Da waren es nur noch sieben: Nach den RTL-Auditions vor zwei Wochen geht der Luxembourg Song Contest (LSC) in die letzte Runde. Am 25. Januar 2025 wird in der Rockhal entschieden, wer Luxemburg beim Eurovision Song Contest vertreten wird. Ein potenzieller Kandidat: Zero Point Five mit Sänger und Banjospieler Federico ‚Kiko’ Menichetti, Sänger und Gitarrist Gilles Saracini sowie Violonist Christophe Reitz. Die Band wurde vor 15 Jahren im Escher „Jongelycée“ gegründet und trat bereits in den Vereinigten Staaten auf. Im Tageblatt-Interview erklären Kiko und Gilles, wie ihr LSC-Song entstanden ist, wie sie sich auf das Finale vorbereiten und was sie mit dem ESC verbinden.
Tageblatt: Ihr gehört zu den sieben Finalisten des LSC. Was war eure erste Reaktion, als ihr von eurer Qualifikation für das Finale erfahren habt?
Kiko: Alle Kontrahenten standen gemeinsam auf der Bühne. Wir wurden nicht als erste Finalisten aufgerufen, bei Weitem nicht. Ich glaube, wir waren die Zweitletzten. Und es waren bereits zwei Bands qualifiziert. Wir haben uns angeschaut und zuerst gedacht, dass keine drei Bands am Finale teilnehmen werden, weil nur eine es vergangenes Jahr so weit geschafft hatte. Wir waren natürlich sehr froh, aber dann hieß es auch direkt: It’s happening. Jetzt kommen andere Zeiten auf uns zu.
Was könnt ihr über euren Song erzählen?
Kiko: Instrumental klingt er genau wie Zero Point Five. Dieses Jahr kommt noch mehr das Party-Feeling rüber, das wir auch bei unseren Konzerten haben. Unsere Konzerte sind oft so aufgebaut, dass wir am Anfang unsere eigenen Lieder spielen. Je nachdem, wo wir auftreten, bauen wir auch Cover-Songs ein. Wir finden das enorm wichtig, weil unsere Musik dann ein bisschen zugänglicher wird. Dann können die Leute mitsingen, aber eben in der Sonorität, die unsere Band ausmacht, nämlich Folk und Country. Ich glaube, mit unserem LSC-Lied haben wir es geschafft, einen Song zu produzieren, bei dem die Leute spätestens im zweiten Refrain die Melodie kennen. Es hat ein ganz natürliches Mitsinggefühl.
Habt ihr das Lied zu dritt geschrieben?
Kiko: Ja, es war aber noch jemand dabei. In letzter Zeit kommen viele Songwriting-Camps auf. Das sind internationale Songschreiber, die sich mit uns in einen Raum setzen und Input geben. Das Camp haben wir der Band One Last Time zu verdanken, weil sie das organisiert haben. Es war noch ein Platz frei. Also hat Andrea, der Sänger der Band, uns angerufen, um zu fragen, ob wir Zeit hätten. Andrea ist ein langjähriger Freund von uns. Deshalb ist es umso schöner, dass er auch im Finale ist. Er hat uns einen großen Gefallen getan, indem er uns in dieses Camp eingeladen hat. So ist unser Lied dann entstanden.
Kommen wir zu den Auditions bei RTL. Mit welchem Gefühl habt ihr daran teilgenommen?
Kiko: Wir haben uns bei den Proben Gedanken darüber gemacht, wie wir unseren Song in puncto Performance so präsentieren können, dass eine Energie wie beim Eurovision rüberkommt. Denn wir spielen Instrumente und können uns nicht so viel dabei bewegen. Gilles und ich haben uns dann einander gegenüber gesetzt. Chris ist mit seiner Geige sehr mobil. Das scheint bei den Juroren gut angekommen zu sein. Wissend, dass wir auch Feedback bekamen und das Ganze noch ein bisschen überdenken müssen, wenn wir auf der großen Bühne stehen.
Was gelingt euch bisher gut auf der Bühne und wo besteht noch Verbesserungsbedarf?
