Freitag14. November 2025

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Uni.luWie sich Studenten und Professoren gegen die Abwertung ihrer Studiengänge wehren

Uni.lu / Wie sich Studenten und Professoren gegen die Abwertung ihrer Studiengänge wehren
Tina Büchler, Maryse Koedinger, Jessica Raus und Ines Bröckel wollen die Abwertung ihres Studiengangs nicht einfach so hinnehmen Foto: Editpress/Alain Rischard

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Die Psychologiestudenten der Universität Luxemburg sind verunsichert. Auf Anordnung des Hochschulministeriums verlieren sowohl der Bachelor- als auch der Masterstudiengang den Zusatz „of Science“. Während die Studiendirektoren darin eine Abwertung des Studiengangs sehen, fürchten die Studenten um zukünftige Ausbildungs- und Arbeitsplätze.

Wenn die Psychologie-Absolventen der Universität Luxemburg im Dezember ihre Diplome erhalten, werden die allermeisten wohl ganz genau hinschauen. Bis dahin wissen die meisten nämlich nicht, ob auf ihrem künftigen Diplom das Prädikat „of Science“ draufstehen wird, oder nicht. Das wiederum hat konkrete Folgen für ihren weiteren Bildungsweg oder die Suche nach einem Arbeitsplatz. Protesten von Studierenden und Studiendirektoren zum Trotz hat das Hochschulministerium den „of Science“-Zusatz nämlich streichen lassen. Dieser wurde zwar lange geduldet, ist im neuen Hochschulgesetz jedoch nicht vorgesehen – allerdings auch nicht verboten. Es bleibt die Frage nach dem Warum.

Es ist ein Hilferuf, den vier Studentinnen im Namen ihrer Kommilitonen abgeben. Maryse Koedinger, Tina Büchler, Ines Bröckel und Jessica Raus, Vizepräsidentin der Vereinigung der Luxemburger Psychologiestudenten (ALEP), haben sich im Foyer der „Maison du nombre“ eingefunden. Sie haben erst Anfang des Semesters erfahren, dass ihrem Psychologiestudium an der Universität Luxemburg das Prädikat „of Science“ abgesprochen wurde. „Wir wurden in einer Sitzung am 23. September informiert“, sagen die vier Studentinnen. Sie empfinden das als klare Abwertung für ihr Studium. Gerade im Psychologiestudium belege dieser Zusatz, dass dem Studium ein klarer empirischer, evidenzbasierter Ansatz zugrunde liege. „Bei Studiengängen in der Mathematik oder Physik ist das direkt ersichtlich“, sagen die Studentinnen unisono. In der Psychologie aber gebe es auch Studiengänge, die einen „philosophischeren Ansatz“ haben. Diese würden sich jedoch vom Studieninhalt her stark von einem wissenschaftlich geprägten Psychologiestudium unterscheiden.

Tatsächlich bieten einige Universitäten im deutschsprachigen und angelsächsischen Raum sowohl Bachelor „of Arts“ als auch „of Science“ in der Psychologie an. An der Universität Freiburg wird der Bachelor „of Arts“ beispielsweise nur als Zusatzabschluss angeboten. Der vollwertige Studiengang trägt den Zusatz „of Science“. An Universitäten im englischsprachigen Raum jedoch werden häufig beide Studiengänge angeboten – mit entscheidenden Unterschieden, was die Lehrinhalte betrifft.

Die Studiendirektoren Robert Kumsta (l.) und André Melzer (r.) können die Verunsicherung ihrer Studenten verstehen
Die Studiendirektoren Robert Kumsta (l.) und André Melzer (r.) können die Verunsicherung ihrer Studenten verstehen Foto: Editpress/Julien Garroy

Ein Unterschied, der von der Universität Luxemburg nun nicht mehr gemacht werden darf. Und das trotz ihres nach außen hin immer wieder hervorgehobenen internationalen Renommees, mit dem sich die Universität – und auch das zuständige Ministerium – gerne brüsten. Eine völlig unverständliche Haltung, finden auch die beiden Psychologie-Studiendirektoren des Bachelorstudiengangs, André Melzer, und des Masterstudiengangs, Robert Kumsta.

