Hirngespinst Blockchain

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Von Nouriel Roubini, Preston Byrne*

Vorhersagen, dass Bitcoin und andere Kryptowährungen scheitern werden, lösen in der Regel eine umfassendere Verteidigung der ihnen zugrundliegenden Blockchain-Technologie aus. Ja, so wird argumentiert, es stimme, dass mehr als Hälfte aller bisherigen „Initial Coin Offerings“ bereits gescheitert seien und die meisten der mehr als 1500 Kryptowährungen ebenfalls scheitern würden. Aber „Blockchain“ würde nichtsdestotrotz die Finanzwelt und die menschliche Interaktion im Allgemeinen revolutionieren.

In Wahrheit ist Blockchain eine der am meisten hochgejubelten Technologies aller Zeiten. Zunächst einmal sind Blockchains weniger effizient als bestehende Datenbanken. Wenn jemand sagt, er führe etwas per Blockchain aus, meint er damit normalerweise, dass er eine Instanz einer Softwareanwendung ausführt, die auf vielen anderen Geräten repliziert wird.

Der Speicherplatz und die Rechenleistung, die hierfür erforderlich sind, sind deutlich größer, und die Latenz höher, als im Falle einer zentralisierten Anwendung. Blockchains, die „Proof-of-Stake“- oder „Zero-Knowledge“-Technologien anwenden, machen es erforderlich, alle Transaktionen kryptografisch zu verifizieren, was diese verlangsamt. Blockchains, die „Proof-of-Work“ verwenden, wie das viele populäre Kryptowährungen tun, werfen noch ein anderes Problem auf: Sie erfordern eine enorme Menge an Energie, um sie sicher zu machen. Dies erklärt, warum das „Bitcoin-Mining“ in Island in diesem Jahr mehr Energie verbrauchen dürfte als alle isländischen Haushalte zusammen.

Blockchains können in Fällen sinnvoll sein, in denen der Kompromiss zwischen Geschwindigkeit und Verifizierbarkeit sich tatsächlich lohnt. Aber auf diese Weise wird die Technologie selten vermarktet. Wenn Kapitalanlagen in Blockchain propagiert werden, dann in der Regel mit wilden Versprechungen, komplette Branchen wie etwa das Cloud-Computing umzustoßen. Die offensichtlichen Beschränkungen der Technologie bleiben dabei freilich unerwähnt.

Man denke etwa an die vielen Unternehmungen, die auf der Behauptung basieren, dass Blockchains ein verteilter, universeller „Weltcomputer“ seien. Diese Behauptung geht davon aus, dass Banken, die schon jetzt täglich effiziente Systeme zur Verarbeitung von Millionen von Transaktionen einsetzen, einen Grund zum Umstieg auf eine deutlich langsamere und weniger effiziente einzelne Kryptowährung hätten. Dies widerspricht allem, was wir über die Nutzung von Software in der Finanzbranche wissen. Finanzinstitute, insbesondere solche, die sich im algorithmischen Handel engagieren, sind auf eine schnelle und effiziente Transaktionsverarbeitung angewiesen. Für ihre Zwecke wäre eine einzelne, global verteilte Blockchain wie Ethereum völlig unnütz.

Eine weitere falsche Annahme ist, dass Blockchain so etwas Ähnliches wie ein neues, universelles Protokoll darstellt, so wie TCP-IP oder HTML das für das Internet waren. Derartige Behauptungen implizieren, dass diese oder jene Blockchain künftig als Grundlage für den größten Teil der weltweiten Transaktionen und Kommunikation dienen werde. Auch dies ergibt nicht viel Sinn, wenn man bedenkt, wie Blockchains tatsächlich funktionieren. Zunächst einmal stützen sich Blockchains selbst auf Protokolle wie TCP-IP; daher ist unklar, wie sie je als deren Ersatz dienen sollten.

Darüber hinaus sind Blockchains anders als Basisprotokolle „stateful“ (zustandsorientiert), das heißt sie speichern jede gültige Nachricht, die je an sie geschickt wurde. Infolgedessen müssen gut konzipierte Blockchains die Beschränkungen der Hardware ihrer Nutzer berücksichtigen und sich vor Spam schützen. Dies erklärt, warum Bitcoin Core, der Bitcoin-Software-Client, nur 5-7 Transaktionen pro Sekunde verarbeitet. Visa verarbeitet im Vergleich dazu zuverlässig 25.000 Transaktionen pro Sekunde.

Genauso wenig, wie wir alle weltweiten Transaktionen in einer einzigen zentralisierten Datenbank speichern können, werden wir das in einer einzigen verteilten Datenbank tun. Tatsächlich ist das Problem der „Blockchain-Skalierung“ noch immer mehr oder weniger ungelöst, und das dürfte noch lange so bleiben.

