Von Fitness, Geschicklichkeit und Denkvermögen: Curling in Luxemburg

Von Fitness, Geschicklichkeit und Denkvermögen: Curling in Luxemburg
Foto: Fabrizio Pizzolante

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Ab Samstag nimmt Luxemburg an der Mixed-WM in Aberdeen teil, bei der nicht weniger als 40 Nationen am Start sind. Um ihre Sportart auch im Großherzogtum bekannter zu machen, sind die Verantwortlichen in den letzten Monaten neue Wege gegangen.

Montagabend auf Kockelscheuer: Während sich auf der öffentlichen Eispiste die Hobbyläufer noch an ihren Pirouetten versuchen, wird auf der anderen Seite der Halle die Eisfläche fleißig mit dem Besen gewischt. Rund ein Dutzend Mitglieder des Curling Club Luxemburg sind zum Training eingetroffen, von der erst 17-jährigen Schülerin bis hin zum Pensionär.

Gleich mehrere Generationen stehen an diesem Abend gemeinsam auf dem Eis. Die Stimmung wirkt familiär, Berührungsängste durch die teils erheblichen Altersunterschiede sind nicht zu spüren. „Curling ist eine Sportart, die man von 8 bis 88 ausüben kann“, scherzt Alex Benoy mit Vermerk auf die eigentlich typische Altersangabe bei Gesellschaftsspielen. Der Mann in der auffällig rot-weiß-gemusterten Hose ist der Präsident der luxemburgischen Curling Union und stolz darauf, dass man in den letzten Monaten direkt mehrere junge Leute hinzugewinnen konnte.

Curling, das ist eigentlich eine dieser typisch olympischen Sportarten, die nur alle vier Jahre in den Fokus der breiteren Öffentlichkeit rückt. Dabei ist die Disziplin, die auch gerne als „Schach auf dem Eis“ bezeichnet wird und schon 1924 als Demonstrationssportart bei Olympia dabei war, erst seit Nagano 1998 offiziell im Programm. Inzwischen kommt keine andere Sportart auf mehr Wettkampftage auf der größten aller Sportbühnen – in Pyeongchang 2018 waren es immerhin 18. Die großen Nationen heißen Kanada, Schottland, Norwegen oder auch Schweden.

Schulen als Nachwuchspflaster

Dass auch Luxemburg eines von inzwischen 61 Ländern ist, das dem Weltverband, der „World Curling Federation“, angehört, ist im Großherzogtum wohl nur den Wenigsten bekannt. So erging es auch Virginie Hansen. Die Schülerin aus dem Lycée Robert-Schuman ist eines der neusten Mitglieder, einen Tag zuvor hatte sie ihren ersten internationalen Wettkampf im belgischen Zemst beendet.

Der 17-Jährigen hatte es eigentlich der Fußball angetan, durch die Schule kam sie zum ersten Mal in Kontakt mit dem Curling: „Wir haben es im Sportunterricht ausprobiert, durften auch auf das Eis auf Kockelscheuer. Es hat mir auf Anhieb gefallen, vor allem die Präzisionsarbeit, die das Ganze erfordert, der Aspekt der Physik auf dem Eis.“ Für die Schülerin die perfekte Abwechslung, inzwischen übt sie beide Sportarten aus, für sie genau die richtige Mischung: „Nach dem Curling-Turnier bin ich froh, auch mal wieder gegen den Ball treten zu dürfen und ein paar Tage später dann wieder diese familiäre Atmosphäre in der Eishalle zu genießen.“ Ihre Teamkolleginnen vom Fußball-Club können mit ihrer zweiten Sportart hingegen nicht so viel anfangen: „Ich glaube nicht, dass überhaupt alle wissen, was Curling eigentlich ist.“

Foto: Fabrizio Pizzolante

 

Taktische Aspekte

Seit 1976 gibt es den „Curling Club“ in Luxemburg, es ist bis heute der einzige im Großherzogtum. Jahrelang verblieb man bei mehr oder weniger 20 Aktiven, doch in den letzten Monaten ist Bewegung eingekehrt, wie Benoy erklärt: „Inzwischen zählen wir um die 35 Mitglieder“, ein kleiner „Boom“ demnach. Die Verantwortlichen der Sportart hatten sich in letzter Zeit Gedanken gemacht, wie man den Bekanntheitsgrad des Curling steigern und besonders das Interesse bei den Jüngeren wecken könne. Es entstand die Idee, in den Schulen in Luxemburg Präsenz zu zeigen, nicht zuletzt bei den Sportlehrern, etwas, das die Präsidentin des Clubs, Karen Wauters, stark vorantrieb.

