hatten Anne Simon und Co. bekanntlich in letzter Sekunde die Qualifikation für die EM verpasst, dies trotz einer Bilanz von vier Siegen und zwei Niederlagen. „Als ich nach Italien zurückgekommen bin, war ich mental komplett durch. Ich bin sonst jemand, der gerne auf dem Platz steht, der viel spricht – aber beim ersten Training kam nichts. Das war auch das erste Mal, dass ich wirklich auf dem Spielfeld angefangen habe, Tränen in den Augen zu bekommen.“ Zeit, alles zu verarbeiten, hatte die Luxemburgerin damals nämlich nicht.
Umso erfreulicher für Simon demnach, dass ihr erstes Profijahr auf Klubebene ein derart erfolgreiches war. Und so will sie sich auch in ihrer zweiten Saison in Italien beweisen und dafür wird sie auch in den kommenden Wochen weiter hart trainieren.
De Maart

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