Die Falle der niedrigen Zinsen

Die Falle der niedrigen Zinsen
(Tobias Hase)

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Der französische Finanzminister Michel Sapin hat eine Bilanz des Jahres 2014 gezogen. Sein Signal nach Brüssel: Mit einem Defizit von vier Prozent hat das Land besser abgeschnitten als befürchtet. Ein Blick hinter die Kulissen dieser Erfolgsmeldung lohnt sich.

Michel Sapin war sichtlich zufrieden, als er in der vergangenen Woche die Bilanz des Jahres 2014 vorstellte. Zwar gehört Frankreich immer noch zu den Ländern, die die Maastricht Kriterien nicht erfüllen, darf aber mit einem „Erfolg“ aufwarten. Mit einem Defizit von 4,4 Prozent war gerechnet worden, eines mit vier Prozent kam heraus. So etwas wird in Paris und in Brüssel als positive Überraschung gewertet, wird doch nun das Erreichen der drei Prozent Hürde im Wahljahr 2017 als wahrscheinlich angesehen.

Allerdings sind die vier Prozent nicht der Erfolg des Zentralstaates. Es handelt sich hier um eine nicht weiter erfolgte Verschuldung von Städten, Gemeinden, Départements und Regionen. Der Zentralstaat hat mangels für diese kommunalen Einheiten die Zuschüsse reduziert. Vielmehr ist in der französischen Provinz ein Bruch in der Finanztradition erfolgt. Investitionen in die Wirtschaft werden mit Krediten finanziert, die über erhoffte höhere Steuereinnahmen dann abgezahlt werden sollen. Eine Verschuldung von 450 Millionen Euro des Mosel Départements wird so bei einem Haushalt von einer Milliarde Euro nicht als Überschuldung betrachtet. Wenn aber die Zuschüsse aus Paris ausbleiben, dann erfolgen keine weiteren Investitionen, die notwendigerweise eine höhere Verschuldung mit sich brächten. Diese Veränderung der Politik in der Provinz Frankreichs verringert das staatliche Defizit und lässt den Erfolg zustande kommen.

Dank Brüsseler Großmut

Dass Frankreich vier Prozent Defizit überhaupt als Defizit vermelden kann, ist außerdem dem Brüsseler Großmut zu verdanken. Zwei Jahre Verlängerung zur Erreichung der Defizit Grenze hatte die Regierung nicht genutzt. Ursprünglich nämlich hatte das mit Brüssel vereinbarte Defizit bei 3,6 Prozent liegen sollen. Realpolitik in Brüssel und in Paris führen dazu, dass vier Prozent Defizit als Erfolg betrachtet werden.

Grund für offiziellen Optimismus gibt es offiziell auch aus anderen Bereichen. Frankreich sieht wieder eine Zunahme der Kaufkraft. Die linke französische Regierung hatte in den Jahren 2012 bis 2014 durch die Erhöhung von Abgaben die Lasten der Franzosen um gut 30 Milliarden Euro erhöht und die Kaufkraft reduziert. Französische Wirtschaftskonjunktur hängt aber immer von der Binnenkaufkraft ab. Im vergangenen Jahr kamen der Kaufkraft mehrere Komponenten zugute. Die Löhne und Gehälter stiegen um 1,2 Prozent, die Inflationsrate lag vor allem durch sinkende Energiepreise unter 0,5 Prozent. Was auf der einen Seite die Binnenkaufkraft erhöhen soll, lässt auf der anderen Seite die Wirtschaft stöhnen. Lohnerhöhungen müssen verdient werden. Die Margen der Unternehmen sinken. Im vergangenen Jahr lagen sie bei 29,7 Prozent gegenüber 29,8 Prozent vor zwei Jahren. Frankreichs Wirtschaft lahmt. Die Hoffnung auf eine Stärkung der Wirtschaft kommt derzeit vor allem aus dem sinkenden Wert des Euro, mit dem der Export für französische waren angekurbelt werden soll. Ein Milliardenschweres Steuer-Entlastungsprogramm in Form von Steuergutschriften ist in Kraft getreten, wird auf dem Arbeitsmarkt aber nur langfristig Erfolg haben. Darüber hinaus ist es auffällig, dass Frankreichs Wirtschaft zum Export eine schwache Währung benötigt.

