Die fliegenden Pferde auf dem Weg nach Rio

Die fliegenden Pferde auf dem Weg nach Rio
(Imago Sportfotodienst)

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Wenn Pferde fliegen - ist der logistische Aufwand immens. Für die Vierbeiner ist ein Langstreckenflugallerdings wesentlich angenehmer als eine Fahrt im Pferdetransporter.

Sam kennt das ganze Prozedere aus dem Effeff. Der 16 Jahre alte Wallach von Doppel-Olympiasieger Michael Jung hat bereits etliche Flugreisen hinter sich, wenn er am Samstag in Lüttich seinen sogennanten Jetstall in der Transportmaschine nach Rio de Janeiro bezieht. „Ihm macht das überhaupt nichts aus“, sagt Jung, der mit dem deutschen Vielseitigkeitsteam wenige Stunden nach den Pferden in die Luft geht: „Für die Pferde ist das Fliegen angenehmer als eine Fahrt mit dem Transporter.“

Überwiegend starten die kostbaren Vierbeiner von Lüttich oder Amsterdam aus in alle Welt. Von diesen beiden Flughäfen aus dürfen die Flieger in einem deutlich sanfteren Startwinkel als die Passagiermaschinen ihre Reiseflughöhe in Angriff nehmen. „Start und Landung sind für die Pferde die Phasen, in denen sie sich ausbalancieren müssen“, sagt Marc Koene, Mannschaftstierarzt der deutschen Dressurreiter: „Im Pferdetransporter müssen sie das allerdings bei jedem Beschleunigungs- und Bremsvorgang.“

Kein Jetlag für Pferde

Die Transportmaschine bietet Platz für 70 Pferde, die jeweils in Dreierboxen auf Rollcontainern „mit kleinen, geräuscharmen Rollen“ (Koene) an Bord gebracht werden. Um auf dem fast zwölfstündigen Flug mehr Raum für die Tiere zu schaffen, werden pro Transport nur 34 Pferde verladen. Hinten stehen die Boxen mit den Stuten, in der Mitte die Wallache und ganz vorne die Hengste. Die Temperatur beträgt konstant 17 Grad – „die optimale Temperatur für Pferde“, sagt Koene.

An Jetlag leiden Pferde laut Koene nicht, in Rio angekommen, beginne sofort der ganz normale Tagesrhythmus. An Bord der Maschine sind lediglich zehn Begleitpersonen zugelassen, darunter zwei Angestellte des Transportunternehmens, zwei Tierärzte und vier Pferdepfleger. Die fünfmalige Olympiasiegerin Isabell Werth ist am Montag mit an Bord, wenn die deutschen Dressurpferde auf die Reise gehen. „Ich habe das früher schon oft gemacht“, sagt Werth und erzählt von den für Zweibeiner wenig luxuriösen Bedingungen an Bord: „Hinter den Pferdeboxen sind ein paar Sitze angebracht, die man bei Start und Landung einnehmen muss.“

20.000 Euro pro Pferd

Hat der Flieger seine Reiseflughöhe erreicht, „ist es für die Pferde ausgesprochen angenehm“, berichtet Marc Koene. Die Tiere, die sich eine Box teilen, kennen sich normalerweise gut, während des Fluges bekommen sie Heu, Kraftfutter und viel Aufmerksamkeit. „Sie dösen vor sich hin, fressen und saufen, alles ganz normal wie zu Hause im Stall“, sagt Koene. Der Aufwand ist dennoch immens: Pro Pferd kostet der Trip rund 20.000 Euro, zusätzlich werden für jedes Tier rund 800 kg Gepäck und 120 kg Futter nach Rio transportiert.

Dort angekommen, stehen vier bereits im März nach Rio verschiffte Spezialtransporter des deutschen Pferdespediteurs Friedrich Johannsmann bereit. Die Autos müssen peinlich sauber gehalten und nach jedem einzelnen Transport komplett desinfiziert werden. In den Stallungen von Deodoro sind ausschließlich jene Pferde zugelassen, die von den jeweiligen Nationen gemeldet sind. Nur mit viel bürokratischem Aufwand konnte deshalb Michael Jungs Sam nachgemeldet werden, der anstelle des erkrankten Takinou in Rio dabei ist.

„Sie dösen vor sich hin, fressen und saufen, alles ganz normal wie zu Hause im Stall“

Die Anlagen in Deodoro bieten Platz für insgesamt 236 Pferde, 229 sind für die Reiterspiele gemeldet. Seit am Freitag die ersten Vierbeiner in Deodoro „eingecheckt“ haben, werden die Eingänge streng bewacht, der Zugang ist nur über eine Desinfektionsschleuse möglich. Gelagert werden für den Zeitraum der Spiele insgesamt 50.000 kg Futter und nicht weniger als 80 Tonnen Zubehör. Die Pflege der Pferde obliegt ausschließlich den Reitern, Pflegern und Tierärzten. „Meine Mitarbeiter werden sich den Tieren noch nicht einmal nähern dürfen“, sagte Stallmanager Charles Maudlin.