Die Inflation galoppiert, sie befindet sich derzeit im EU-Schnitt bei annähernd zehn Prozent – und damit steigen vielerorts in Europa auch die Haus- und Wohnungsmieten. Und zwar so sehr, dass immer mehr Familien in finanzielle Bedrängnis geraten. Die Regierungen Spaniens und Portugals haben deswegen im Zuge ihrer Anti-Krisenpakete eine Mietendeckelung beschlossen: Der Mietzins darf maximal nur noch um zwei Prozent pro Jahr steigen. Ein Modell für andere Länder?
Millionen Mieter auf der Iberischen Halbinsel können nun wenigstens ein bisschen aufatmen. Denn viele Mietverträge in Spanien und Portugal enthalten die Indexklausel. Diese besagt, dass die Miete jährlich entsprechend der Preissteigerung angepasst werden kann. Bei den momentanen Inflationsraten von 10,3 Prozent in Spanien und 9,4 Prozent in Portugal, wie sie seitens Eurostat für August geschätzt wurden, würde dies bei einer Miete von beispielsweise 1.000 Euro eine happige monatliche Erhöhung zwischen 90 und 100 Euro bedeuten.
Mit der gesetzlichen Mietbremse wurde diesen extremen Erhöhungen des Wohnungszinses zunächst einmal ein Riegel vorgeschoben. Die Deckelung wird in den beiden Ländern voraussichtlich so lange in Kraft bleiben, bis sich die Inflationsrate wieder auf einem normalen Wert eingependelt hat, der von den Zentralbanken bei maximal zwei Prozent angesiedelt wird.
Ministerin spricht von einem „Schutzschild“
„Mit dieser Maßnahme schützen wir die Menschen, die in einer Mietwohnung leben und für die es zum Problem oder zuweilen sogar unmöglich wird, ihre Miete zu bezahlen“, sagt Spaniens äußerst populäre Vize-Regierungschefin Yolanda Díaz. Die spanische Sozialministerin Ione Belarra vergleicht den Mietendeckel mit einem „Schutzschild“, der ärmeren Bürger helfe, mit einem Dach über dem Kopf durch die Krise zu kommen.
In Spanien wie auch in Portugal leben vor allem junge Leute und sozial schwächere Familien in Mietwohnungen. Alle, die es sich leisten können, bevorzugen hingegen traditionell, in den eigenen vier Wänden zu wohnen – lieber eine Hypothekenrate zahlen und damit langfristig den eigenen Besitz mehren, als lebenslang Miete zu überweisen, denkt die große Mehrheit. Die Eigentumsquote ist laut Eurostat in beiden Ländern mit annähernd 75 Prozent deutlich höher als in vielen anderen EU-Staaten.
Die portugiesische Regierung, die von dem Sozialdemokraten António Costa angeführt wird, geht in Sachen Mietbremse noch einen Schritt weiter als Spanien. Portugal kommt auch den Vermietern ein Stück entgegen. Ihnen wurden zum Ausgleich Erleichterungen bei der Versteuerung der Mieteinnahmen zugesagt. Eine Kompensation, auf die Spaniens Vermieter bisher vergeblich pochen.
Neben Spanien und Portugal hat bisher innerhalb der EU nur Frankreich noch im Zuge der Anti-Krisen-Maßnahmen eine befristete Grenze für die jährliche Mieterhöhung verabschiedet. Diese liegt allerdings in Frankreich nicht bei zwei Prozent, wie auf der Iberischen Halbinsel, sondern bei 3,5 Prozent.
Ähnliche Limits werden inzwischen auch in anderen europäischen Ländern diskutiert, um die Bürger in den nächsten Monaten vor einem Mietenschock zu bewahren. Dabei könnten die Erfahrungen im südlichen Europa den nördlichen Staaten nützlich sein.
Neben dem Mietendeckel haben Spanien wie Portugal weitere Maßnahmen verabschiedet, um die Bürger angesichts hoher Energiepreise und Inflationsraten zu entlasten. Dazu gehört eine Senkung der Energiesteuern, eine Subventionierung der Treibstoffpreise, eine Erhöhung der Mindestlöhne und einkommensabhängige Hilfen für ärmere Familien.
Auch den Rentnern wird geholfen
Auch der Nahverkehr wird gefördert: Portugal fror landesweit die Tarife bis Ende 2023 ein. Spanien beschloss ein Gratis-Ticket für den nationalen S-Bahn-Verkehr und 30 bis 50 Prozent Rabatt für alle anderen ÖPNV-Abos – zunächst bis Ende des Jahres, aber mit der Möglichkeit der Verlängerung.
Portugal beschloss zudem, den Rentnern unter die Arme zu greifen: Alle Pensionäre erhalten jetzt im Oktober eine Einmalzahlung in Höhe des halben monatlichen Rentenanspruchs. Zudem werden die niedrigeren Renten um 4,43 Prozent erhöht und die höheren Altersbezüge um 3,53 Prozent.
Spaniens sozialdemokratischer Regierungschef Pedro Sánchez kündigte sogar an, dass die Altersbezüge entsprechend der Preissteigerungsrate angehoben werden sollen. Das sei ein Akt der sozialen Gerechtigkeit. „Zumal“, so Sánchez, „viele Ruheständler ihre Kinder und Enkel unterstützen.“
De Maart
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