Der verkannte Gewerkschafter

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Alexa Lepage, Wirtschaftsredakteurin im Tageblatt. hat am Mittwochabend in der Handelskammer den Journalistenpreis der Citibank erhalten. Nachfolgend ihr Beitrag, der am 23. Februar 2009 im Tageblatt erschienen ist und für den sie ausgezeichnet worden ist..

Adam Smith wird gerne als Liberaler angesehen. Er war ein Verfechter des Freihandels. Deshalb führen ihn neoliberale Wirtschaftsverfechter oft an, wenn es um Lockerungen am Markt geht .Was nur wenige wissen, ist, dass er auch den Schutz der Arbeiter und die Legalisierung von Arbeiterorganisationen befürwortete.

Adam Smith gilt als Begründer der klassischen Nationalökonomie. Er war der erste Moralphilosoph, der sich mit der Wirtschaft auseinandersetzte. Er prägte Begriffe wie Angebot und Nachfrage, Arbeitsteilung und „die unsichtbare Hand“.

Smith wurde 1723 im schottischen Kirkcaldy in der Nähe von Edinburgh geboren. Sein Vater starb vor seiner Geburt. Smith hatte daher ein sehr enges Verhältnis zu seiner Mutter. Er war ein zerstreutes Kind und er soll später als Professor im Schlafrock in den Straßen von Edinburgh gesichtet worden sein.
Nachdem er in Glasgow und Oxford studiert hatte, wurde er 1750 Professor für Logik an der Universität Glasgow. 1752 wechselte er auf den Lehrstuhl seines früheren Lehrers Francis Hutcheson – einer der führenden Vertreter der schottischen Aufklärung. Sieben Jahre später veröffentlichte er sein erstes großes Werk, die „Theorie der ethischen Gefühle“.

Die Veröffentlichung verschaffte ihm in kurzer Zeit großes Ansehen. Smith beschäftigt sich mit der menschlichen Natur und dem Leben in der Gesellschaft. Sympathie und Werturteil sind zentrale Begriffe seiner Theorie. „Mag man Menschen für noch so egoistisch halten, es liegen doch offenbar gewisse Prinzipien in seiner Natur, die ihn dazu bestimmen, an dem Schicksal anderer Anteil zu nehmen.“

Unsichtbare Hand

Damit grenzt er sich vom Philosophen Thomas Hobbes ab, der den Menschen für rücksichtslos selbstsüchtig erklärt hatte. Für Smith ist das eine Fehleinschätzung: „Beseitigt man alle Systeme der Begünstigung und Beschränkung, so stellt sich von selbst das klare und einfache System der natürlichen Freiheit ein. Solange der Einzelne nicht gegen die Gesetze der Gerechtigkeit verstößt, lässt man ihm völlige Freiheit, sein Interesse in der ihm genehmen Weise zu verfolgen.“

Indem jeder Einzelne seine Interessen verfolgt, handelt er gleichzeitig im Interesse der Allgemeinheit. Das war seine tiefe Überzeugung.
Dabei wird er laut Smith von einer „unsichtbaren Hand“ geleitet. Das Lob des Eigeninteresses stand bereits bei Aristoteles: Jeder strengt sich mehr an, wenn er den Lohn seiner Anstrengungen auch selbst ernten kann.

Die „Theorie“ beeindruckte den Stiefvater des Herzogs von Buccleuch dermaßen, dass er Smith einen Posten als Privatlehrer für seinen Zögling anbot. 1764 reiste Smith für zwei Jahre mit seinem Lehrling nach Frankreich.
Er lernte französische Aufklärer kennen: Voltaire, Diderot, Quesnay …

Nach seiner Rückkehr arbeitete er an seinem zweiten großen Werk: „Der Wohlstand der Nationen“. Es erschien 1776 und hatte noch einen größeren Erfolg als die „Theorie“. Das Werk gilt als Beginn der modernen Wirtschaftswissenschaft.

Smith beschäftigt sich erneut mit den gesellschaftlichen Auswirkungen egoistisch motivierten Handelns. Er analysiert zwei menschliche Eigenschaften. Einerseits seien alle Menschen daran interessiert, „ihre Lebensbedingungen zu verbessern“. Andererseits –  oder vielleicht deshalb – habe der Mensch eine natürliche „Neigung zum Tausch und Handel“.

Die Quelle des Reichtums ist jedoch für Smith die menschliche Arbeit – und nicht der Handel, wie frühere Theorien es annehmen. Der Wohlstand einer Nation ist dem Fleiß der Arbeiter zu verdanken. Letztere haben allerdings eine unglückliche Situation: Sie müssen das Produkt ihrer Arbeit mit den Grundherren und den Kapitaleignern teilen.

Smith sieht die in seiner Zeit aufstrebenden „Kapitalisten“ einerseits als Motor des Fortschritts, andererseits warnt er vor ihrer Selbstsucht. Der Staat dürfe nicht zu sehr auf sie hören, denn sie verfolgen ihr Eigeninteresse. Und das stimmt nicht mit dem Allgemeininteresse und dem Wohl der Nation überein.
Deshalb kritisiert Smith die Gutsbesitzer, die ihr Land gegen Geld verpachten. Er sieht darin einen „Abzug“ vom Arbeitsertrag. Das Gleiche gilt für den Profit aus Kapital. Das Kapital entsteht durch Sparen und Investieren, während durch den Profit mehr Kapital entsteht. Der nationale Wohlstand wächst – und das kommt auch den Arbeitern zugute.

