Glas halbvoll oder halbleer?

Glas halbvoll oder halbleer?
(Julian Stratenschulte)

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Luxemburg und die meisten Beteiligten zeigen sich vor der UN-Konferenz von Paris optimistisch, dass dort ein neues, globales Klimaschutzabkommen abgeschlossen wird.

Wenige Tage vor dem Beginn der Klimaverhandlungen am Sonntag gibt es noch viele offene Fragen. Werden die CO2-Emissionen mit dem Pariser Abkommen sinken? Ja und Nein – rund 180 der beteiligten 193 Staaten haben inzwischen nationale Zusagen zur Senkung der Treibhausgasemissionen (INDC) vorgelegt. Das Niveau ist allerdings unterschiedlich und oft schwer vergleichbar.

Die EU will ihre Emissionen bis 2030 um 40 Prozent verglichen mit 1990 senken, die USA bis 2025 um 26 bis 28 Prozent im Vergleich mit 2005. Schwellenländer wie China oder Indien wollen zunächst nur die Emissionsintensität senken, also den Ausstoß gemessen am Wirtschaftswachstum. Ihr Kohlendioxid-Ausstoß dürfte damit zunächst noch steigen. Andere Staaten nennen nur einzelne Maßnahmen, etwa den Ausbau von Ökostrom. Wird damit die Erderwärmung auf zwei Grad begrenzt? Eindeutig Nein.

Klimaziele

Die meisten Experten rechnen selbst bei vollständiger Umsetzung aller Zusagen mit einer Aufheizung um etwa 2,7 Grad, möglicherweise aber auch um deutlich über drei Grad. Das ist zwar besser als ein Weiter-so, bleibt aber weit hinter dem Zwei-Grad-Ziel zurück. Viele besonders verwundbare Staaten wie kleine Inseln wollen ohnehin höchstens plus 1,5 Grad akzeptieren. Verhandelt wird daher über einen Revisionsmechanismus, wonach die Zusagen alle fünf Jahre auf ihre Wirksamkeit überprüft werden müssten.

Außerdem debattiert wird über weitere Sofortmaßnahmen bis 2020. Wie wird die Einhaltung der Zusagen überprüft? Bislang stehen manche Emissionswerte nur auf dem Papier, errechnete Daten decken sich nicht immer mit dem tatsächlichen Ausstoß. Das gilt auch für Luxemburg. Insgesamt produzierte Luxemburg 2011 zwölf Millionen Tonnen CO2 ; die Pro-Kopf-Emissionen beliefen sich auf 23 Tonnen. Die Daten sind drei Jahre alt. Verändert hat sich da aber noch nicht viel.

„Ich bin optimistisch“

Deutlich größer werden die Abweichungen etwa bei chinesischen Daten eingeschätzt. Um die Angleichung von Messverfahren und die Überprüfbarkeit der Ergebnisse wird noch gerungen. „Ich bin optimistisch. Wenn die angestrebten Ziele umgesetzt werden, kann man COP21 als Erfolg bezeichnen. Es ist das erste Mal, dass auf internationaler Ebene Maßnahmen getroffen werden könnten, um die CO2-Emissionen zu senken,“ sagt der luxemburgische Klimaforscher Dr. Andrew Ferrone. Er ist Berater auf der Konferenz in Paris Berater der Regierung.
Er spricht der Umsetzung von einem extrem langwierigen und schwierigen Prozess.

Wie stehen die Chancen? Der Aufbau dieser Konferenz ist bereits anders. Zuerst reden die Staatsoberhäupter, um einen Impuls zu geben. Dann geht der Ball zu den Verhandlungsführern zurück. Danach treffen die Staatenlenker ihre Entscheidungen. Das wurde zum Beispiel nicht in Kopenhagen getan. Dort kamen sie erst am Ende. Am Anfang gab es nur die Verhandlungsführer und die Staatsoberhäupter versuchten zum Schluss irgendetwas zu retten.

Das liebe Geld

Wie verbindlich soll das Pariser Abkommen sein? Auch das ist noch strittig. Eine mögliche Lösung könnte sein, nur die Rahmenvereinbarungen für verbindlich zu erklären, die konkreten Emissionszusagen aber in nationaler Verantwortung zu belassen.

Im Hintergrund steht dabei auch die Frage, wie sich eine Pflicht zur Ratifizierung durch den US-Kongress umgehen ließe, denn eine Zustimmung der dort dominierenden Republikaner wäre kaum erreichbar. Klar ist: Sanktionen bei Vertragsverletzungen wird es nicht geben. Halten die Industriestaaten Finanzzusagen an ärmere Staaten ein? Zur Bewältigung von Klimafolgen und für den Klimaschutz sollen den ärmeren Staaten in einem Grünen Klimafonds ab 2020 pro Jahr 100 Milliarden Dollar zur Verfügung stehen. Dies wurde vor Jahren schon versprochen.

Die Finanzierung steht jedoch nur teilweise, und auch hier gibt es Berechnungsprobleme. Entwicklungsländer kritisieren, teilweise würden ohnehin bestehende Hilfen nur umdeklarier. Woher kommt das Geld? Nur ein Teil kommt aus staatlichen Haushaltsmitteln, der Rest soll aus privaten Mitteln kommen, möglicherweise abgesichert durch staatliche Garantien. Es gibt allerdings Zweifel, ob dieses System so funktioniert. Gestritten wird auch noch um Forderungen von Entwicklungsländern nach einer Kompensation für Schäden und Verluste („loss and damage“) als Folgen der Erwärmung.

Im aktuellen Tageblatt (26. November) finden Sie ein Interview mit Dr. Andrew Ferrone aus Luxemburg. Außerdem beschäftigen sich die Print-Kollegen mit der aktuellen Klimaforschung in Luxemburg.