Freitag14. November 2025

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Kulturkampf um Fußball-Ikone„Wie Deutschland in den 30ern“: Gary Linekers regierungskritischer Tweet führt zur Krise bei der BBC

Kulturkampf um Fußball-Ikone / „Wie Deutschland in den 30ern“: Gary Linekers regierungskritischer Tweet führt zur Krise bei der BBC
Ein Fußballfan und offenbar auch ein Lineker-Fan am Samstag in einem englischen Stadion Foto: AFP/Ben Stansall

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Die BBC hat ihren Moderator, die Fußball-Ikone Gary Lineker, suspendiert, nachdem dieser die harte Migrationspolitik der Regierung kritisiert hatte. Jetzt tobt auf der Insel der Kulturkampf – und die BBC gerät immer tiefer in die Krise.

Der Streit zwischen der BBC und dem Fußball-Moderator Gary Lineker eskaliert. Weil sich Lineker auf Twitter kritisch über die Flüchtlingspolitik der britischen Regierung geäußert hatte, beurlaubte ihn die BBC. Aus Solidarität traten am Wochenende so viele Kollegen in den Ausstand, dass der öffentlich-rechtliche Sender im Bereich Sport nur ein Rumpfprogramm anbieten konnte. Die Aufregung über Linekers Tweet ist das jüngste Kapitel in einem Kulturkampf, der zwischen dem rechten und dem liberalen Lager im Königreich tobt. Die Unabhängigkeit der BBC steht infrage.

Gary Lineker ist ein sehr bekannter Mann in Großbritannien. Die 62-jährige Stürmerlegende moderiert seit fast 30 Jahren die wichtigste Sportsendung des Landes „Match of the Day“. Berühmt dafür, auf dem Spielplatz kein einziges Mal eine Gelbe Karte erhalten zu haben, wurde Lineker nach seiner illustren Fußballkarriere als BBC-Moderator zu einer nationalen Ikone. Mit einem Jahressalär von umgerechnet rund 1,5 Millionen Euro gehört er zu den bestbezahlten Stars des Senders. Auf Twitter zählt Lineker 8,8 Millionen Follower.

Der Mann ist also nicht irgendwer. Seine Reichweite ist beträchtlich. Und als Lineker sich in der letzten Woche bei einem Reizthema zu Wort meldete, trat er einen Sturm der Entrüstung los. Der Hintergrund: Die Regierung hatte ein neues Flüchtlingsgesetz eingebracht, das illegal Eingewanderten das Recht auf Asyl entzieht und ihre Internierung, auch die von Kindern und Familien, sowie ihre schleunige Abschiebung ins ostafrikanische Ruanda ermöglicht. „Jenseits von schrecklich“, kommentierte Lineker die Pläne. Er sei wohl „nicht ganz bei Trost“, kritisierte ihn ein Follower, worauf Lineker antwortete: „Es gibt keinen großen Zuzug. Wir nehmen viel weniger Flüchtlinge auf als andere große europäische Länder. Dies ist eine unermesslich grausame Politik, die sich gegen die am stärksten gefährdeten Menschen richtet, in einer Sprache, die der von Deutschland in den 1930er Jahren nicht unähnlich ist. Und ich soll nicht bei Trost sein?“

Der Wertekrieg polarisiert das Land

Das war ein Stich ins Bienennest der Rechtsausleger. Innenministerin Suella Bravermann protestierte umgehend. Der Vize-Vorsitzende der Konservativen Lee Anderson nannte Linekers Vergleich „abscheulich und ekelhaft“. Sein Parteikollege Craig Mackinlay sprach von einem „schändlichen“ Kommentar und forderte, dass die BBC ihn entlasse. Rechte Massenblätter wie die Daily Mail, die Sun oder der Daily Express schürten die Empörung. 36 konservative Abgeordnete verfassten einen Brief an die Anstalt, in der sie eine Entschuldigung Linekers verlangten.

Gary Lineker sagt, er habe noch „nie in meinem Leben so viel Liebe erfahren“
Gary Lineker sagt, er habe noch „nie in meinem Leben so viel Liebe erfahren“ Foto: dpa/Mike Egerton

Auf der anderen Seite erfuhr Lineker viel Unterstützung von Medienkollegen, von Oppositionspolitikern und insbesondere von seinen Followern auf Twitter. „Ich habe nie in meinem Leben so viel Liebe erfahren“, reagierte er. Zurückstecken werde er auf keinen Fall. Damit wurde der Streit endgültig zu einem weiteren Beispiel für den seit dem Referendum von 2016 datierenden Kulturkampf, der in Großbritannien bei so vielen Themen tobt, sei es Brexit oder Trans-Rechte, politische Korrektheit oder eben Immigration. Der Wertekrieg polarisiert das Land immer mehr.

Am Freitag entschied BBC-Generaldirektor Tim Davie, dass Lineker die für Mitarbeiter geltenden Richtlinien der Unparteilichkeit verletzt habe und er von seiner Moderatorentätigkeit zurücktreten solle, bis man eine Vereinbarung über seinen Auftritt auf sozialen Medien gefunden habe. Kritiker wiesen sogleich darauf hin, dass hier doppelte Maßstäbe angelegt werden. Nicht nur dürften andere Mitarbeiter sanktionslos ihre rechts angesiedelten Standpunkte über Twitter verbreiten. Auch gegen den BBC-Vorsitzenden Richard Sharp steht der Vorwurf der Parteilichkeit im Raum. Sharp hatte in der Vergangenheit der Konservativen Partei großzügig gespendet. Zurzeit läuft eine Untersuchung, ob er seine Ernennung zu verdanken habe, dass er dem damaligen Premierminister Boris Johnson im Geheimen zu einem Privatkredit über 800.000 Pfund verholfen hatte. „Der nationale Sender“, konstatierte die Sunday Times, „sieht sich einer existenziellen Krise gegenüber.“