Freitag14. November 2025

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UngarnOrban zum Trotz: Trotz drohender Strafen und Neonazi-Gegendemos wollen Zehntausende Flagge zeigen

Ungarn / Orban zum Trotz: Trotz drohender Strafen und Neonazi-Gegendemos wollen Zehntausende Flagge zeigen
In Budapest bereitet man sich auf die Pride vor Foto: AFP

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Hitze, Hoffnung, Widerstand: In Budapest versammeln sich am Samstag Zehntausende zur Pride – trotz Verboten, Drohungen und staatlicher Repression. In einem Klima, das politisch wie meteorologisch brodelt, wird der Kampf für LGBTQIA+-Rechte zu einem Akt des Muts.

30 Grad sind es noch am Freitagabend in Budapest. Man darf gespannt sein, ob sich die für am Samstag angesagte Hitze im „Paris des Ostens“ auch auf die Gemüter niederschlagen wird. Wie der Budapester Bürgermeister Gergely Karacsony bei einer Pressekonferenz am Freitag verkündet, werden zur Pride mehrere zehntausend Menschen von den Veranstaltern erwartet.

Doch der Protestmarsch für die Verteidigung von LGBTQIA+-Rechten hat hier in Ungarn eine ganz andere Dimension als in Luxemburg. Seit Jahren ist die queere Gemeinschaft Viktor Orban und seiner Fidesz-Partei ein Dorn im Auge. Immer wieder werden grundlegende Rechte queeren Menschen abgesprochen. „Es gibt Teile der Gesellschaft, in der ist Homophobie normalisiert – und deswegen gibt es immer noch Menschen, die sich hier total versteckt halten müssen. Wir Aktivisten hier in Budapest können uns dagegen glücklich schätzen – wir werden akzeptiert und finden hier unsere Gemeinschaft. Aber das ist nicht für jeden so“, erzählt Dorottya Rédai von der Labrisz Lesbian Association bei einem Event der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament in Budapest. „Es gibt junge Menschen, die verlassen das Land, weil ihnen hier nicht die gleichen Rechte zugesprochen werden – und man ständig Angst haben muss, dass einem die Rechte, die einem bleiben, weggenommen werden. Es ist eine große mentale Belastung.“

Rédai spielt unter anderem darauf an, dass seit März 2025 in Ungarn ein Gesetz gilt, das die diesjährige Pride-Parade verbietet. Als Grundlage dafür nutzte Orban ein sogenanntes „Kinderschutz-Gesetz“ aus dem Jahr 2021. Er folgt damit der Blaupause Russlands. Teilnehmer der verbotenen Pride in Budapest müssen mit Konsequenzen rechnen. Das betonte der Staatschef am Freitagmorgen bei einem Interview mit einem staatlichen Radiosender. Beispielsweise drohen Geldstrafen in Höhe von bis zu 500 Euro für Teilnehmer.  Organisatoren müssen sogar mit einer einjährigen Haftstrafe rechnen. Vor allem ungarische Protestierende stehen in der direkten Schusslinie: Die Polizei hat die Befugnis, Technologie zur Gesichtserkennung zu nutzen, um Teilnehmer zu identifizieren. 

„Wir verletzen einander nicht“

Trotzdem sei man in einem „zivilisierten“ Land, so Orban am Freitag. „Wir verletzen einander nicht.“ Vor der Polizei müssen sich die Pride-Geher also nicht fürchten, heißt es hier vor Ort. Man solle aber jeder Anweisung Folge leisten. Größer hingegen ist die Sorge vor mehreren angekündigten Gegendemos, vor allem von Neonazi-Gruppen. Pride-Teilnehmer sollen nicht auf Provokationen reagieren, teilen die Organisatoren auf der Webseite der Veranstaltung mit. Nach und vor dem Umzug solle man keine sichtbaren Pride-Zeichen tragen und sich in Gruppen bewegen. 

Es sind Warnungen, die einen insbesondere deswegen nicht kaltlassen, weil sie in einem europäischen Land erteilt werden. „Sicherheitsbriefings, wie wir sie bekommen haben, bevor wir hierher gereist sind, sind eigentlich nur die Regel, wenn man in unsichere Gebiete außerhalb der EU reist“, gibt auch der Europaabgeordnete Marc Angel (LSAP) zu bedenken. 

Trotzdem wollen er und seine Kollegin Tilly Metz („déi gréng“) klare Kante zeigen. Sie sind Teil von einer größeren Gruppe von Europaabgeordneten, die die Pride unterstützen wollen. Es sollen etwa 70 sein. „Man macht sich natürlich Sorgen“, gibt Metz zu. „Aber wir hätten es mehr bedauert, wenn wir nicht hierhergekommen wären.“ Orban müsse endlich Einhalt geboten werden. Es sei Zeit, den Worten auch Taten folgen zu lassen. Die EU-Kommission müsse endlich durchgreifen, so der Tenor bei den anwesenden Europaabgeordneten. Und Metz nimmt auch die Luxemburger Regierungsmitglieder ins Visier: „Wieso beziehen sie bei diesem Thema nicht klarer Position? Wieso nimmt hier keiner von ihnen an der Demo teil?“ 

Entlang der geplanten Route der Pride wurden Überwachungskameras angebracht. Sie sollen auch dazu dienen, Teilnehmer per Gesichtserkennung zu identifizieren. 
Entlang der geplanten Route der Pride wurden Überwachungskameras angebracht. Sie sollen auch dazu dienen, Teilnehmer per Gesichtserkennung zu identifizieren.  Foto: AFP