Nachzahlungen von Steuerhinterziehern

Als positiv kann Finanzminister Sapin eine Einnahme von 5,2 Milliarden Euro verbuchen, die um 800 Millionen höher als 2013 ist und den Haushaltsansatz von 4,65 Milliarden Euro um mehr als eine Milliarde überschreitet. Sapin profitiert hier von den Vermögenssteuer Nachzahlungen von Steuerhinterziehern, die sich selbst gestellt haben. Diese Vermögenssteuer Zahlungen von Steuerhinterziehern sind in Höhe von 900 Millionen nachhaltig, werden also jedes Jahr gezahlt werden. Steuerhinterzieher hatten inclusive der Vermögenssteuer im vergangenen Jahr zu außerplanmäßigen Einnahmen in Höhe von 2,2 Milliarden Euro geführt.

Die Einnahme-Erhöhungen schlugen sich im vergangenen Jahr mit 1,14 Billionen Einnahmen für den Staatshaushalt zu Buche, eine Erhöhung um 1,9 Prozent.

Abgaben belasten Wirtschaftsleistung

Aber damit sind die guten Nachrichten aus Frankreich auch schon beendet. Denn in der Bilanz des Finanzministers finden sich auch völlig andere Seiten. Im Prinzip müsste Frankreich sparen, um seine Finanzen zu konsolidieren. Tatsächlich aber sind die Ausgaben um 1,6 Prozent auf 1,226 Billionen angestiegen. Die öffentlichen Ausgaben des Staates liegen bei 57,2 Prozent des Wirtschaftswachstums. Die hohen öffentlichen Ausgaben spiegeln die französische Auffassung wider, dass der Staat für alles verantwortlich ist, man die Wirtschaft misstrauisch beachten und belasten darf. Dazu passt, dass der Staat in Frankreich 44,7 der Wirtschaftsleistung mit Abgaben belastet. Kein anderer europäischer Staat belastet seine Wirtschaft so sehr wie Frankreich. Sie zahle 33 verschiedene Steuern und Abgaben, erzählt eine Hotelbesitzerin in Verdun. Insgesamt wird die französische Wirtschaft mit über 130 verschiedenen Steuern und Abgaben belastet.

Das Haushaltsdefizit liegt bei 85 Milliarden Euro und wird durch Schulden finanziert. Die schulden haben im vergangenen Jahr die Schallmauer von zwei Billionen Euro überschritten und liegen nun bei 2,034 Billionen Euro. Seit der Amtsübernahme von Francois Hollande sind Frankreichs Schulden um 288 Milliarden Euro angestiegen. Sie betrugen im vergangenen Jahr 95 Prozent der Wirtschaftsleistung. Innerhalb der vergangenen 20 Jahre hat sich die Schuldenlast Frankreichs verdoppelt. Frankreich hat für seine Staatsschulden im vergangenen Jahr 43 Milliarden Euro Zinsen bezahlt. Hier liegt die Falle für das Land. Die Regierung verschuldet es zum Zinssatz von 0,5 Prozent. Im vergangenen Jahr hat die Regierung wegen der niedrigen Zinsen 900 Millionen Euro weniger bezahlt als 2013. Die Finanzagentur des französischen Schatzamtes hat angekündigt, im laufenden Jahr 187 Milliarden neue Schuldtitel auszugeben. Was aber geschieht, wenn in drei bis fünf Jahren die Europäische Zentralbank die Politik des leichten Geldes und der niedrigen Zinsen aufgibt?