Freitag14. November 2025

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Neues EU-Klimaziel für 2040Brüssel will einen Teil des Klimaschutzes auslagern – doch die Emissions-Zertifikate sind umstritten

Neues EU-Klimaziel für 2040 / Brüssel will einen Teil des Klimaschutzes auslagern – doch die Emissions-Zertifikate sind umstritten
Ein Apothekenzeichen, das eine Temperatur von 41 Grad Celsius anzeigt, mit dem Hauptsitz der EU-Kommission im Hintergrund Foto: AFP/Nicolas Tucat

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Am Ende kam sogar der Klimakommissar ins Schwitzen. Während draußen in Brüssel eine Rekordhitze von 35 Grad herrschte, musste Wopke Hoekstra im gut gekühlten Pressesaal der EU-Kommission erklären, warum er das Klimaziel für 2040 aufweicht.

„Unsere Klimapolitik war früher zu eindimensional“, sagte der Niederländer. „Jetzt sind wir pragmatischer geworden, und das ist auch besser so.“

Der finale, bis zuletzt umstrittene Vorschlag der EU-Kommission sieht vor, dass die klimaschädlichen CO₂-Emissionen bis 2040 um 90 Prozent gegenüber 1990 sinken sollen. Ein Teil der Anstrengung wird jedoch ausgelagert. Die EU-Staaten sollen nämlich das Recht erhalten, bis zu drei Prozent der Emissionen aus dem Ausland anzurechnen – über „hochwertige“ internationale Emissionszertifikate.

Damit verabschiedet sich die EU von dem Ziel, bis 2050 aus eigener Kraft klimaneutral zu werden. Wenn 2040 schon drei Prozent der Emissionen außerhalb Europas kompensiert werden – wie viel werden es dann wohl zehn Jahre später sein? Jeder Prozentpunkt weniger bedeutet rund 47 Millionen Tonnen CO₂, das entspricht den jährlichen Emissionen Dänemarks. Drei Prozentpunkte entsprechen den Emissionen Österreichs und Griechenlands zusammen.

Goldene Brücken für die Industrie

Das ist jedoch nicht das einzige Schlupfloch, das die EU-Behörde nach wochenlangem Tauziehen mit den Mitgliedstaaten vorsieht. Unter dem Stichwort „Enabling conditions“ – zu gut deutsch: Erleichterungen – kommt sie auch Deutschland und Frankreich entgegen. So muss die deutsche Wirtschaft das Klimaziel nicht flächendeckend erreichen. Einzelne Bereiche – z.B. der Verkehrssektor – können auch mehr verschmutzen, wenn nur der Durchschnitt stimmt.

Frankreich erhält die Zusage, dass es seine Atomkraftwerke nicht nur als „klimaverträglich“ anrechnen, sondern auch ausbauen darf. Dies war eine Forderung des französischen Staatschefs Emmanuel Macron. Er wollte das neue Klimaziel auf die lange Bank schieben – oder aufweichen.

Nun gelobt Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, alles zu tun, um der Industrie goldene Brücken zu bauen. So werden die Regeln für Subventionen gelockert. Außerdem hat sie angekündigt, den Emissionshandel ETS und den Klimazoll-Mechanismus CBAM zu überarbeiten. Zuvor waren bereits mehrere Umwelt- und Klimagesetze des „Green Deal“ aufgeweicht worden. „Die Industrie und die Investoren erwarten, dass wir eine klare Richtung vorgeben“, begründet von der Leyen ihren wirtschaftsfreundlichen Kurs. Industrieverbänden geht das aber immer noch nicht weit genug. Man brauche noch mehr Flexibilität und keine starren Vorgaben, so ihr Wunsch.

Genau andersherum argumentiert das Europäische Umweltbüro EEB. Mit „Rechentricks“ lasse sich das Klima nicht retten, warnt Mathieu Mal vom EEB. „Die sogenannten Flexibilitäten sind einfach nur Schlupflöcher, die echtes Handeln verzögern sollen.“ Je schneller die EU die Emissionen beschränke, desto geringer sei der Schaden fürs Klima.

Kritik kommt auch aus dem Europaparlament. Grüne und Sozialdemokraten bemängeln, dass durch Zertifikate viel Geld in dubiose Projekte geflossen sei, die kaum zur Senkung der Emissionen beigetragen hätten. Zudem ziehe die Auslagerung des Klimaschutzes in Länder außerhalb Europas auch Investitionen in Batterieproduktion, Solarzellen und Windkraftanlagen aus der EU ab.

„Langfristig wird es uns niemand danken, wenn wir statt eines ambitionierten Kurses immer wieder auf Ausnahmen setzen“, warnt Tilly Metz von den Grünen aus Luxemburg. „Ein Kollaps von Ökosystemen, Ernteausfälle, Gesundheitsrisiken für Menschen weltweit, Extremwetter inklusive Hitzewellen und ein Anstieg vom Meeresspiegel – all das sind Entwicklungen, mit denen wir in den kommenden Jahren rechnen müssen.“