Die Finanzwelt wird grüner werden

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In naher Zukunft wird die europäische Finanzwelt deutlich grüner werden als sie es heute ist. Und das, ob sie es will oder nicht. Das ist eine der Erkenntnisse, die beim ersten „Tag der grünen Finanzen“, den das Beratungsinstitut PwC organisiert hatte, herauskamen.

Wer Kunde bei einer Bank ist, der kann sich wahrscheinlich noch erinnern: Irgendwann in den letzten Monaten wurde er von seiner Bank gebeten, einen Zettel zu seinem Risiko-Appetit bei Geldanlagen auszufüllen. An die Ergebnisse dieses Eintrags müssen sich die Bankberater dann halten, wenn sie das Geld des Kunden anlegen.

In naher Zukunft soll diese sogenannte Mifid-Regelung erweitert werden. Ein Aspekt „Umwelt, Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung“ (SRI) soll hinzukommen.
Erste konkrete Vorschläge, wie genau dies aussehen soll, will die EU-Kommission bis Ende März vorstellen, erklärte Julie Becker von der Luxemburger Börse. Sie ist Mitglied in der „High-Level Expert Group on Sustainable Finance“, auf deren Vorschläge sich die EU-Kommission basieren will.

Planet retten und Geld verdienen

Was nun nur nach einem kleinen administrativem Schritt klingt, kann Europas Finanzwelt langfristig jedoch stark verändern. Sollten nämlich viele Kunden ankreuzen, dass Themen wie Umwelt, Nachhaltigkeit oder soziale Verantwortung für sie wichtig sind … dann ist die Bank verpflichtet, deren Gelder nur in solche Finanzprodukte anzulegen. Das bedeutet, dass die Nachfrage nach solchen Produkten steigern wird. Laut den Regeln der Marktwirtschaft werden dann die Finanzinstitute auch mehr solcher Produkte (etwa Investmentfonds) auflegen.

Die EU-Kommission verfolge drei Ziele, erklärte Julie Becker weiter: So sollen die Kapitalflüsse in Richtung SRI umgeleitet werden; Nachhaltigkeit soll Einzug ins Risikomanagement halten; alles soll transparenter werden und die Finanzwelt soll langfristig denken (nicht nur in Quartalen). Die Unternehmenskultur in den Firmen müsse sich verändern. Direktoren sollen dazu verpflichtet werden, im langfristigen Interesse der Unternehmen zu handeln. „In Zukunft können wir mit neuen Gesetzen rechnen“, sagte sie voraus. „Und die werden wahrscheinlich zu wahren Veränderungen in der Finanzwelt führen.“

Die Herausforderung wird sein, sicherzustellen, dass „wo grün draufsteht, auch grün drin ist“, betonte sie. Doch auch zu diesem Thema will die Kommission Vorschläge vorlegen. Es gilt, Definitionen auszuarbeiten und möglicherweise ein Label festzulegen. Betreffende Daten sollen dann auch vorhanden sein und zugänglich sein. Die Vertreter der Finanzwelt, die am Donnerstagabend bei PwC zugegen waren, finden dies überaus positiv. Sie sehen neue Produkte als neue Chance, um Geld zu verdienen. Sie wollen, dass Luxemburg möglichst schnell mit auf den Zug aufspringt, und dass sich der Erfolg, den Luxemburg mit der schnellen Umsetzung der Ucits-Direktive hatte, wiederholen könnte.

Neue EU-Regeln sind in Sichtweite

Und die Regierungen Europas wollen, dass möglichst viele Finanzinstitute mit auf den Zug der „green finance“ aufspringen. Schätzungsweise benötigt Europa drei Trillionen Euro pro Jahr, um die in Paris gesetzten Klimaziele zu erreichen. Es gilt, eine wahre Masse an Projekten zu finanzieren. „Der Staat allein kann das nicht stemmen“, so Julie Becker. „Ohne Geld kann man träumen, aber nicht handeln. Und wir können nicht behaupten, wir hätten nichts gewusst.“

Luxemburg ist bereits sehr gut unterwegs im Bereich der „green finance“. So hat beispielsweise die Luxemburger Börse ein spezielles Segment für „grüne Anleihen“ aufgebaut. Hier sind derzeit rund die Hälfte aller grünen Anleihen der Welt gelistet (was jedoch einen verschwindend geringen Prozentsatz aller Anleihen darstellt). Im Jahr 2007 legte die Europäische Investitionsbank EIB die weltweit erste grüne Anleihe in Luxemburg auf.

Auch setzen sich einige Regierungsmitglieder aktiv für die Förderung dieses Finanzbereichs ein. So ließen Umweltministerin Carole Dieschburg und Finanzminister Pierre Gramegna es sich nicht nehmen, ihre Rede gemeinsam zu halten.

