Mittwoch12. November 2025

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„Habe im Lotto gewonnen“Der lange Weg von Chris Rodesch zur Grand-Slam-Premiere

„Habe im Lotto gewonnen“ / Der lange Weg von Chris Rodesch zur Grand-Slam-Premiere
Chris Rodesch steht auf dem 178. Platz der Weltrangliste Foto: Editpress/Fernand Konnen

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Chris Rodesch stand 2019 kurz davor, bei den Grand Slams der Junioren aufzuschlagen, doch eine Erkrankung des Nervensystems warf alle seine Pläne über Bord. Sechs Jahre später hat es der Luxemburger nun bei den French Open erstmals in die Qualifikation eines der vier größten Tennis-Turniere der Welt geschafft. Ein langer Weg, den der 23-Jährige selbst als „kleines Wunder“ beschreibt. 

Die rote Asche unter den Schuhen, die besondere Atmosphäre auf den Tribünen: Es ist ein Moment, auf den Chris Rodesch lange gewartet hat. In Paris geht der Grand-Slam-Traum des Luxemburgers nun in Erfüllung. Ab Montag schlägt er in Roland Garros erstmals in der Qualifikation eines der vier großen Major-Turniere auf. „Ich freue mich extrem“, sagt er. „Das wird eine super Erfahrung.“ Für den 23-Jährigen ist es nicht nur ein sportliches Debüt – es fühlt sich für ihn auch wie eine Befreiung an.

Vor sechs Jahren war Rodesch schon einmal auf dem besten Weg zu einem Grand Slam – damals bei den Junioren, als er in den Top 60 der Welt stand. „Ich hätte 2019 in der Qualifikation der Australian Open für Junioren aufschlagen können“, erinnert er sich. „Wir entschieden uns aber bewusst dagegen. Man muss sehr weit reisen und ist nicht mal sicher, dass man es ins Hauptfeld schafft. Ich habe stattdessen ein hochdotiertes Turniere in der Slowakei gespielt, wo ich Punkte sammeln wollte, um beim nächsten Grand Slam im Hauptfeld dabei zu sein.“ Dieses wären die French Open gewesen.

Und der Plan ging zunächst auf: In der Slowakei erreichte Rodesch das Finale. Doch dann kam der Rückschlag. Eine Lebensmittelvergiftung, ausgelöst durch eine Bakterie, zwang ihn zur Pause.

Von einer Erkrankung ausgebremst

Nach kurzer Erholung nahm Rodesch das Training wieder auf. Doch schnell merkte er, dass etwas nicht stimmte. „Ich dachte eigentlich, ich wäre wieder gesund“, erinnert er sich. „Doch dann ist mir nach und nach die Kraft in den Armen und Beinen weggegangen. Ich konnte plötzlich nicht mehr laufen und bin beim Versuch, es zu tun, einfach umgefallen. Ich wollte laufen, aber meine Beine haben nicht das gemacht, was das Gehirn sagte. Das ging so weit, dass ich nicht mal mehr eine normale Flasche öffnen konnte. Ich hatte in den Fingern nicht mehr die Kraft dazu. Das war ziemlich ängstlich.“

Die medizinische Diagnose von Ärzten brachte schließlich Klarheit: Rodesch litt am Guillain-Barré-Syndrom. „Mein Immunsystem hat die Nerven im Rücken angegriffen, wodurch die Signale der Nerven nicht schnell genug in Armen und Beinen ankamen“, erklärt Rodesch. Die Folgen: ein einwöchiger Krankenhausaufenthalt und eine viermonatige ambulante Rehatherapie, um wieder gesund zu werden und die Kraft zurückzugewinnen. „Die Krankheit hat mich aber insgesamt viel länger zurückgeworfen. Um wieder auf mein altes Niveau zu kommen und das Ganze mental zu verarbeiten, brauchte ich fast zwei Jahre. Das war eine schwere Zeit.“ Dadurch verpasste er auch sämtliche Junioren-Grand-Slams.

Das ging so weit, dass ich nicht mal mehr eine normale Flasche öffnen konnte. Ich hatte in den Fingern nicht mehr die Kraft dazu.

Chris Rodesch, verpasste die Junioren-Grand-Slams aufgrund einer Nervenkrankheit

In dieser Phase verlagerte sich sein Fokus auf die Schule. Rodesch besuchte das „Sportlycée“ in Luxemburg und konnte sich besser auf den Unterricht konzentrieren. Die schulischen Leistungen verbesserten sich, während es im Tennis „keine guten Ergebnisse“ gab – mit Auswirkungen auf seine Perspektiven. „Ich hatte Stipendien-Angebote von Top-Tennis-Unis aus Amerika, die zurückgezogen wurden“, blickt Rodesch zurück. Die University of Virginia war damals eine der einzigen renommierten Tennis-Unis, die weiter an ihn glaubten. „Ich bin ihnen extrem dankbar dafür. Sie haben damals mehr an mich geglaubt als ich selbst“, erinnert sich der Luxemburger. „Damit hatte ich im Lotto gewonnen.“