Gilles: Was uns auf Konzerten auszeichnet, ist, dass wir unsere Energie und Leidenschaft für Musik teilen möchten. Es gelingt uns auch, die Leute dafür zu begeistern. Aber es ist natürlich anders auf der LSC-Bühne. Nicht nur, um sich mit den Anwesenden zu verbinden, sondern auch mit den Zuschauern, die das Ganze über das Fernsehen verfolgen. Wir müssen die ganze Energie in ihr Wohnzimmer übertragen. Die Bühne in der Rockhal ist riesig, wahrscheinlich die größte Bühne, auf der wir spielen werden. Die Challenge ist: Wie nutzen wir diese große Fläche zu dritt aus, um die Leute mitzureißen und keine Energie zu verlieren?
Kiko: Wir freuen uns und sind gespannt auf das Input des Produktionsteams. Das ist eine neue Welt für uns, die wir aber sehr gerne erforschen. Das Wichtigste ist der Song, und der Rest soll den Song unterstützen – nicht umgekehrt. Die Performance soll nicht vom Song ablenken.
Das ist eine neue Welt für uns, die wir aber sehr gerne erforschen
Die Jury hat in den Auditions angekündigt, nach etwas Einzigartigem zu suchen. Was ist einzigartig an euch?
Gilles: Wir sind alt. (lacht)
Kiko: Ich habe uns mal mit den anderen Kandidaten verglichen und muss sagen: So alt sind wir nicht. (Anm. d. Red.: Kiko ist 32 Jahre alt, Gilles 34.) Unser Musikgenre ist einzigartig: Dass man Country auf eine Eurovision-Bühne bringen kann und dass die Leute den Begriff „Country“ nach unserer Performance vielleicht anders wahrnehmen als das, was sie sich bisher von Country vorgestellt haben, zum Beispiel Cowboys mit einem Lasso.
Gilles: Wir musizieren auch schon lange zusammen. Da besteht ein gewisser Bund. Der ist unsichtbar, aber auf der Bühne verstehen wir uns blind.
In gut zwei Monaten findet das Finale des LSC statt. Was steht die nächsten paar Wochen bei euch auf dem Programm?
Gilles: Wir haben vor allem viele Termine und Performance-Proben.
Kiko: Chris ist ein freischaffender Künstler. Er ist in Tonnen Projekte verwickelt. Da gilt es, sich anders zu organisieren. Gilles und ich sind beide Lehrer. Wir haben also unsere Schuldirektionen darauf angesprochen. Auch da muss man nach Lösungen suchen. Aber sowohl Gilles als auch mir wurden keine Steine in den Weg gelegt. Was sich die nächsten zwei Monate ändert, ist, dass man allen Bekannten Bescheid sagt, dass man weniger verfügbar ist – und das aus gutem Grund. Jeder weiß, dass wir für etwas Großes proben und die Leute freuen sich darauf, uns zu unterstützen.
Habt ihr schon eine Idee, wie ihr euren Auftritt im LSC-Finale gestalten wollt?
Kiko: Im Moment ist der Auftritt noch eine „blank page“, weil wir auf die Experten hören, die in diesem Milieu das Know-how haben. Wir sind eigentlich offen für alles, aber unsere Devise ist, dass wir unserem Stil treu bleiben. Der Auftritt muss zum Song und zu der Band passen. Die Leute können sich also Zero Point Five erwarten, auch wenn es ein bisschen mehr flashy und pompös wird und unsere Partystimmung vielleicht extravaganter wirken lässt. Es ist alles größer, als wenn wir in einem Café oder bei einem „Dëppefest“ auftreten. Alles hat seinen Charme, und unser Auftritt beim LSC wird auch seinen Charme haben.
Die Chancen stehen eins zu sieben, dass ihr Luxemburg beim ESC vertreten wird. Wie fühlt sich das für euch an?
