Freitag14. November 2025

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Schwächung der PressefreiheitBosniens Medien droht das Gängelband – Journalisten stehen unter Druck

Schwächung der Pressefreiheit / Bosniens Medien droht das Gängelband – Journalisten stehen unter Druck
„Ist die Jagd auf die Medien eröffnet?“ (Schlagzeile der bosnischen Zeitung „Euro Blic“ in Banja Luka) Foto: Thomas Roser

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Druck, Drohungen und gewalttätige Übergriffe: Journalisten haben in Bosnien und Herzegowina einen schweren Stand. Auf dem Index der Pressefreiheit von „Reporter ohne Grenzen“ notiert unter den ex-jugoslawischen Staaten nur Serbien (79.) schlechter als der Vielvölkerstaat (67.).

Die Stärkung der Pressefreiheit hatte Brüssel bei der Zuerkennung des Kandidatenstatus Ende letzten Jahres denn auch als eine der „Prioritäten“ benannt, die der EU-Anwärter zu erfüllen habe. Drei Monate später macht sich der Teilstaat der Republika Srpska (RS) daran, Bosniens bedrohte Medienfreiheit weiter auszuhöhlen.

Unter dem Mumm des Kampfes gegen Fake News will der allgewaltige Teilstaatspräsident Milorad Dodik missliebige Medien und Journalisten mithilfe der Neufassung des Strafgesetzbuchs ans Gängelband nehmen. Der 2002 in Bosnien abgeschaffte Straftatbestand der „Verletzung des Ansehens und der Würde“ soll wieder reaktiviert, „Verleumdungen“ mit drakonischen Strafandrohungen von umgerechnet bis zu 50.000 Euro „präventiv“ verhindert werden. Derart hohe Strafen kann in Bosnien kaum jemand berappen: Das Durchschnittsgehalt liegt bei 570 Euro netto im Monat.

„Niemand wird Probleme haben, der die Wahrheit sagt“, versichert indes Dodik: Der Gesetzentwurf, mit dem sich das Teilstaatsparlament am Dienstag befassen soll, sei nach „bester europäischer Praxis“ abgefasst.

Die Betroffenen sehen das anders. „Medien, die über gefälschte Berufsdiplome von Amtsträgern, verschobene Ausschreibungen, korrupte Minister oder unfähige Direktoren von Staatsbetrieben berichten, können vor Gericht gezerrt werden, weil sie das Ansehen eines Würdenträgers verletzt haben“, orakelt düster die Zeitung Euro Blic in Banja Luka.

„20 Jahre zurückgeworfen“

Das Gesetz, über das das Teilstaatsparlament am Dienstag debattieren wird, werfe den Teilstaat „20 Jahre zurück“, warnt Sandra Gojkovic-Arbutina, die Chefredakteurin der Zeitung Nezavisne Novine in Banja Luka: Statt wie von der EU gefordert, die Medienfreiheit zu stärken, würden Journalisten mit Geldstrafen bedroht, die in Bosnien „kaum ein Medium überleben“ könne.

 „Niemand in der Staatsanwaltschaft hätte den Mut, eine Verleumdungsklage von Dodik gegen Journalisten zurückzuweisen“: Der Journalist Vladimir Kovacevic fürchtet den Missbrauch des Verleumdungsgesetzes
 „Niemand in der Staatsanwaltschaft hätte den Mut, eine Verleumdungsklage von Dodik gegen Journalisten zurückzuweisen“: Der Journalist Vladimir Kovacevic fürchtet den Missbrauch des Verleumdungsgesetzes Foto: Thomas Roser

Vor fünf Jahren wurde der Journalist Vladimir Kovacevic des Portals „gerila.info“ von zwei Auftragsschlägern in Banja Luka mit Eisenstangen krankenhausreif geprügelt. Nun fürchtet er den „Missbrauch“ des geplanten Gesetzes. In der von der Politik kontrollierten Staatsanwaltschaft hätte „niemand den Mut“, beispielsweise eine Klage von Dodik gegen einen missliebigen Journalisten abzuschlagen: „Selbst wenn das Gericht schließlich zum Schluss kommt, dass keine Verleumdung vorliegt, muss der betroffene Journalist einen Prozess über sich ergehen lassen, der seine Arbeit beeinträchtigt.“

Als „Ungeheuer, die seit Jahren lügen, manipulieren und erpressen“ beschimpfte Dodik vergangene Woche auf einer Pressekonferenz die Medienvertreter, die kritische Fragen zu der umstrittenen Gesetzesvorlage stellten. Am nächsten Tag wurde zwei von ihnen der Lack ihrer Autos zerkratzt. 

Gegen einen von ihnen, den Polizeireporter Nikola Moraca der Zeitung Euro Blic, hatten die Justizbehörden bereits zu Monatsbeginn Ermittlungen eingeleitet und sein Telefon beschlagnahmt, weil er sich weigerte, seine Quellen preiszugeben.  Die Verunglimpfungen von Dodik, „dem mächtigsten Mann“ im Teilstaat, habe „jemand als Auftrag für eine Einschüchterungsattacke aufgefasst“, kommentiert derweil Aleksandar Trifunovic, der Chefredakteur des regierungskritischen „6uka.com“-Portals die Beschädigung seines Vehikels: „Heute ist es das Auto, morgen etwas anderes. Die Jagd ist eröffnet.“