ArcelorMittal wehrt sich

ArcelorMittal wehrt sich
(Siemag ag)

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Falsche Zahlen, falsche Zusammenhänge, falsche Darstellung: ArcelorMittal zwingt die französische Tageszeitung "Libération" zu einer Gegendarstellung.

ArcelorMittal hat die Strategie seiner Öffentlichkeitsarbeit in Frankreich verändert. Das Unternehmen wehrt sich gegen falsche Darstellungen in der Presse und diskreditiert gleichzeitig die Gewerkschaft CGT. Die französische Tageszeitung „Libération“, war die erste, die die neue Politik zu spüren bekommen hat. ArcelorMittal zwang sie, eine Gegendarstellung zu veröffentlichen. Bisher völlig ungewöhnlich für ein Unternehmen, das es in der Vergangenheit vorzog, zu schweigen und das Terrain den Gewerkschaften überließ.

Frankreich ist in Europa das wichtigste Land für ArcelorMittal. Der weltgrößte Stahlkonzern beschäftigt dort 20.000 Mitarbeiter an 40 Standorten. Die Monopolostellung in Frankreich kommt aus der Zeit der verstaatlichten Stahlindustrie. Der Staatskonzern Usinor, der in Arcelor und dann ArcelorMittal aufging, war die französische Stahlindustrie, die zu Zeiten von Usinor Standort um Standort abbaute, zum Teil unter harten Auseinandersetzungen mit den Ordnungskräften, die viele Verletzte forderten.

„Kill Mittal“

ArcelorMittal hat in Frankreich nach der Fusion im Jahre 2006 zwei wichtige Standorte in Lothringen geschlossen. Das alte Elektrostahlwerk Gandrange und die Hochöfen von Hayange. Seitdem hat das Unternehmen den Ruf des bösen Unternehmers und Lakshmi Mittal ist zur Feindfigur stilisiert worden. Das ging so weit, dass es sogar ein Videospiel „Kill Mittal“ gab, das allerdings gerichtlich verboten wurde.

Lothringen galt und gilt als der Hort der französischen Stahlindustrie. Bei der Auseinandersetzung um die Hochöfen von Hayange/Florange überließ der Konzern das mediale Feld den Gewerkschaften. Und die verstanden es, unter Führung ihres Tribuns Edouard Martin von der CFDT, in Frankreich den Eindruck zu erwecken, als ob die Stahlindustrie vor dem „Aus“ stehen würde, wenn in Hayange die Hochöfen ausgeblasen würden.

Neue Struktur

Ähnlich hatten die lothringischen Gewerkschaften und Politiker schon gegenüber den Staatspräsidenten de Gaulle und Francois Mitterrand argumentiert, als die Stahlindustrie in Lothringen in den nationalen Wirtschaftsplänen festgeschrieben wurde.

Das Schweigen des Konzerns in der Hayange/Florange Auseinandersetzung brachte den Konzern in Schwierigkeiten. Der damalige Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg wollte ArcelorMittal in Florange verstaatlichen. Er teilte Lakshmi Mittal mit, dass man ihn in Frankreich nicht sehen wollte. Als Staatspräsident Hollande mit ihm verhandelte, musste Mittal einen Nebeneingang des Präsidentenpalastes benutzen. Das ist vorbei.

„Absolut falsch“

AcelorMittal hat sich in Europa neu strukturiert und seine Kommunikation angepasst. Es gibt eine Europa-Presssprecherin und jeweils Länder Kommunikatoren. In Frankreich holte sich der Konzern eine erfahrene Kommunikationsexpertin von dem Röhrenkonzern Vallourec. Die war nicht einmal sechs Wochen im Amt, als die Pariser Presse sie vor ihre erste Bewährungsprobe stellte.

Vier Tote bei ArcelorMittal in Dünkirchen und in Fos innerhalb von 12 Monaten meldete die Tageszeitung „Libération“. Zum Teil grausame Arbeitsunfälle zwischen Eisenbahnwaggons und flüssigem Eisen. Als Grund gab die Zeitung an, dass bei ArcelorMittal in Dünkirchen immer mehr Zeitarbeiter tätig seien. Von den 6.000 dort Tätigen seinen im Durchschnitt die Hälfte Interimskräfte.

Konflikt mit Libération“

„Absolut falsch“, antwortete Isabelle Chopin auf Anfrage von Tageblatt Online. „In Dünkirchen arbeiten überhaupt nur 3.200 Stahlwerker. Davon waren 370 Interimskräfte im Juni 2013. Ende des Jahres werden es nur noch 250 sein. „Es ist die Politik des Unternehmens, so wenig wie möglich Interimskräfte einzustellen. Wir haben in diesem Jahr in Dünkirchen 200 neue dauerhafte Arbeitsplätze geschaffen und sie überwiegend mit Interimskräften besetzt. Und was die Sicherheit am Arbeitsplatz angehe, so gebe ArcelorMittal fünf Prozent der Lohnsumme für die Sicherheit am Arbeitsplatz aus. Jeder Zeitarbeiter erhalte überdies einen Tuteur, um seinen Arbeitsplatz zu lernen.“

Die Sprecherin setzte in „Libération“ eine Richtigstellung durch. Gleichzeitig eröffnete sie einen neuen Konflikt mit der Zeitung. Libération beruft sich in ihrem zweiseitigen Artikel in der Ausgabe des 12. November 2015 auf Aussagen eines CGT Sekretärs und Aussagen von Betroffenen und schreibt, dass das Unternehmen nicht Stellung beziehen wollte. In der Gegendarstellung bedauert Isabelle Chopin, dass die Argumente des Unternehmens in dem Artikel nicht wiedergegeben worden seien.

ArcelorMittal verstärkt seine Sichtbarkeit in Frankreich auch in anderer Hinsicht. Anfang Oktober hatte das Unternehmen seinen europäischen Pressetag in Paris veranstaltet und dort auch Aditya Mittal auftreten lassen. Die Familie tritt bei solchen Gelegenheiten sonst nie auf.

Neben einem eindringlichen Appell an Europa, die Bedingungen für die Stahlproduktion nicht weiter zu verschlechtern, kündigte Aditya Mittal die Stiftung eines Innovationspreises an, der im April kommenden Jahres vergeben werden soll.
Wo? In Lothringen!

Lesen Sie auch:

Tiefrote Zahlen bei ArcelorMittal