Der Rummel über die durch ihn ausgelöste Zeitenwende scheint Nordmazedoniens nüchternem Neu-Premier Talat Xhaferi eher lästig. Sein Kabinett werde seine Verpflichtungen und die Erwartungen der Bürger zu erfüllen suchen, versicherte der 61-Jährige nach seiner Vereidigung zu Wochenbeginn: Seine Priorität sei die „ordnungsgemäße und demokratische“ Organisation der nahenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen.
Auf 100 Tage ist die Amtszeit der von Regierungs- und Oppositionsparteien gebildeten Übergangsregierung begrenzt. Dennoch ist der Amtsantritt des Parteigängers der albanischen DUI-Partei für den EU-Anwärter eine historische Zäsur. Noch 2001 hatte der blutige Aufstand albanischer Freiheitskämpfer den seit 1991 unabhängigen Balkanstaat monatelang am Rande eines Bürgerkriegs taumeln lassen. 23 Jahre später führt mit dem früheren Guerillakämpfer Xhaferi nun erstmals ein Albaner im lange von ethnischen Spannungen geplagten Vielvölkerstaat die Regierungsgeschäfte.
1962 im Dorf Forino unweit von Tetovo geboren, hatte Xhaferi zu jugoslawischen Zeiten früh eine militärische Karriere eingeschlagen. Nach dem Besuch der Militärakademie in Belgrad hatte der Berufsoffizier bis 1991 zunächst in Jugoslawiens Volksarmee (JNA) gedient, danach in den neuen Streitkräften des damaligen Staatenneulings Mazedonien.
2001 schloss sich Xhaferi den albanischen Freischärlern der Nationalen Befreiungsarmee (UCK) an: Als „Kommandant Forino“ machte er sich beim albanischen Aufstand einen Namen. Nach dem Friedensabkommen von Ohrid im August 2001 schlug er eine politische Karriere ein und wurde bei den Wahlen 2002 für die DUI erstmals ins Parlament gewählt.
Bei Stabilisierung des Landes geholfen
Als „Tabubrecher“ würdigt die regionale Agentur „Balkan-Insight“ nun den Politikveteran. Tatsächlich spielte der pflichtbewusste Ex-Offizier bei der Stabilisierung des lange ebenso labilen wie spannungsgeplagten EU-Anwärters im letzten Jahrzehnt auffällig oft eine entscheidende Rolle.
2013 war es Xhaferi, der als erster Albaner trotz heftiger Proteste mazedonischer Nationalisten zum Verteidigungsminister ernannt wurde. Nach dem Fall des autoritär gestrickten Ex-Premiers Nikola Gruevski durch den Koalitionswechsel der DUI war es wiederum Xhaferi, der 2017 als erster Albaner das Amt des Parlamentsvorsitzenden übernahm.
Seine unaufgeregte, etwas spröde Art macht Xhaferi zweifellos auch für den Job als Übergangspremier zur Vorbereitung der Wahlen geeignet. Die bereits 2020 beim Koalitionspoker mit der sozialdemokratischen SDSM vereinbarte Übernahme des 100-Tage-Postens hat für seine DUI allerdings nicht nur eine symbolische, sondern auch wahltaktische Bedeutung: Mit dem Pfund des ersten albanischen Premiers dürfte Nordmazedoniens größte Albaner-Partei bei ihrer Wahlklientel im Stimmenstreit kräftig wuchern.
De Maart
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