Das Klagelied der Unternehmen

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Mit der Wirtschaft geht es wieder aufwärts. Darin stimmten Handelskammerpräsident Michel Wurth und Wirtschaftsminister Etienne Schneider am Dienstag überein. Trotzdem: Wurth bleibt pessimistisch, Schneider optimistisch.

Die Aufgabe der Luxemburger Handelskammer ist es, die Interessen der Unternehmen zu vertreten. In dieser Funktion kommentiert sie gerne auch die aktuelle Politik und macht Vorschläge, was aus Sicht ihrer Mitglieder besser laufen könnte.

Das tat auch Michel Wurth, der am Dienstag als Präsident der Handelskammer bestätigt wurde. In einer Rede, die fast eine Stunde dauerte, legte er seine Sicht der Dinge dar. Eine Rede, die Wirtschaftsminister Schneider zu dem sarkastischen Kommentar veranlasste: „Aus Ihrer Aufzählung hat man herausgehört, dass alles, was hierzulande einigermaßen gut läuft, auf Ihre Initiative zurückzuführen ist, alles, was schlecht läuft aber auf die Regierung zurückfällt.“

Index, Löhne und Mehrwertsteuer

Was war passiert? Anlass beider Reden war die erste Sitzung der neuen „Assemblée plénière“ der Handelskammer. Als Wurth ans Mikrofon trat, machte Schneider noch einen entspannten Eindruck. Im Laufe der nächsten Minuten sollte die Entspannung weichen. Bei dem einen oder anderen Satz rieb sich Schneider die Augen, dachte sichtlich angestrengt nach und nahm sich Notizen.

In seiner Rede berührte Wurth alle Themen, mit denen sich die Handelskammer derzeit beschäftigt: Index, Löhne, Renten und Wettbewerbsfähigkeit. Diese Themen bereiten der Handelskammer seit Jahren schlaflose Nächte. Kürzlich hinzugekommen ist die von der Regierung geplante Mehrwertsteuererhöhung.

„Wenn es den Unternehmen gut geht, geht es dem Land gut“

Wurth geht von der Prämisse aus, dass die Unternehmen die Pfeiler einer Gesellschaft bilden. „Wenn es den Unternehmen gut geht, geht es auch dem Land gut“, sagt er. Dem folgend verlangt er als Handelskammerpräsident, dass die Betriebe entlasstet werden und der Staat alles in seiner Macht Stehende tut, um die Wirtschaft zu fördern.

So ist es z.B. Sache des Staates, die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe zu verbessern. Etwas, zu dem die Politik durchaus in der Lage ist, so Wurth. „Ist Luxemburg wettbewerbsfähig?“, fragt Wurth. „Ja und nein“, gibt er die Antwort. „Luxemburg ist ohne Zweifel wettbewerbsfähiger als die meisten Länder des Planeten. Nicht aber genug, um den materiellen Reichtum zu rechtfertigen, mit dem das Land aktuell seine Bürger versorgt.“ Da wären z.B. die Lohnstückkosten, die der Argumentation der Handelskammer folgend in den letzten Jahren viel zu schnell gestiegen sind. Schneller als die Produktivität und schneller als in den Nachbarländern. Schuld an der Misere sind, folgt man den Argumenten der Handelskammer, die im Gesetz festgelegten Automatismen, welche die Lohnstückkosten unangemessen in die Höhe schießen lassen, ergo der Lohnindex.

Die Regierung solle etwas unternehmen, um die Lohnkosten der Unternehmen zu senken, damit diese wieder eher bereit sind, Menschen einzustellen, fordert Wurth. „Eine solche Maßnahme ist nicht antisozial, z.B. wenn sie dadurch erreicht wird, dass die Unternehmen keine Sozialbeiträge bezahlen müssen, oder dass die Gehaltskürzungen durch gezielte Sozialtransfers, z.B. um die Wohnkosten der Empfänger zu decken, ersetzt werden“, erklärte Wurth.