Obwohl wir ziemlich sicher sein können, dass Blockchain TCP-IP nicht verdrängen wird, könnte eine bestimmte Blockchain-Komponente – wie etwa Tezos‘ oder Ethereums „Smart Contract Languages“ -irgendwann einen Standard für bestimmte Anwendungen setzen, genau wie Enterprise Linux und Windows das für PC-Betriebssysteme getan haben. Doch Wetten auf eine bestimmte „Coin“, wie sie derzeit von vielen Anlegern getätigt werden, sind nicht dasselbe wie Wetten auf die Übernahme eines größeren „Protokolls“. Angesichts dessen, was wir über die Verwendung von Open-Source-Software wissen, gibt es wenig Grund zu der Annahme, dass sich der Wert spezieller Blockchain-Anwendungen für die Unternehmen direkt in nur einer oder ein paar Coins niederschlagen wird.

Eine dritte falsche Behauptung betrifft das utopische „trustless system“, das Blockchain angeblich hervorbringen wird, indem es die Notwendigkeit von Finanzmittlern oder anderen vertrauenswürdigen Gewährsorganisationen beseitigt. Dies ist aus einem einfachen Grund absurd: Jeder heute bestehende Finanzvertrag lässt sich von den Vertragsparteien entweder ändern oder bewusst brechen. Diese Möglichkeiten durch ein rigides „trustless system“ weg zu automatisieren, ist aus kaufmännischer Sicht nicht praktikabel, nicht zuletzt, weil es erfordern würde, alle Finanzverträge zu 100% geldlich zu besichern, was aus Kapitalkostenperspektive verrückt ist.

Darüber hinaus erweist sich, dass viele vermutlich geeignete Blockchain- Anwendungen im Finanzsektor – etwa bei der Sekurisierung oder der Überwachung der Lieferkette – doch Mittler erfordern, weil es zwangsläufig Situationen geben wird, in denen unvorhergesehene Umstände eintreten, die eine Ermessensausübung erfordert. Das Wichtigste, was Blockchain in einer derartigen Situation tun wird, ist sicherzustellen, dass alle Parteien an der Transaktion miteinander über ihren Status und ihre Verpflichtungen einig sind.

Es ist höchste Zeit, den Hype zu beenden. Bitcoin ist ein langsamer, energieineffizienter Dinosaurier, der nie imstande sein wird, Transaktionen so schnell oder preiswert zu verarbeiten wie eine Excel-Tabellenkalkulation. Ethereums Pläne für ein unsicheres Proof-of-Stake-Authentifizierungssystem werden es anfällig für die Manipulation durch einflussreiche Insider machen. Und Ripples Technologie für grenzüberschreitende Finanztransfers zwischen Banken wird schon bald durch SWIFT – ein Blockchain-freies Konsortium, das schon jetzt von allen großen Finanzinstituten genutzt wird – obsolet gemacht werden. In ähnlicher Weise werden zentralisierte elektronische Zahlungssysteme, bei denen praktisch keine Transaktionskosten entstehen – zum Beispiel Faster Payments, AliPay, WeChat Pay, Venmo, PayPal und Square – schon jetzt von Milliarden Menschen weltweit genutzt.

Die heutige „Coin-Manie“ ist nicht viel anders als die Eisenbahnmanie zu Beginn der Industriellen Revolution Mitte des 19. Jahrhunderts. Für sich allein ist Blockchain nicht besonders revolutionär. In Verbindung mit der sicheren dezentralen Automatisierung von Finanz- und Maschinenprozessen jedoch kann es potenziell weitreichende Implikationen haben.

Letztlich werden die Einsatzmöglichkeiten von Blockchain auf bestimmte, klar definierte und komplexe Anwendungen beschränkt sein, bei denen Transparenz und Manipulationssicherheit wichtiger sind als Geschwindigkeit – zum Beispiel die Kommunikation mit selbstfahrenden Autos oder Drohnen. Was die meisten Coins angeht, so unterscheiden sich diese kaum von den Eisenbahnaktien der 1840er Jahre, die scheiterten, als jene Blase – wie die meisten Blasen – platzte.

*Nouriel Roubini ist CEO von Roubini Macro Associates und Professor für Ökonomie an der Stern School of Business der New York University. Preston Byrne ist am Adam Smith Institute und Alleingesellschafter von Tomram Consulting.

Copyright: Project Syndicate, 2018.

 

L.S
6. März 2018 - 22.12

Was für ein Gerede! Eine Ansammlung von Begriffen, die 99% der Leser nicht nachvollziehen können.