Früher war vieles einfacher, sagen manche Ewiggestrige und Nostalgiker. Zumindest schien es so zu sein. Die Welt war vor einem halben Jahrhundert grob in Ost und West eingeteilt. Das Denken erschien manch einem schwarz-weiß. Eine junge Sängerin aus DDR namens Nina Hagen sang damals: „Du hast den Farbfilm vergessen.“ Die Komplexität der politischen Weltlage wurde den meisten Menschen lange nach der Einführung der Farbfotografie und des Farbfernsehens bewusst – erst nach dem Ende des Kalten Krieges.
Jedenfalls schien zu jener Zeit noch der politische Kompass zu funktionieren: Man war entweder nach Westen orientiert, wie die meisten Menschen in Luxemburg und den anderen westeuropäischen Staaten, oder hegte Sympathie für den real existierenden Sozialismus. Entwicklungspolitisch Orientierte solidarisierten sich mit dem globalen Süden, andere blieben in ihrer Komfortzone und reisten höchstens bis zur Mittelmeerküste.
Die Abgeordnete Sam Tanson („déi gréng“) fragte diese Woche, wo denn der politische Kompass der Regierung geblieben sei. Zumindest scheinen die politischen Magnetfelder durcheinandergeraten zu sein. In manchen Ländern dreht die Kompassnadel bisweilen durch – wenn etwa Frankreich links wählt und von rechts regiert wird oder wenn die deutsche Ampelregierung einen politischen Stromausfall nach dem anderen erleidet. Hierzulande zeigt die Magnetnadel der Regierung stramm nach rechts. Damit befindet sie sich in Europa bis auf ein paar Ausnahmen im politischen Mainstream. Dieser ist neoliberal und entspricht Luc Friedens politischer Unternehmerphilosophie vom Trickle-down-Effekt: Der Einkommenszuwachs, den die Reichen einer Gesellschaft erfahren, sickere zu den Mittelschichten und Ärmeren durch. Wer’s glaubt, wird selig.
Den Ton geben zurzeit die europaweit erstarkten rechtspopulistischen bis rechtsextremen Parteien an. Wenn der Neoliberalismus einst vorgab, die autoritäre Rechte zu verhindern, dann war dies ein geschicktes Täuschungsmanöver. Eine freiheitliche, marktwirtschaftliche Ausrichtung mit der Betonung auf Privateigentum und Freihandel war einst ganz nach dem Geschmack derer, die mit ihren Freiheitsrevolutionen das alte Sowjetsystem stürzten, aber dem Trugschluss erlagen, dass Demokratie mit freiem Markt gleichzusetzen sei. Sie hatten nicht mitgedacht, dass „bestimmte Variationen des neoliberalen Denkens von jeher eine autoritäre Dimension beinhalteten, die nun zunehmend in seiner real existierenden Form sichtbar wird“, wie der Frankfurter Politikwissenschaftler Thomas Biebricher konstatiert.
Wer demokratisches Regieren mit der Leitung eines Unternehmens gleichsetzt, wie Luc Frieden, was ihm den Beinahmen „CEO“ einbrachte, der sollte daran denken, dass viele multinationale Konzerne sich lange Zeit einen feuchten Dreck um die Wahrung von Menschen-, Umwelt- und Arbeitsrechten scherten. „Human Rights and Environmental Due Diligence“ und „Corporate Social Responsibility“ (CSR) sind mehr als ein Image-Label fürs Marketing, und Regierungsverantwortung erschöpft sich nicht darin, systemrelevante zivilgesellschaftliche Akteure wie eine heiße Kartoffel fallen zu lassen und ihnen dann den Anstrich eines PwC-getunten Dienstleisters zu geben.
Die autoritäre Ausrichtung zeigt sich nicht zuletzt im Umgang mit den sozial Schwächeren einer Gesellschaft und jenen Migranten, die aus Not ins Land kommen und nicht gleich ins Raster des marktwirtschaftlichen Fachkräftebedarfs passen. Sie manifestiert sich auch im Umgang mit einer Jugend, die statt der nötigen Eigenschaften Empathie und soziale Kompetenz ein eingetrimmtes Wettbewerbsfähigkeitsdenken und den Grauschleier der Perspektivlosigkeit mit auf den Weg bekommen. Und sie gleicht sich allmählich den autoritären Kräften an, die noch weiter rechts stehen, mittlerweile hofiert werden und im schlimmsten Fall noch den roten Teppich zur Macht ausgerollt bekommen.
De Maart

"die statt der nötigen Eigenschaften Empathie und soziale Kompetenz"
Empathie und soziale Kompetenz geht so langsam flöten, vorallem in den öffentlichen "Betrieben". Metropolis lässt grüssen!
Die Regierung ist rechts ,wirtschaftsliberal und autoritair ,so what ! Deshalb wurde sie ja gewaehlt .Ihre Waehler hatten doch wohl nicht im Ernst angenommen dass Frieden ,Roth ,Gloden Linksradikale sind .Uebrigens nach Adam Riese hat Frankreich nicht links gewaehlt ,vielleicht sich mal die Zusammensetzung des Assemblée Nationale genau anschauen .
Die Abrechnung mit der luxemburgischen Regierung, und vor allem ihrem wirtschaftsfokussiertem Premier Frieden, wird spätestens beim nächsten Machtwechsel im Land kommen ... eventuell gar früher.
Dass Luxemburg nach rechts abdriften konnte, ist zu einem großen Teil der christlich genannten Regierungspartei zu "verdanken". Konservativ tendiert stets nach rechts. Und die CSV mitsamt Frieden sind arg konservativ.