Das bedingungslose Grundeinkommen

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Die Sicht des Internationalen Währungsfonds (IWF).

Die in vielen Ländern steigenden Ungleichheiten sorgen für Unruhe in der Bevölkerung. Im letzten Jahr hat sich der IWF mit dem Thema auseinandergesetzt. Vor allem versuchten die Autoren des „Fiscal Monitor“ von Oktober 2017 herauszufinden, ob das viel diskutierte bedingungslose Grundeinkommen eine mögliche Lösung sein könnte.

Doch ehe das Rechnen beginnen kann, muss vor allem festgelegt werden, was das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) überhaupt sein soll und wie hoch es sein soll.

Für den Zweck ihrer Analyse legt der IWF die Bekämpfung der Ungleichheiten und der Armut im Land als Ziel des BGE aus. Die Autoren fügen jedoch hinzu, dass ein BGE auch aus vielen anderen sozial-politischen Gründen eingeführt werden könnte. Für ihre Rechnungen entschied sich das IWF für den Wert von
25 Prozent des durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommens (Median). Auf Luxemburger Verhältnisse umgerechnet wären das in etwa 1.000 Euro pro Monat.

Im „Fiscal Monitor“ von Oktober 2017 versucht der IWF dann auszurechnen, welches die Folgen der Einführung eines solchen BGE für die Entwicklung der Ungleichheiten und der Armut in den unterschiedlichsten Ländern der Erde sein könnten. Auch beschäftigt sich der „Fiscal Monitor“ mit möglichen Finanzierungsarten eines BGE.

Wirtschaftswachstum

Bei den Ergebnissen hebt der Währungsfonds vor allem die wichtige Rolle des Wirtschaftswachstums hervor. Vor allem in Krisenzeiten mache sich das bemerkbar, da die ärmsten Schichten der Gesellschaft am härtesten getroffen werden. Doch sobald es in Ländern Wachstum gibt, sorge dieses – selbst in Staaten, in denen es immer mehr Ungleichheiten gibt – im Prinzip dafür, dass der Lebensstandard aller Gruppen steigt.

Doch diese allgemeine Wahrheit mag auf viele Schwellenländer zutreffen – für viele entwickelte Staaten entsprach sie in den vergangenen Jahren jedoch nicht mehr den Tatsachen. Hier profitieren vor allem die reichsten ein Prozent vom Wachstum. Daher stelle sich die Frage der Umverteilung auch neu.

Wichtig ist die Steuerpolitik

Und überaus wichtig in diesem Sinne sei die Steuerpolitik eines Landes, so der IWF. Sie mache „einen substanziellen Anteil“ der Unterschiede bei den Ungleichheiten zwischen den Ländern aus. In vielen entwickelten Ländern würde eine progressive Steuerpolitik (und Sozialtransfers) die bestehenden Ungleichheiten um ein gutes Drittel schrumpfen lassen.

Und diese unterschiedlichen Steuer- und Sozialpolitiken sind für den IWF schlussendlich auch ausschlaggebend dafür, ob ein BGE in einem Staat Sinn macht oder nicht. Der Währungsfonds kommt zu einem geteilten Ergebnis.

Verschlechterung für die Ärmeren

Erstens: In Ländern mit einem hoch entwickelten Sozialsystem und einer progressiven Besteuerung (Reiche zahlen mehr als Arme) wäre ein BGE nicht ratsam, so der Währungsfonds. Hier würde ein pauschaler BGE zu einer „substanziellen Verschlechterung“ der ärmeren Bevölkerungsschichten führen. Günstiger und effizienter sei es in diesen Fällen, die bestehenden Lücken im jeweiligen System zu stopfen – und mehr in Bereiche wie Bildung und Gesundheit zu investieren.

Sollten solche Länder dann doch ein BGE einführen, dann wohl aus anderen Gründen – etwa als eine Art Versicherung gegen zunehmende Jobverluste im Rahmen der fortschreitenden Digitalisierung, glaubt die Organisation.

Zweitens: In so manchen Entwicklungsländern hingegen würde die Einführung eines BGE Sinn machen, schreibt der IWF. Es biete die Möglichkeit, kurzfristig und ohne Aufbau einer Riesenverwaltung ein soziales Netz für die Bürger zu schaffen. Zudem würde dies für den Staatshaushalt der betroffenen Länder nur mit drei bis vier Prozent des BIP zu Buche schlagen. In den entwickelten Staaten wäre die Belastung für den Staatshaushalt (mit sechs bis sieben Prozent des BIP) deutlich größer.

Finanzierung

Welchen Einfluss die Einführung eines BGE dann wirklich auf den Abbau der Ungleichheiten habe, hänge schlussendlich vor allem von der Art und Weise seiner Finanzierung ab. Die Staaten könnten entweder Steuern erhöhen oder Ausgaben streichen – oder eine Mischung von beiden.

