Europa will auf einem Kometen landen

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Zehn Jahre saust "Rosetta" schon durchs All, nun folgt der heikelste Schritt der Mission: Ein Mini-Labor landet auf dem Kometen "Tschuri". Es sind Stunden voller Unwägbarkeiten und Risiken.

Der große Moment ist da: Das Mini-Labor „Philae“ soll am Mittwochnachmittag auf einem Kometen aufsetzen. Die gewagte „Rosetta“-Mission der Europäischen Weltraumorganisation (Esa) wird von manchen Experten mit der Mondlandung 1969 verglichen. „Das ist das erste Mal, dass so etwas unternommen wird, ein Meilenstein“, sagt Paolo Ferri, Chef des Esa-Flugbetriebs im Satelliten-Kontrollzentrum Esoc in Darmstadt.

„Der heikelste Moment wird das eigentliche Aufsetzen des Landers auf der Kometenoberfläche sein“, sagt Stephan Ulamec, der „Philae“-Projektleiter beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln. „Die Oberflächenbeschaffenheit des Kometen, das heißt seine Härte, ist bis zur Landung selbst noch unbekannt.“

6,4 Milliarden Kilometer

Zehn Jahre war „Rosetta“ zum Kometen „67P/Tschurjumow-Gerassimenko“ unterwegs, hat mehr als 6,4 Milliarden Kilometer zurückgelegt. Die Raumsonde war am 2. März 2004 mit einer Ariane-5-Rakete von der Weltraumstation Kourou in Französisch-Guayana gestartet, „Philae“ huckepack dabei.

Bei der Landung ist neben dem Esa-Satellitenkontrollzentrum sowie dem DLR auch die französische Raumfahrtagentur CNES im Einsatz – für die Wissenschaftler ein technisches wie logistisches Großereignis. Bislang ist zwar noch keine Sonde auf einem Kometen gelandet, die „Rosetta“-Mission erinnert aber an ein Projekt Japans: 2005 hatte die Weltraumsonde „Hayabusa“ Bodenproben eines Asteroiden aufgenommen, fünf Jahre später landete sie wieder auf der Erde.

„Wir hoffen, dass „Tschuri“ am 12. November nicht so aktiv ist und „Philae“ landen kann“, so Esa-Kometenexperte Gerhard Schwehm. Erscheint die Aktion kurz zuvor doch zu unsicher, gibt es einen Plan B: „Dann hätten wir noch einmal zwei Wochen später eine Chance“, so DLR-Sprecherin Manuela Braun. Bisher gibt es aber keine Anzeichen, dass es kritisch werden könnte mit dem angestrebten Termin.

Schichtbetrieb

„Nach der Landung kommen dann unverzüglich der Reihe nach alle Instrumente zum Einsatz“, ergänzt Ulamec. „Für unser Lander-Kontrollzentrum des DLR bedeutet das Schichtbetrieb rund um die Uhr.“ Kometen gelten als Schatztruhen für Astronomen: Sie sind die wahrscheinlich ältesten weitgehend unveränderten Reste der gigantischen Staubscheibe, aus der vor 4,6 Milliarden Jahren unser Sonnensystem entstand.

„Rosetta“ und vor allem „Philae“ sollen mit zusammen mehr als 20 Instrumenten an Bord den kurz „Tschuri“ genannten Schweifstern genau analysieren. Etliche Messungen sind geplant, um möglichst viel über ihn und die Entstehung des Sonnensystems zu erfahren. Auch Hinweise auf die Entstehung des Lebens erhoffen sich die Forscher, etwa durch den Nachweis von organischen Molekülen wie Aminosäuren.

Landeplatz

Lange war fast nichts über „Tschuri“ bekannt, erst die von „Rosetta“ gelieferten Bilder brachten erste Details – etwa, dass die Form des Kometen der eines Quietsche-Entchens ähnelt. Mit einem Volumen von etwa 25 Kubikkilometern zählt er zudem zu den eher kleineren Kometen. Anhand der Bilder wurde ein Landeplatz gesucht. Die Wahl fiel auf eine Stelle auf dem „Kopf“ auf der sonnigen Seite des knubbeligen Schweifsterns – Solarzellenflächen sollen „Philae“ mit Energie versorgen.

Wenn sich „Philae“ am 12. November vormittags von „Rosetta“ löst, sind es noch rund 22 Kilometer bis zum Landeplatz, der den Namen „Agilkia“ erhielt. Das etwa kühlschrankgroße Mini-Labor wird langsam herabgleiten – laut Ferri so gemütlich „wie ein Fußgänger“. Es dauert sieben Stunden, bis er am Nachmittag ankommt. „Wir brauchen auch ein bisschen Glück“, meint Esa-Flugdirektor Andrea Accomazzo.

Bodenkontakt

Direkt steuern lässt sich „Philae“ während des Landevorgangs nicht: Es dauert rund 28 Minuten, bis ein Signal von der Erde aus das Landegerät erreicht. Also hat „Philae“ die Landung einprogrammiert bekommen – mit Alternativen, falls er auf Probleme trifft. Schon im Anflug soll der Lander seine drei Beine ausfahren, an deren Ende kleine Eisbohrer sitzen. Mit ihnen soll er sich unmittelbar nach dem Bodenkontakt festkrallen. „Wichtig ist, dass er auch wirklich auf „Tschuri“ bleibt“, sagt Jens Biele vom DLR.

Selbst wenn alles klappt: Ein Ende ist der spektakulären Mission bereits gesetzt. Da „Tschuri“ immer weiter Richtung Sonne rast, wird es für das mitreisende Mini-Labor voraussichtlich im Dezember 2015 zu heiß. „“Philae“ stirbt durch Überhitzung“, so Biele. Die von ihm geschickten Daten werden die Wissenschaftler noch lange danach beschäftigen. „Rosetta“ selbst könnte die Sonnenpassage überleben und noch monatelang weiter um „Tschuri“ kreisen.