Verunsicherung bis Chaos

Die Universität wurde nach der Verabschiedung des Hochschulgesetzes im Sommer 2023 darüber informiert, dass der Zusatz „of Science“ eigentlich nicht mehr zulässig sei. „Beide Studiengänge haben diese Denomination immer getragen“, erklärt Melzer. Es sei ein „internationales Qualitätssiegel“, das jetzt verloren gehe, meint auch Kumsta. „Für die vorherigen Jahrgänge war der Zusatz ‚of Science’ auf den Zeugnissen vermerkt, für die kommenden Studierenden fällt er weg“, sagt Kumsta. „Das verunsichert enorm.“ Vor allem, weil trotz der veränderten Gesetzeslage die Universität zwar in Kenntnis gesetzt wurde, die Denomination jedoch wohl noch ein weiteres Jahr geduldet wurde. Eine Umänderung des Studiengangs erfolgte erst diesen Sommer. Derweil trägt das Modulhandbuch des Masterstudiengangs für das akademische Jahr 2024/2025 noch den Vermerk „of Science“.

Wenn die Studiendirektoren von Verunsicherung reden, ist das teilweise noch untertrieben. Es scheinen ganz im Gegenteil sehr chaotische Zustände zu herrschen. Denn obwohl den Studiendirektoren auf Rektoratsebene versichert wurde, dass Studierende, die die Studiengänge vor dem Wintersemester 2024 angefangen haben, den Zusatz „of Science“ noch tragen dürfen, ist auf den „attestations de réussite“, die im Sommer ausgestellt wurden, die entsprechende Bezeichnung nicht mehr vorhanden. „Laut Aussagen der Universität gilt die Änderung im Prinzip erst ab 2024/2025, also nicht retroaktiv“, heißt es in einer Stellungnahme aus dem Hochschulministerium. Auf den dem Tageblatt vorliegenden Dokumenten ist die Bezeichnung beim Bachelorstudiengang noch vorhanden – für den Masterstudiengang wurde sie bereits gestrichen. Bleibt abzuwarten, wie der Studiengang auf den im Dezember offiziell vergebenen Diplomen dann vermerkt ist.

Obwohl die Regelungen erst ab diesem akademischen Jahr greifen sollen, fehlt der Zusatz bereits auf einigen „attestations de réussite“ des vergangenen Jahres. Das sorgt für zusätzliche Verwirrung unter den Studierenden.
Obwohl die Regelungen erst ab diesem akademischen Jahr greifen sollen, fehlt der Zusatz bereits auf einigen „attestations de réussite“ des vergangenen Jahres. Das sorgt für zusätzliche Verwirrung unter den Studierenden. Fotos: privat

Gütesiegel

Unabhängig von den jetzt ausgestellten Diplomen aber bestehen die Studiendirektoren auf der Wichtigkeit dieser Denomination. „Die Universität Luxemburg hat eine große internationale Reputation“, sagt Melzer. In der Psychologie würden beinahe die Hälfte der Studierenden aus dem Ausland, ein Großteil davon aus Deutschland, kommen, schätzen auch die vier Studentinnen. Das könnte sich nun in Zukunft ändern. Denn: „Es ist auf den ersten Blick für Außenstehende nicht klar, ob der Wegfall der Denomination eine Abwertung des Studiengangs beinhaltet“, sagt Kumsta.

Und auch für Studieninteressierte sei die Sachlage nicht ganz klar. So seien die Studiendirektoren bereits mit etlichen Fragen konfrontiert worden, ob ein weiterführendes Studium im Ausland oder die Wahl eines zukünftigen Berufes mit dem Wegfall des Zusatzes in Gefahr seien. „Inhaltlich hat sich nichts geändert – die Absolvent*innen müssen jedoch einen zusätzlichen Aufwand betreiben, um ihre Qualifikationen nachzuweisen“, sagt Kumsta. Ob das von anderen Instituten dann auch so akzeptiert werde, sei jedoch nicht gegeben. Eine unnötige Abwertung in der Außenwahrnehmung, so das Fazit der beiden Studiendirektoren. „Es ist einfach unverständlich, warum eine international orientierte Universität sich nicht an die internationalen Gepflogenheiten hält.“