Auch Studenten von der Uni Luxemburg oder der Lunex-Universität probierten in den letzten Monaten das Curling aus. Drei Schülerinnen und zwei Studenten wurden so alleine dadurch hinzugewonnen. „Vor allem bei Mathematik- und Physikstudenten finden wir Beachtung, da sie die taktischen Aspekte, wie etwa das Berechnen der Winkel, in denen der Stein platziert werden soll, fasziniert“, meint die gebürtige Kanadierin, die kurioserweise nicht in ihrem Heimatland, sondern in Luxemburg auf den Geschmack des Curling kam.

Auch andere Projekte schweben der engagierten Wauters vor: „Curling ist eine inklusive Sportart und deswegen wollen wir auch das Rollstuhl-Curling hier in Luxemburg voranbringen, die Anlage auf Kockelscheuer ist hierfür ideal, da das Eis auch für körperlich beeinträchtigte Menschen einfach zugänglich ist.“ Und auch Firmen können sich anmelden, um abends einmal bei einer Partie Curling an ihrem „Team-Spirit“ arbeiten.

Einfach, von wegen!

Was im Fernsehen so einfach aussieht, ist es allerdings keinesfalls. Curling erfordert Fitness, Geschicklichkeit und taktisches Denkvermögen. Bis zu 2,5 Kilometer kann ein Spieler gut und gerne mal während einer Partie zurücklegen, durch das Wischen des Eises kommt man auch bei den kalten Temperaturen in der Eishalle schon  mal gerne ins Schwitzen.

Will man den Stein dann bestmöglich im Spiel platzieren, ist bei der Steinabgabe ebenfalls Geschick gefragt. Aus den Beinen heraus – ähnlich wie beim Start eines Sprints – versucht der Spieler, den nötigen Schwung mit aufs Eis zu bringen, dabei gilt es, das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Eine Bewegung, die einen Muskeln im Kniebereich spüren lässt, die man sonst eher kaum trainiert.

Teams wie Familien: Manchmal nicht nur metaphorisch

In welchem Winkel der Stein schlussendlich platziert werden soll, entscheidet der Kapitän des Teams – genannt Skip – der sich für die Taktik verantwortlich zeigt. Mannschaftsgeist ist dabei entscheidend, wie Karen Wauters erklärt: „Die besten Teams der Welt sind die, die sich schon lange kennen und vertrauen, nicht selten sind es Familienmitglieder.“ Das Fair Play wird beim Curling ebenfalls großgeschrieben. Verpönt ist es, zu jubeln, wenn der Gegner einen Fehler macht. Schiedsrichter gibt es übrigens nicht. Fair auch in dem Sinn, dass nicht wie bei anderen Sportarten fast ausschließlich die großen Nationen Entscheidungen treffen. Ohne die Stimmen der kleineren Länder sind keine Änderungen möglich.

Eine wesentliche, die in den letzten Jahren getroffen wurde, ist es, die Sportart dynamischer und auch für das Fernsehpublikum attraktiver zu gestalten. So wurde neben dem traditionellen Curling, in dem sich ein Team aus vier Spielern zusammensetzt, ein Doppelwettbewerb eingeführt. Das Spiel gestaltet sich hierdurch schneller, was es auch für jüngere Leute zugänglicher macht und ebenfalls für kleinere Nationen attraktiver ist, da weniger Spieler benötigt werden. Und nicht zuletzt deswegen hoffen auch die Luxemburger Curling-Spieler, dass sie in den nächsten Jahren weiter junge Talente hinzugewinnen können.