Der Währungsfonds weist weiter auf die hohe Verschuldung vieler Staaten – und damit auf den eingegrenzten Spielraum hin. Er sieht jedoch in vielen Ländern noch zahlreiche Möglichkeiten zur Einführung weiterer progressiver Steuern.

Doch bei der weltweiten Entwicklung der Steuersätze geht es laut IWF derzeit nicht in die richtige Richtung. Vor allem die Besteuerung von Einnahmen aus Kapital (welches ungleich verteilt ist) sei rückläufig. Auch die Besteuerung von Unternehmensgewinnen schrumpfe drastisch. Die Progressivität befände sich seit drei Jahrzehnten auf dem Rückzug.

Der IWF ist der Meinung, dass auch Einkommen aus Kapital „angebracht“ besteuert werden müssen, um so die allgemeine progressive Besteuerung des Einkommens abzusichern.

Des Weiteren hebt der IWF hervor, dass der Kampf gegen die Steuervermeidung verstärkt werden muss, da diese vor allem von den reichsten Menschen getätigt werde. Und der Währungsfonds unterstreicht, dass vielerorts die Steuern auf Immobilien und auf Land zu wenig benutzt würden – doch auch das seien gerechte Steuern.

In diesem Sinne weist der IWF im „Fiscal Monitor“ von Oktober 2017 mehrfach darauf hin, dass sich eine Politik für mehr Gleichheit der Einkommen und das potenzielle Wirtschaftswachstum eines Landes nicht gegenseitig ausschließen. Oft sei sogar das Gegenteil wahr, da ärmere Haushalte bekanntlich einen größeren Anteil ihres Einkommens für den Konsum im Lande ausgeben.

 

Definitionen

Das Thema Ungleichheiten kann aus vielen unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden. Zumeist wird sich in Ungleichheitsdebatten (wie auch in dieser IWF-Analyse) auf Unterschiede beim jährlichen Einkommen berufen.

Gemessen werden sie meistens mit dem Gini-Koeffizienten: Dieser hat einen Wert zwischen 0 und 1. Dabei bedeutet die 0, dass jeder exakt das Gleiche verdient, während die 1 für totale Ungleichheit steht. Bereits in die Rechnung miteinbezogen sind Steuern und Sozialtransfers.

Wie der IWF im „Fiscal Monitor“ jedoch bemerkt, gibt es eine ganze Reihe anderer Berechnungen, die ebenfalls versuchen, die Ungleichheiten in einer Gesellschaft zu messen. Dazu zählen beispielsweise Ungleichheiten beim Einkommen über ein ganzes Leben gerechnet, beim Besitz oder Ungleichheiten der Möglichkeiten.

Die letztgenannte Berechnung versucht festzustellen, welche Rolle Umstände, beispielsweise der ethnische Hintergrund eines Menschen oder die Gesellschaftsschicht, aus der die Eltern stammen, auf das Einkommen von Personen haben. Und die oben stehende Grafik zeigt, dass Luxemburg beim Thema der Einkommens-Ungleichheiten besser abschneidet als beim Thema der Ungleichheiten der Möglichkeiten.

 

Entwicklung der Ungleichheiten

Wie so oft hängt auch beim Thema Entwicklung der Ungleichheiten vieles vom Standpunkt des Betrachters ab.

Weltweit gesehen haben die Ungleichheiten zwischen den Staaten in den letzten 30 Jahren deutlich abgenommen, schreibt der IWF. Vor allem Länder wie China und Indien konnten von diesem Trend profitieren. Sie befinden sich in einer Aufholjagd mit den Industriestaaten, deren wachsender Wohlstand im 19. und 20. Jahrhundert den Rest der Welt weit hinter sich gelassen hatte. Angetrieben wurde der Wohlstandszuwachs in den ärmeren Ländern durch die Globalisierung und den technologischen Fortschritt.

Schaut man sich jedoch die Entwicklung innerhalb der Länder an, dann ergebe sich ein ganz anderes Bild, schreibt der IWF. In etwa der Hälfte aller Staaten, von denen der IWF Daten besitzt, seien die Ungleichheiten geschrumpft – bei der anderen Hälfte jedoch sind sie gestiegen. Zu dieser anderen Hälfte zählen vor allem die entwickelten Industriestaaten. Bleibt zu bemerken, dass trotz 30 Jahren Aufholjagd die weltweiten Ungleichheiten weiterhin viel höher sind als die Ungleichheiten innerhalb der unterschiedlichen Länder.

Die Experten des IWF sind jedoch der Überzeugung, dass die globalen Ungleichgewichte weiter zurückgehen werden. Im betreffenden „Fiscal Monitor“ wird eine Studie zitiert, die davon ausgeht, dass bis 2035 die Zahl der Menschen, die zwischen 2.000 und 20.000 Dollar pro Jahr verdienen, um 1,78 Milliarden zulegen werde. Die stärksten Zuwächse werden in China, Indien und in Mittel- und Südamerika erwartet.