Der Wechsel in die USA sollte sich nämlich als Wendepunkt erweisen. Rodesch spricht heute von einem „Wake-up Call“. Auch wenn ihn zunächst ein Handbruch zurückwarf und er die ersten drei Monate am College nicht mit seiner Mannschaft trainieren konnte. „Ich habe in der Zeit viel an meinem Körper gearbeitet. Ich war im ‚head down’-Modus. Als ich dann wieder Tennis spielen konnte, habe ich mir meine Position in der Mannschaft hart erarbeitet.“

Amerika als Push

Rodesch gewann anschließend in seiner Zeit mit den „Virginia Cavaliers“ zwei NCAA-Titel, in seiner Mannschaft spielte er an Position eins. Eine Zeit, die ihn nachhaltig prägte. „Meine Mentalität ist in Amerika zurückgekommen“, sagt Rodesch. „Ich habe gesehen, dass ich noch gut Tennis spielen kann. Auch der Teamgeist am College hat mir sehr geholfen. Es war immer mein Traum, Profi-Tennisspieler zu werden. Durch die Nervenkrankheit hatte ich den Glauben daran verloren, Amerika hat mich wieder gepusht.“

Dass er jetzt in der Qualifikation eines Grand Slams aufschlagen kann, beschreibt Rodesch daher auch als „kleines Wunder“. „Mein Weg war extrem schwierig, aber ich habe von vielen Menschen viel Hilfe bekommen, wodurch ich jetzt in der Position bin. Dafür bin ich extrem dankbar.“ 

In der Position ist er auch, weil er einen Traumstart in seine Profikarriere hingelegt hat. Als Rodesch vor rund einem Jahr die Uni abschloss und auf die Profitour ging, wurde der 23-Jährige in der Weltrangliste um Position 650 geführt. Auf der ITF-Tour gewann er anschließend fünf Turniere in Folge und im April dieses Jahres holte er im US-amerikanischen Tallahassee seinen ersten ATP-Challenger-Titel. Inzwischen rangiert er auf Platz 178 der Welt.

Ich gehe mit dem Ziel rein, ein noch besserer Tennisspieler zu werden

Chris Rodesch, über die French-Open-Qualifikation

„Durch meine Ergebnisse ab dem zweiten Jahr am College, wo ich unter anderem mit Ben Shelton (ATP 13) mithielt und heutige Top-100-Spieler schlug, wusste ich, dass ich das Zeug für dieses Niveau habe“, sagt Rodesch. „Man hat das von außen nicht so gesehen, weil ich mich auf das College konzentrierte. Ich habe jetzt aber gezeigt, dass ich es wirklich auch auf der Tour umsetzen kann. Ich denke, ich kann sehr positiv auf meine Entwicklung in den vergangenen Monaten zurückblicken.“

Vor allem mental habe er noch einmal große Fortschritte gemacht. „Wenn man etwas Gutes macht, darf man nicht zu hoch von sich selbst denken. Und wenn man etwas Schlechtes macht, nicht zu negativ. Man muss die Balance finden. Das war in den vergangenen Monaten eine wichtige Lehre für mich“, sagt er.

Entwicklung und Hauptfeld

Mit dem Challenger-Titel und dem damit verbundenen Ranking-Aufstieg sicherte sich Rodesch schließlich auch die Teilnahme an der Qualifikation von Roland Garros. „Ich hoffe, dass ich den Push, den mir die letzten Monate gegeben haben, jetzt mitnehmen kann“, so der 23-Jährige, der nach seinem viermonatigen Aufenthalt in den USA Ende April eine kurze Auszeit nahm, um die letzten Monate sacken zu lassen.

„Ich musste ein bisschen runterkommen, man ist die ganze Zeit im Stress – auch mental. Ich habe ein paar Tage Pause gemacht, das hat mir gutgetan. Ich bin jetzt frisch, um die nächste Woche zu attackieren.“ In der Woche vor den French Open stieg er bei einem Challenger in Tunis wieder ins Turniergeschehen ein, wo er am Freitag im Halbfinale ausschied. Nun richtet sich sein Fokus komplett auf Roland Garros. 

In der französischen Hauptstadt stehen für den FLT-Spieler aber nicht nur Punkte und Ergebnisse im Vordergrund. „Ich gehe mit dem Ziel rein, ein noch besserer Tennisspieler zu werden. Ich will Erfahrung sammeln und so viele Matches wie möglich bekommen, um mich zu verbessern und mein Spiel entwickeln“, erklärt er. „Natürlich hoffe ich, dass ich mich für das Hauptfeld qualifizieren kann. Ich denke, wenn ich das erste mache, gebe ich mir die beste Chance, das zweite hinzubekommen.“

Im Überblick

French Open 2025:
Qualifikation: 19. bis 23. Mai
1. bis 4. Runde: 25. Mai bis 2. Juni
Viertelfinale: 3. und 4. Juni
Halbfinale: 5. und 6. Juni
Damen-Finale: 7. Juni
Herren-Finale: 8. Juni
Preisgeld insgesamt: 56.352.000 Euro
Titelverteidiger: Iga Swiatek und Carlos Alcaraz