„Das zeigt, dass wir – als Regierung – das Thema zusammen angehen“, so die Umweltministerin. „In Paris haben die Staaten anerkannt, dass unser Wirtschaftssystem – sowohl für die Umwelt als auch im Sozialen – nicht nachhaltig ist. Wir müssen handeln, und das dringend.“ Man versuche, als Land gute Rahmenbedingungen für grüne Finanzen zu schaffen. Es sei einfach naheliegend für Luxemburg, den Finanzplatz zu nutzen, um mehr erreichen zu können, unterstrich Pierre Gramegna. „Bis 2030 wollen wir die ausgestoßenen Abgase um 40 Prozent senken. Das benötigt viel Geld. Das ist eine große Chance“, sagte die Umweltministerin weiter.

Bereits jetzt seien die Hälfte aller Mikrofinanzfonds der Welt, ein Drittel aller Klima-Fonds und ein Drittel aller sozial verantwortlichen Fonds in Luxemburg registriert, so der Finanzminister. „Wir sind sehr aktiv und haben früh begonnen“, sagte Gramegna.

Neue Luxemburger Erfolgsgeschichte

Und für die Luxemburger Börse fand er starkes Lob: „Ihr habt der Welt vorgegriffen und letztes Jahr ein Wachstum von 70 Prozent verbucht. Eine neue Luxemburger Erfolgsgeschichte.“ Und es gehe um die Zukunft unseres Planeten.

Zudem werde man nicht stehenbleiben, versprach der Minister. Ein spezielles Gesetz über grüne Anleihen wurde bereits geschrieben. Er hofft, dass es noch in diesem Jahr Wirklichkeit werden könnte. „So etwas gibt es auf der ganzen Welt noch nicht.“

Thorsten Schmidt von der NordLB Covered Bank kann es nicht erwarten. Ein paar Monate, nachdem das Gesetz da ist, will er neue Produkte auf den Markt bringen, grüne Projekte finanzieren und eine neue Generation grüner Anleihen schaffen.

„Manche Leute reden im Rahmen der Digitalisierung davon, dass wir ein Viertel der Jobs, die es in fünf Jahren geben wird, noch nicht kennen“, sagte Gramegna. „So sieht es auch bei den grünen Finanzen aus.“ Zudem sagte er voraus, dass die Bereiche „green finance“ und FinTech (vor allem Blockchain) irgendwann miteinander verschmelzen werden.
Beim Luxemburger Investmentfondsverband ALFI kommen all diese Ideen und Projekte gut an. „Der Bereich Mikrofinanz könnte als Beispiel dienen“, meinte Anouk Agnes ganz praktisch. Und auch die staatlichen Fördermaßnahmen (etwa keine „taxe d’abonnement“ auf Mikrofinanzfonds) könnten auf grüne Produkte ausgeweitet werden.


Ein Geschäftsplan mit nur Gewinnern

Auf der Veranstaltung von PwC wurde am Donnerstagabend mit einem Beispiel gezeigt, wie der Finanzplatz mithelfen kann, die Welt zu verbessern. Es geht um eine Firma aus Australien, die weltweite Ziele verfolgt und sich über einen Luxemburger Investmentfonds finanziert.

„Wir haben eine Lösung“, so Nev Hyman von der Firma Nev-House. Er nutzt alle Arten von Plastikmüll, um günstige Häuser (die nach Legoprinzip aufgebaut werden können) herzustellen. Diese können Menschen beispielsweise nach einer Naturkatastrophe erhalten und innerhalb von fünf Tagen selber aufbauen. Auch an Wasser und an (erneuerbare) Energie wurde gedacht. Ein Test-Dorf gibt es bereits. Er sieht weltweit eine potenzielle Nachfrage für mehrere Hundert Millionen Häuser. Mit dem Luxemburger Fonds hofft er, die für das Projekt notwendigen 200 Millionen Euro einzusammeln. Er ist überaus zuversichtlich, dass es klappen wird.

Mit dem Geld will Nev Hyman weltweit vier bis sechs Vorzeigefabriken errichten. Drei Standorte hat er bereits im Blick: Australien, Dubai und Luxemburg.
Vor allem hat er jedoch Entwicklungsländer im Visier. Im Umfeld der Fabriken würde er dann kleine Maschinen verteilen, mit denen die Menschen Plastikmüll selber zermalmen können. „Denen bieten wir dann 100 bis 200 Dollar für eine Tonne. So könnte eine Familie bis zu 800 Dollar im Monat verdienen“, erläuterte er. „Und gleichzeitig ziehen die Menschen freiwillig umher und halten die Umwelt sauber.“