Von wegen Sex sells: digitales Zeitalter verpasst

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Die Beate Uhse AG hat ein Insolvenzverfahren beantragt: Das Erotikunternehmen hat das digitale Zeitalter verpasst.

Die Beate Uhse AG hat beim Amtsgericht Flensburg ein Insolvenzverfahren beantragt. Das Erotikunternehmen, dessen Tochtergesellschaften nicht betroffen sind, hatte das digitale Zeitalter verpasst.

Von Ulrich Glauber

Alles begann mit einer Aufklärungsfibel über die „Knaus-Ogino“-Verhütungsmethode. Der 26-jährigen Kunstflugpilotin Beate Uhse, die nach dem Krieg nicht mehr in ihrem erlernten Beruf arbeiten konnte, verschaffte der Verkauf Tausender dieser Broschüren 1946 das Startkapital für ihren „Betu“-Versand. 1951 gründete die Geschäftsfrau das Versandhaus Beate Uhse.

Das „Spezial-Versandhaus für Ehe- und Sexualliteratur und für hygienische Artikel“ versorgte zu Beginn der 60er Jahre unterstützt von der Konsumfreudigkeit des Wirtschaftswunders 5 Millionen Kunden. 1961 eröffnete Beate Uhse dann in Flensburg den ersten Sex-Shop der Welt. Jetzt hat das Erotikunternehmen beim Amtsgericht Flensburg ein Insolvenzverfahren beantragt.

Leben von Beate Uhse wurde verfilmt

Die verklemmte Moral der frühen Bonner Republik machte Beate Uhse zu einer Vorkämpferin der sexuellen Befreiung. Gleichzeitig blieb sie lange Zeit die Zielscheibe spießiger Bigotterie: Über 2000 Anzeigen sollen bis 1992 gegen ihr Unternehmen eingereicht worden sein. In ihrer Wahlheimat Flensburg durfte sie sich zu ihrem 80. Geburtstag ins Goldene Buch eintragen, eine Ehrenbürgerschaft blieb der begehrten Steuerzahlerin allerdings versagt. Dabei ist das Leben der Erotikvorkämpferin sogar in einem Film mit Franka Potente verewigt worden.

Börsengang war der Höhepunkt

Die Marke Beate Uhse ist lange Zeit Synonym für den Verkauf von Erotikartikeln gewesen. Den Höhepunkt des Erfolgs ihres Unternehmens erlebte die Gründerin zwei Jahre vor ihrem Tod in einer St.Galler Klinik. Wenige Tage nach dem Börsengang der Beate Uhse AG am 27. Mai 1999, bei dem leichtbekleidete Models am Parkett Busen aus Schokolade verteilt hatten, schnellte der Wert der Aktie von 13,50 Euro auf über 28 Euro nach oben. Inzwischen notiert das Papier bei 9 Cent. Begehrt als Sammlerobjekte bleiben nur die gedruckten Scheine, die zwei nahezu nackte Mädchen zieren. Die Papiere sind im Online-Handel fast 35 Euro wert.

Der Niedergang des Konzerns mit seinen drei Geschäftsbereichen Einzelhandel, Versandhandel und Großhandel war schon seit geraumer Zeit abzusehen. Im Oktober hatte das Unternehmen eine Gewinnwarnung herausgeben müssen. Bei einem erwarteten Umsatz von 103 Millionen Euro werde sich der Verlust vor Steuern und Zinsen in diesem Geschäftsjahr nicht auf 1,0 bis 2,0 Millionen Euro, sondern auf 6,2 Millionen Euro belaufen. Inzwischen ist von einem Verlust in zweistelliger Millionenhöhe die Rede. Der Geschäftsbericht, der nach wiederholten Verschiebungen am 19. Dezember vorgelegt werden sollte, ist nach dem Insolvenzantrag obsolet geworden.

An Gratis-Internetpornos gescheitert

Notwendig wurde der Insolvenzantrag, von dem die Tochterfirmen nicht betroffen sind, weil Verhandlungen über die Umschuldung einer Unternehmensanleihe über 30 Millionen Euro zum stolzen Zinssatz von 7,75 Prozent erfolglos blieben. Die Investoren – darunter die Investmentgesellschaft Consipio um den niederländischen Aufsichtsratschef Gerard Cook wollten offenbar kein Geld mehr in ein Fass ohne Boden werfen. Gelackmeiert sind die Schleswig-Holsteiner Sparkassen, die rund 13 Prozent der Aktien halten, und selbstverständlich die Zeichner der Anleihe.

Die Gründe für die Insolvenz des Unternehmens mit seinen 345 Mitarbeitern in sieben europäischen Ländern sind teils der Digitalisierung geschuldet, teils hausgemacht. Die gesamte Branche hat zu kämpfen, da Gratis-Pornos im Internet die Preise verderben. Beobachter sind der Meinung, dass Beate Uhse zu spät auf die Hardcore-Kabinen in seinen Sexshops verzichtet hat. Zu spät seien die Bemühungen um neue Kundinnen gekommen – darunter muslimische Frauen, für die seit Sommer 2014 gemeinsam mit dem niederländischen Jungunternehmen El Asira mit der Scharia konforme Erotikartikel angeboten wurden.