Kiko: In den vergangenen paar Tagen haben wir das ein bisschen realisiert, vor allem, wenn man den Medienrummel mitkriegt, auch im Ausland. Es ist zwar der Luxembourg Song Contest, aber die internationale Eurovision-Community ist bereits auf uns zugekommen. Da kriegt man schon ein ganz anderes Feedback und eine ganz andere „exposure“. Im Moment freuen wir uns einfach, dass unser Projekt wertgeschätzt wird.
Gilles: Wir haben schon Interviews gemacht, wir waren auch schon bei Castingshows und auf großen Bühnen. Das sind alles Sachen, die wir schon irgendwann mal gesehen haben. Aber nicht in dem Ausmaß, wie das aktuell der Fall ist. Das ist für mich noch ein bisschen schwer zu realisieren. Man zählt alles zusammen und multipliziert es mit gefühlt hundert.
Kiko: (rechnet auf seiner Taschenrechner-App die Gewinnchancen aus) Ich glaube, unsere 14, 28 Prozent Chance, beim ESC dabei zu sein, werden wir ausnutzen.
Welche persönliche Verbindung habt ihr zum Eurovision Song Contest?
Gilles: Diese Frage hat man uns auch schon bei RTL gestellt. Ich habe sieben Jahre lang in Trier gewohnt und dabei völlig vergessen, über Guildo Horn zu sprechen. (Anm. d. Red.: gebürtiger Trierer, hat 1998 für Deutschland den 7. Platz beim ESC belegt.) An der Uni gab es T-Shirts mit der Aufschrift „Guildo Horn Universität Trier“. Guildo Horn hatte einen Proberaum im Stammcafé, wo die Luxemburger Studenten waren. Ich habe ihn als Kind gefeiert, und in Trier sowieso. Hätte ich ihn nicht gut gefunden, wäre ich wahrscheinlich von der Uni geflogen. (lacht)
Kiko: Um bei Deutschland zu bleiben: Stefan Raab, den ich mir früher gerne angeschaut habe, hat immer tolle Comedy-Shows gemacht. Er ist ja auch ein Musik-Genie. Er war beim ESC dabei und Deutschland hat dank ihm unter anderem mit Max Mutzke gewonnen.
Gibt es ein bestimmtes ESC-Lied, das euch besonders gut gefällt?
Gilles: „Outlaw in ’em“ von Waylon finde ich cool.
Kiko: Da wir Chris in der Band haben, der Geige spielt: „Fairytale“ von Alexander Rybak. Das ist jedem im Kopf hängen geblieben. Auch bei Chris, der uns erzählt hat, dass er das Lied auf der Geige rauf und runter gespielt hat. Das war vielleicht auch eine Motivation für viele Leute, die klassische Geige gespielt haben. Dass das Instrument auch aufgewertet werden kann, wenn man in der Popmusik unterwegs ist.
Der ESC wird häufig als zu politisch bewertet. Wie steht ihr dazu, stört euch das auch?
Gilles: Wir haben es bisher relativ gut geschafft, uns aus allem Politischen herauszuhalten.
Kiko: Als Jugendlicher ist es einem vielleicht nicht so aufgefallen, dass die Veranstaltung politisch ist. In den vergangenen Jahren ist sie aber noch politischer geworden. Stören tut das natürlich schon. Uns wäre lieber, wenn es nur um den Song gehen würde. Jeder weiß aber, dass es nicht nur darum geht. Wir würden uns freuen, Luxemburg beim ESC repräsentieren zu können. Dass die Leute sagen, dass unsere Band nichts Politisches an sich hat und unsere Musik im Vordergrund steht.
Angenommen, ihr würdet den LSC gewinnen. Macht es euch Angst, mit dem ganzen Stress des ESC konfrontiert zu werden?
Kiko: Unser Leben hat sich definitiv verändert. Aber wir kriegen das gut hin, weil wir seit 15 Jahren in einer Band spielen und nicht auf uns alleine gestellt sind. Es macht uns noch stärker, ein ganzes Team hinter uns zu haben. Ich weiß nicht, wie die anderen Künstler aufgestellt sind, aber ich habe das Gefühl, dass wir extrem miteinander verschweißt sind. So schaffen wir alles.
De Maart
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