Lasset die Räder rollen

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(AFP)

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Heute startet die Tour de France 2016. Die Favoriten heißen Chris Froome, Alberto Contador und Nairo Quintana. Mit Frank Schleck und Ben Gastauer sind zwei Luxemburger am Start.

Die Tour de France 2016 beginnt heute Samstag in der Normandie am Fuße des berühmten Klosters Mont-Saint-Michel, also dort, wo der Deutsche Tony Martin vor drei Jahren das 33 km lange Einzelzeitfahren gewann und danach im Ziel vor Erschöpfung zusammenbrach.

Die erste Etappe ist diesmal nichts für Zeitfahrspezialisten, sondern sie führt über 188 Kilometer an der Küste des Ärmelkanals entlang und endet in Utah Beach – Sainte-Marie-du-Mont, wo am 6. Juni 1944 die alliierten Truppen landeten und die Befreiung einleiteten. Morgen Sonntag folgt in der Normandie die zweite Etappe von Saint-Lô über 183 Kilometer nach Cherbourg-Octeville. Hier steht zum Schluss die „Côte de la Glacerie“, ein 1,9 Kilometer langer und bis zu 14 Prozent steiler Anstieg, auf dem Programm.

Zuerst die Pyrenäen …

Wie schon 2015 bewegt sich die Tour erneut entgegen dem Uhrzeigersinn durch Frankreich. Von Granville fährt sie über Angers und Limoges in die Auvergne nach Le Lioran (5. Etappe), wo die Fahrer vor der 3,3 km langen Schlusssteigung zwei andere Schwierigkeiten bewältigen müssen.

In den Pyrenäen geht es an mehreren Tagen ans Eingemachte. Zur Einstimmung muss der Col d’Aspin im Schlussteil der Etappe zum Lac de Payolle bezwungen werden, danach folgen die schweren Teilstrecken von Pau nach Bagnères-de-Luchon (4 Berge, darunter der Tourmalet) und tags darauf von Vielha nach Andorra-Arcalis. Hier stehen auf spanischem Gebiet drei weniger bekannte, aber sehr steile Anstiege bevor, ehe die Station Arcalis auf 2.240 m angepeilt wird.

Der erste Ruhetag in Andorra kommt für die meisten zur rechten Zeit. Wenn die Batterien aufgeladen sind, fährt die Karawane über Revel und Montpellier weiter zum Mont Ventoux, der am französischen Nationalfeiertag auf die Fahrer wartet. Die Etappe, die in Montpellier startet, geht über 185 km. Die letzten 15,7 km zum Gipfel des kahlen Riesen sind im Schnitt 8,8 km steil. Der Ventoux steht zum 10. Mal auf dem Tour-Menü. Zum ersten Mal wurde er beim Sieg von Charly Gaul im Jahr 1958 befahren.
Vierundzwanzig Stunden nach der Qual an den Hängen des „Géant de Provence“ ist das erste Zeitfahren über 37 km von Bourg-Saint-Andéol nach La Caverne Pont d’Arc programmiert. Danach reiht sich Schwierigkeit an Schwierigkeit. Es gibt sowohl vor als auch nach dem zweiten Ruhetag in Bern (Dienstag, den 19. Juli) keine leichte Etappe.

… dann die Alpen

Wenn die Fahrer die Schweizer Hauptstadt verlassen haben, geht es Schlag auf Schlag. Die Tour kurvt (wohl auch für das Fernsehen) um den legendären Mont Blanc, den höchsten Berg Europas (4.810 m).
Die Ankunft am künstlichen Stausee in Finhaut-Emosson liegt auf 1.960 m, tags darauf folgt ein zweites Einzelzeitfahren am Berg von Sallanches nach Megève (17 km). Danach wartet die schwere Alpenetappe über mehrere Pässe nach Saint-Gervais Mont Blanc (Bergankunft), und zum Abschluss müssen auf der Teilstrecke von Megève nach Morzine die Gipfel des Aravis, der Colombière, des Ramaz und des steilen Joux-Plane gemeistert werden. „Qui dit mieux!“

Insgesamt führt die Tour über 21 Etappen oder 3.535 km. Direktor Christian Prudhomme spricht von neun Flach- und neun Bergetappen mit 28 Steigungen. Hinzu kommen die beiden Prüfungen gegen die Zeit (zusammen 54 km).
Wie letztes Jahr gibt es auf den Flachetappen für die drei ersten auch wieder Zeitvergütungen von 10, 6 und 4 Sekunden. Das Finale findet wie gewohnt am Sonntag, dem 24. Juli, auf den Champs-Elysées statt.

Quintanas Stunde?

Auf den ersten Blick scheint die Tour schwerer als 2015, was aber noch lange nicht besagen will, dass sie dadurch auch spannender und ausgeglichener wird. Am Ende entscheiden immer noch die Fahrer, was wo passiert.
Von der Logik her müsste man den Sieger von 2013 und 2015, Christopher Froome, zum ganz großen Favoriten stempeln. Der Engländer mit kenianischen Wurzeln ist eigenen Aussagen nach bestens in Form, er verfügt über eine starke Mannschaft mit u.a. Geraint Thomas, Mikel Landa, Sergio Henao oder Wouter Poels, die im Falle einer Schwäche des Kapitäns sogar eine Führungsrolle übernehmen könnten.
Mit Alberto Contador gehört ein weiterer früherer Doppelsieger (2007, 2009) zu den Hauptfavoriten. Der Spanier, der sich in den Bergen auf Rafal Majka, Roman Kreuziger oder Michael Valgren verlassen kann, hat die Tour bestens vorbereitet. Er gewann die Baskenland-Rundfahrt, beugte sich Chris Froome aber im Critérium du Dauphiné Libéré, der traditionellen Tour-Generalprobe. Als Dritter im Bunde der großen Favoriten gilt Nairo Quintana.

Der Kolumbianer musste sich letztes Jahr mit dem zweiten Platz zufrieden geben, was keineswegs auf eine Schwäche in Pyrenäen oder den Alpen, sondern vielmehr auf eine Unachtsamkeit bei der windigen zweiten Etappe nach Neeltje Jans zurückzuführen war. Quintana, für uns die heimliche Nummer eins, rang Froome sowohl in der Katalonien-Rundfahrt als auch in der Tour de Romandie nieder, doch behielt der Engländer in der Westschweiz die Oberhand auf der Königsetappe.

Zwei Luxemburger

Neben den drei vermeintlich „Großen“ gibt es bei dieser Tour eine Reihe Außenseiter, allen voran den Australier Richie Porte, den Franzosen Thibaut Pinot oder den Italiener Fabio Aru. Pinot soll Frankreich endlich aus der Warteschleife der Toursieger herausholen, in der es seit dem Sieg von Bernard Hinault im Jahr 1985 steckt.
Aru dagegen darf theoretisch mit der Hilfe seines Landsmanns Vincenzo Nibali rechnen. Ob dieses nach dem Giro-Sieg Nibalis gemachte Versprechen auch eingehalten wird, muss die Praxis beweisen.

Im Feld der 198 Fahrer sind mit Frank Schleck und Ben Gastauer auch zwei Luxemburger. Schleck bestreitet seine neunte Tour, dreimal fuhr er bisher in die „Top zehn“ (2011: 3,; 2009: 5,; 2008: 6.), sechsmal in die „Top 20“, zweimal steckte er verletzungsbedingt auf. Ben Gastauer beendete seine erste Tour im Jahr 2014 auf Platz 21, letztes Jahr musste er wegen Krankheit aufgeben.