Mehrwertsteuererhöhung

Mit Schrecken blickt die Handelskammer bereits auf die geplante Mehrwertsteuererhöhung, die am 1.1.2015 in Kraft treten soll. Die Unternehmen befürchten, dass die Regierung die negativen Konsequenzen für die Betriebe unterschätzt. Diese werde quasi zur Gänze von den Unternehmen getragen. Sei es direkt, weil die Unternehmen ihre Preise nicht genug erhöhen können, um die TVA abzufangen, oder indirekt über eine Indextranche, wenn die Inflation durch die TVA steigt. Die Handelskammer „verlangt“ deshalb von der Regierung, diesen Aspekt zu überdenken und die TVA-Erhöhung aus dem Index herauszurechnen.

Weiter verlangt die Handelskammer, die Regierung solle die Werbung für den Standort Luxemburg vorantreiben, Investitionen im Land fördern und endlich die „simplification administrativ“ umsetzen. „Die ’simplification administrative‘ ist wie das Loch-Ness-Monster“, so Wurth. „Jeder redet davon, aber in der Realität hat es noch keiner gesehen.“

Auch um die Arbeitslosigkeit anzugehen, macht die Handelskammer Vorschläge. „Die gute Nachricht ist, dass es bei uns im Land keine Arbeitslosigkeit zu geben bräuchte“, so Wurth. „Es gibt mehr Stellen als Menschen, die arbeiten können. Deshalb ist es inakzeptabel, dass wir 18.000 Arbeitslose haben.“ Lösungsansätze sieht Wurth z.B. bei der Bildung, die mit der Wirtschaft eine „Schicksalsgemeinschaft“ bildet. Beide müssten mehr Hand in Hand arbeiten – die Bildung reformiert werden. Das Unternehmertum müsse gefördert werden. Es gelte aber auch, die Anreize so zu setzen, dass Arbeit attraktiver ist als Inaktivität. „Die Wahl zwischen Arbeit und Arbeitslosigkeit ist leider manchmal eine bewusste. Es ist klar, dass die Großzügigkeit unseres Sozialmodells und das Angebot von Arbeitslosengeld und RMG zahlreiche Menschen dazu verleiten, sich für die Arbeitslosigkeit zu entscheiden und sich auf die nationale Solidarität zu verlassen. Diese sollte aber nicht instrumentalisiert werden und denen zugute kommen, die sie tatsächlich brauchen“, so Wurth. „Wenn wir die richtigen finanziellen Anreize schaffen wollen, ist es unumgänglich, dass wir diese falsche Großzügigkeit nach unten korrigieren, insbesondere indem wir ein System einführen, bei dem die Leistungen mit der Zeit abnehmen.“

Es geht zwar besser, aber …

Wurth zeigte sich erstaunt, dass es mit der Wirtschaft derzeit wieder bergauf geht. Er scheint den Zahlen nicht richtig zu trauen.

Wirtschaftsminister Schneider rief hingegen dazu auf, aufzuhören, Krisenstimmung zu verbreiten. Die Krise liege hinter uns und wir müssten uns nun an eine neue Realität gewöhnen, in der ein hohes Wachstum wie vor der Krise nicht mehr gegeben sei.

Zum Index sagte der Minister, er halte es für unnötig, diesen zu beschneiden, da aufgrund der geringen Inflation voraussichtlich sowieso in naher Zukunft nur eine Tranche pro Jahr fallen werde.

Was die Unterstützung für die Wirtschaft angeht, ging Schneider in die Offensive. Er habe kürzlich internationale Unternehmen in den USA besucht, erzählte er, die auch in Luxemburg ansässig sind. Alle hätten sie ihm gesagt, dass sie sich in keinem Land so gut betreut fühlen wie in Luxemburg.

Schneider zählte auch die Millionen Euro auf, mit denen der Staat die Unternehmen bereits fördert. „Im letzten Jahr haben wir in Luxemburg 154 Investitionsprojekte gefördert“, so Schneider. „Es gibt also noch Leute, die nicht alles schwarz sehen und die noch investieren“, sagt der Minister weiter. Dafür haben wir 121 Millionen Euro aus dem Haushalt zur Verfügung gestellt. Die Betriebe haben noch einmal 553 Millionen Euro dazugetan. Dadurch wurden 1.300 neue Arbeitsplätze geschaffen oder werden geschaffen“, so Schneider.