Der als liberal verschriene Smith beschäftigte sich gründlich mit dem Schicksal der Arbeiter. Er sieht den Vorteil des Kapitalismus – gegenüber anderen Gesellschaftsformen – darin, dass die Lage der Arbeiter sich verbessert.

Die Arbeiter besitzen nur ihre Arbeitskraft. Demnach hängt ihre Beteiligung am Reichtum davon ab, ob und zu welchem Lohn sie Arbeit finden. Dabei sind die Unternehmer im Vorteil, denn da sie „der Zahl nach weniger (sind), können (sie) sich viel leichter zusammenschließen. Von solchen Zusammenschlüssen sei zwar wenig zu hören, das war aber laut Smith gängige Praxis. Schlechte Jahre sind für Unternehmer positiv für ihre Beziehungen zu ihren Arbeitern, die „bescheidener und fügsamer“ sind.

Arbeiterschutz und hohe Löhne

Adam Smith plädierte für die Legalisierung von Arbeiterorganisationen, für Arbeiterschutz und hohe Löhne. „Dienstboten, Tagelöhner und Arbeiter bilden die Masse der Bevölkerung, sodass man deren verbesserte Lage wohl niemals als Nachteil für das Ganze betrachten kann. Und ganz sicher kann keine Nation blühen und gedeihen, deren Bevölkerung weithin in Armut und Elend lebt.“

Smith sieht den Ursprung des Reichtums einer Nation in der Arbeitsteilung. Sie steigert das Pro-Kopf-Einkommen und führt zu einer florierenden Weltwirtschaft. Arbeit und Kapital werden besser ausgenutzt und es entsteht eine Spezialisierung. Dadurch werden neue Produktionsverfahren gefördert und es entstehen neue Produkte.

Smith denkt dabei auf Weltebene und sieht Freihandel als einzige Lösung. Er war sozusagen der Erste, der von Globalisierung sprach – und kam dadurch zu seinem liberalen Ruf.

Er hat drei Argumente für den Freihandel entwickelt:
1. Ohne Handelsbarrieren können in jedem Land die Wirtschaftszweige florieren, für die das Land sich aufgrund seiner Lage und seines Klimas eignet. Zwar könne in seiner Heimat Schottland auch Wein mithilfe von Treibhäusern angebaut werden, so Smith. Dieser würde allerdings „etwa dreißig Mal so viel kosten“ als jener der ausländischen Konkurrenz. Dieses fehlinvestierte Geld würde aus jenen Produktionszweigen abgezogen, für die Schottland prädestiniert ist, etwa die Schafszucht.

2. Der Freihandel bewahrt die Menschheit vor Hungersnöten. Smith zieht Parallelen zu einem freien Binnenmarkt zwischen verschiedenen Provinzen eines Landes, das „als bestes Mittel zur Milderung einer Verknappung und Teuerung erscheint, sondern auch als wirksamste Vorbeugung gegen eine Hungersnot“. Der Mangel in einem Land kann durch den Überfluss in einem anderen Land ausgeglichen werden.

3. Die durch den Freihandel möglich werdende Internationalisierung der Arbeitsteilung macht Handelskriege überflüssig und garantiert den Weltfrieden.
Smith hat sich auch Gedanken über die Rolle des Staates gemacht. Dieser soll sein Land gegen Angriffe anderer Länder schützen und er soll seine Bürger „vor Ungerechtigkeit oder Unterdrückung durch einen Mitbürger in Schutz nehmen“. Obwohl der Staat als Unternehmer die Ausnahme sein soll, kommt ihm die Aufgabe zu, der Unsichtbaren Hand des Marktes unter die Arme zu greifen. Ihm obliegt laut Smith die Aufgabe, „bestimmte öffentliche Anstalten und Einrichtungen zu gründen und zu unterhalten, die ein einzelner oder eine kleine Gruppe aus eigenem Interesse nicht betreiben kann, weil der Gewinn niemals die Kosten decken könnte“.

Dazu zählt er das Justizwesen, ein Verkehrsnetz und die Bildung. Konkrete Bildungsinhalte, die der Staat vorzugeben hat, macht Smith vom „Entwicklungsstand eines Gemeinwesens“ abhängig. Dieser hängt wiederum vom Stadium der Arbeitsteilung ab. Mit fortschreitender Arbeitsteilung muss der Staat eingreifen, um „Korruption und Entartung der Massen zu verhüten“.

Für Smith geht die Arbeitsteilung so weit, dass eine Mehrheit der Arbeiter täglich nur eine oder zwei Bewegungen durchführen und dadurch stumpfsinnig werden. Daher muss der Staat eingreifen und sich um die Bildung kümmern. Smith sprach sich in diesem Zusammenhang für eine Trennung von Kirche und Staat aus. Zu seiner Zeit wurden viele Schulen von den Kirchen geleitet, die die Menschen lediglich „für eine andere Welt in einem künftigen Leben vorbereiten“ und nicht für die Welt, in der sie jetzt leben.

Staat ist für Bildung zuständig

Damit der Staat diese Aufgaben erfüllen kann, braucht er Geld. Eine Geldquelle sieht Smith in der Versteigerung der Besitztümer des Königshauses. Als zweite Maßnahme sind die Bürger zu besteuern.

Die Besteuerung soll proportional zum Einkommen berechnet werden und soll genau festgelegt werden, um „Beamtenwillkür“ zu vermeiden. Steuern sollen dann eingetrieben werden, wenn der Steuerpflichtige dies am ehesten leisten kann. Um nicht unnötig Geld zu verschwenden, sollen wenige Steuerbeamte diese Aufgabe erfüllen. Smith fand es vernünftig, wenn Wohlhabende stärker belastet werden als ärmere Bürger.