Es war einmal eine Lichtgestalt

Es war einmal eine Lichtgestalt
(Tageblatt-Archiv)

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Vor einem Jahr brach die Affäre um das "Sommermärchen" über den deutschen Fußball herein. Franz Beckenbauer ist inzwischen von der Bildfläche und den Bildschirmen verschwunden.

Für den DFB ist Franz Beckenbauer immer noch „das größte Aushängeschild des deutschen Fußballs“. So lautet der Superlativ auf der Homepage des Verbandes in einem Porträt über den Ehrenspielführer der Nationalmannschaft. Aber auf die Lichtgestalt sind lange Schatten gefallen. Und wo der Kaiser heutzutage hinkommt, muss er das Recht fürchten. Beckenbauer ist alt geworden, und er ist längst nicht mehr der Alte. Freunde und Fans machen sich Sorgen: Ist der Franz ernsthaft krank?

Offiziell hört man dazu nichts. Über seinen gesundheitlichen Zustand gibt es von seinem Büro ebenfalls keine Auskunft. Auch nicht vom DFB. Kein Wort auch auf der Verbandsseite über Beckenbauers tiefen Fall im Skandal um die Weltmeisterschaft 2006 und über seine Verstrickung in dubiose Millionen-Zahlungen. Am Sonntag jährt sich der Tag, an dem das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ die ersten Enthüllungen über das „Sommermärchen“ veröffentlichte – und damit ein Beben im Land des Weltmeisters auslöste.

Nur noch die Anwälte sprechen

Franz Beckenbauer als launiger Mittelpunkt von Empfängen und Ehrungen, als vertrauensvoller Werbeträger, als TV-Gast-Kommentator – diesen Franz Beckenbauer gibt es nicht mehr. Der 71-Jährige ließ zuletzt nur noch seine Anwälte für sich sprechen, öffentliche Auftritte meidet er längst.

Zuletzt erlitt der Ruf es Weltmeister-Spielers von 1974, Weltmeister-Trainers von 1990 und Weltmeister-Organisators von 2006 einen weiteren massiven Imageschaden: Der Mythos des großzügigen Machers („Ich mache das natürlich ehrenamtlich“) ist dahin, seit bekannt wurde, dass Beckenbauer 5,5 Millionen Euro als Werbefigur für Oddset erhielt. Abgerechnet über das Konto des WM-OK. Der staatliche Sportwettanbieter war Nationaler Förderer der Fußball-WM. Der Vertrag wird vom DFB und von Beckenbauer vertraulich gehandelt.

Des „Kaisers“ neue Kleider sind befleckt

Auch wenn seine Anwälte ein Fehlverhalten bestreiten: Des „Kaisers“ neue Kleider sind noch mehr befleckt. «Das hat er nicht verdient», kommentierte der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger die jüngsten Schlagzeilen. «Das hat er nicht verdient» – keinen Satz hört man aus der Fußballszene öfter, wenn es um «den Franz» geht, mit dessen Anwesenheit man sich über Jahrzehnte hinweg geschmückt hat. Klar ist inzwischen: Er hat verdient – und das nicht schlecht.

Bis vor wenigen Monaten, so schrieb die „Frankfurter Rundschau“, war Beckenbauer der „unumstritten wichtigste und weltweit bekannteste, ja auch beliebteste Repräsentant“ des DFB. Noch zu seinem 70. Geburtstag im September 2015 nannte ihn Ligapräsident Reinhard Rauball „ein Geschenk für den Fußball“, Günter Netzer „das größte Glück des deutschen Fußballs“.

Noch ist Beckenbauer Ehrenspielführer des DFB und auch Ehrenpräsident des FC Bayern München. Die Schweizer Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn und weitere Mitglieder des Organisationskomitees der Fußball-WM 2006. Der Verdacht lautet: Betrug, ungetreue Geschäftsbesorgung, Geldwäscherei, Veruntreuung. Es geht um jene dubiose Überweisungen von 6,7 Millionen Euro zuerst nach Katar an Skandalfunktionär Mohamed bin Hammam und dann über das WM-Ok und die FIFA zurück zu Kreditgeber Robert Louis-Dreyfus.

Die Spur führt zu Beckenbauer

Der Untersuchungsbericht der Wirtschaftskanzlei Freshfields zeigte die Millionenüberweisungen vom und auf das Konto eines Schweizer Advokatenbüros. Die Spur führt zu Beckenbauer und könnte für ihn strafrechtliche Konsequenzen haben. Als Beckenbauer noch selbst sprach, da sagte er nonchalant – wie es seine Art war – in einem Interview der „Süddeutschen Zeitung“: „Ich habe immer einfach alles unterschrieben“, blanko quasi.

Jetzt ist er von der Bildfläche und von den Bildschirmen verschwunden. Der Wahl-Österreicher lebt zurückgezogen in Salzburg mit seinen beiden jüngsten Kindern und Ehefrau Heidi. Das Denkmal Beckenbauer bröckelte in den vergangenen zwölf Monaten ganz gewaltig. Der neue DFB-Präsident Reinhard Grindel bezeichnete die verschlungenen Zahlungen während dessen Tätigkeit als WM-OK-Vorsitzender als „ärgerlich, unverständlich“ und „Täuschung der Öffentlichkeit“.

Eine unendliche Geschichte? Weitere Provisionen aus Sponsorenaktivitäten erscheinen möglich. „Wo der Kaiser hinkommt, da steht ihm das Recht offen“, so lautet ein deutsches Sprichwort. Nun scheint vor allem die Zukunft des „Fußball-Kaisers“ offen.