„Mehr als 170 Milliarden Euro“ an Investitionen seien bis 2030 nötig, um mit den USA mitzuhalten, heißt es in dem durchgesickerten Entwurf. Dabei gehe es um die Förderung von Sonnen- und Windkraft, Batterien, Wärmepumpen und Wasserstoff. Allerdings will die EU-Kommission diese enorme Summe nicht durch neue Schulden finanzieren.
Stattdessen möchte sie noch nicht genutzte Gelder aus dem rund 800 Milliarden Euro schweren Corona-Aufbaufonds umwidmen. Nur so könne man den USA Paroli bieten, die im „Inflation Reduction Act“ rund 370 Milliarden Dollar bereitstellen, heißt es in Brüssel. Außerdem soll der strikte Rahmen für staatliche Beihilfen gelockert werden.
Kommissionschefin Ursula von der Leyen folgt damit deutschen Wünschen. Der deutsche Finanzminister Christian Lindner sperrt sich gegen neue EU-Schulden. Gleichzeitig will der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck aber mehr freie Hand bei Subventionen für „grüne“ Industrien. Dem soll der Entwurf nun Rechnung tragen.
Offenbar kann auch Frankreich damit leben. Präsident Emmanuel Macron hätte zwar einen schuldenfinanzierten „Souveränitätsfonds“ bevorzugt, er kann sich jedoch auch mit Beihilfen anfreunden. Die große Mehrheit der EU-Staaten sieht dies aber anders. Sie fürchtet, von den beiden größten EU-Staaten an die Wand gedrückt zu werden. Die meisten kleineren Länder können sich keine großen Subventionsprogramme leisten. Sie waren schon mit den nationalen Hilfsprogrammen gegen die Energiekrise an den Rand ihrer finanziellen Möglichkeiten gekommen und rufen nun nach frischem Geld aus Brüssel.
Plan legt Axt an EU-Binnenmarkt
EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni wiegelt ab. Der Italiener könnte sich durchaus ein neues Schuldenprogramm vorstellen, doch er muss den Vorgaben seiner deutschen Chefin folgen. „Natürlich schwebt uns kein Subventionskrieg vor“, sagte Gentiloni am Dienstag bei einem Besuch in Berlin. Man wolle keinen Streit mit den USA. Andererseits müsse man aber handeln, so Gentiloni. Das US-Subventionspaket stelle eine Herausforderung für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie dar. „Wir werden die Diskussion aber nicht vom Ende beginnen, also mit der Finanzierung.“ Vielmehr wolle man bei den staatlichen Beihilfen ansetzen und mehr Subventionen zulassen.
Dänemark, Finnland, Irland, die Niederlande, Polen und Schweden haben bereits vor einer solchen Lockerung gewarnt. Der Plan lege die Axt an den europäischen Binnenmarkt, kritisierte ein EU-Diplomat. Er laufe auf einen Freibrief für staatliche Finanzierung von Industrieprojekten hinaus – und damit auf einen Bruch mit den bisherigen Regeln.
Die 27 EU-Staaten treffen sich am 9. und 10. Februar zu einem Sondergipfel in Brüssel. Die EU-Kommission hofft, bis dahin die Gräben zu überbrücken. Der Vorschlag sei nur eine unverbindliche Diskussionsbasis, noch kein fertiger Gesetzentwurf, heißt es in Brüssel. Doch die Fronten sind verhärtet, die Zeichen stehen auf Sturm.
Die Grünen im Europaparlament hoffen dennoch auf schnelle und weit reichende Beschlüsse. Die Lockerung der EU-Beihilferegeln könne ein Teil der Lösung sein, sagte der Grünen-Abgeordnete Rasmus Andresen. Die EU-Staaten bräuchten aber „finanziellen Spielraum“ – zur Not auch durch neue Schulden.
De Maart
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