Dem stimmt auch Marc Stein, Präsident der „Société luxembourgeoise de psychologie“ (SLP), zu. „Ich weiß nicht wirklich, warum das jetzt geändert werden soll“, wundert sich Stein über diese Änderung. Vor allem, weil dieser Zusatz ja auf eine klar empirische Herangehensweise hindeuten würde. Eine Aberkennung des Zusatzes könne für Außenstehende durchaus als Qualitätsverlust angesehen werden. „Ich nehme das schon als Abwertung des Studiums wahr“, sagt Stein. „Ich verstehe nicht, warum der Zusatz entfallen soll, wenn es gesetzlich nicht explizit verboten ist.“

Gesetzliche Spitzfindigkeiten

Durcheinander für Studierende: Obwohl der Zusatz „of Science“ nicht mehr offizieller Teil der Nomenklatur ist, findet sich diese noch auf dem Modulhandbuch für dieses Wintersemester wieder
Durcheinander für Studierende: Obwohl der Zusatz „of Science“ nicht mehr offizieller Teil der Nomenklatur ist, findet sich diese noch auf dem Modulhandbuch für dieses Wintersemester wieder Foto: Editpress/Alain Rischard

Tatsächlich sind der Zusatz „of Science“ und der entsprechende Gegenpart „of Arts“ in keinem Luxemburger Gesetzestext vorzufinden – und demnach eigentlich auch nicht verboten. Aber: „Der Zusatz ‚of Science’ war nie in der Luxemburger Nomenklatur akademischer Titel vorgesehen“, lässt das zuständige Ministerium auf Tageblatt-Nachfrage wissen: weder im „cadre luxembourgeois des qualifications“ noch im erst im Juli 2023 verabschiedeten Hochschulgesetz. „Es ist anzumerken, dass in den Ländern, in denen die Bezeichnungen ‚of Science/of Arts’ benutzt werden, diese auch im jeweiligen Qualifikationsrahmen festgehalten wurden.“ Zum Unverständnis der Studierenden und Professoren schreibt das Ministerium: „Die Universität wurde in der Vergangenheit schon des Öfteren darauf aufmerksam gemacht und hat sich nun konform gemacht.“ Dabei ist anzumerken, dass der Studiengang vor 2019 den Zusatz „académique“ trug und dieser anschließend in „of Science“ umbenannt wurde – nachdem die Nomenklatur (28. Oktober 2016) und das Universitätsgesetz (27. Juni 2018), auf Basis dessen jetzt gegen diesen Zusatz argumentiert wird, bereits verabschiedet waren.

„Im Rahmen des Bologna-Prozesses gilt das Prinzip, dass alle Programme und Diplome, die zu einem Bachelor- oder Masterabschluss führen, gleichwertig sind“, erklärt das Hochschulministerium seine Vorgehensweise. Dieses Prinzip wird auch im Luxemburger Hochschulwesen appliziert. Das Luxemburger Hochschulgesetz würde die akademischen Titel entsprechend schützen, was ein weiterer „Qualitätsgarant“ ist und als Sicherheit in puncto Anerkennung gelten soll. „Wenn es darum geht, Informationen über den Inhalt und die Schwerpunkte eines Studienprogramms zu vermitteln, kann das im ‚diploma supplement’ gemacht werden, das obligatorisch mit einem Diplom ausgehändigt wird“, so der Sprecher aus dem Außenministerium. „Da kann das auch detaillierter und präziser gemacht werden als mit einem Prädikat ‚of Science’ oder ‚of Arts’.“

So weit die Theorie – in der Praxis jedoch wird das oft anders gehandhabt. Melzer und Kumsta haben zahlreiche Meinungen von Experten aus dem In- und Ausland eingeholt und an die Entscheidungsträger übermittelt, die auf die Wichtigkeit dieser acht Buchstaben hingewiesen haben. Bisher sind sie damit auf taube Ohren gestoßen. Dem Ruf der Universität ist es bestimmt nicht dienlich. Den Schaden haben letzten Endes die Studierenden.

Grober J-P.
11. November 2024 - 9.11

"weiterer „Qualitätsgarant“ ist und als Sicherheit in puncto Anerkennung gelten soll."
Schon längst nicht mehr. Wie wurde mir kürzlich aus berufenem Munde gesagt, auf Nachfrage zu der großen Zahl von offenen IT Stellen, " die Materie in dem Masterstudiengang entspricht nicht mehr den Anforderungen draußen auf dem Arbeitsmarkt."