Die „Stimme des Radsports“ ist verstummt

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Der Radsport ist in Trauer. Marcel Gilles, einer seiner treuesten Diener und eifrigsten Verfechter, starb am Mittwoch im Alter von 68 Jahren.

Damit verstummt die unverwechselbare Stimme, die in den vergangenen Jahren mit viel Begeisterung und Sachkenntnis ganz Luxemburg an den Glanztaten seiner „Helden der Landstraße“ teilhaben ließ.

Marcel Gilles verstarb im Alter von 68 Jahren. (Foto: M.-P. S.)

Ende Juni, wenn die Tour de France sich in Leeds fit für den Start macht, wäre er 69 Jahre jung geworden. Den Traum, noch einmal bei seiner Lieblingsrundfahrt dabei zu sein, aber wird er sich nicht erfüllen können. Marcel Gilles, über drei Jahrzehnte lang bei RTL Radio und später RTL Télé Lëtzebuerg die „Stimme des Radsports“, erlag am Mittwoch im Kirchberger Spital einem heimtückischen Leiden.

Die Eingeweihten wussten um die Krankheit des jovialen Kollegen, doch insgeheim hofften sie, dass er wie immer in den letzten Jahren plötzlich und unverhofft doch noch irgendwo im Start- oder Zielbereich eines Rennens auftauchen könnte.

Lebemann und Tausendsassa

Marcel Gilles war Lebemann und Tausendsassa in einer Person. In seinem Hauptberuf verkaufte der eingefleischte Junggeselle Reisen, eine kurze Zeit für Emile Weitzel, danach für Emile Weber, den Betrieb, dem er über vier Jahrzehnte lang bis zu seiner Pensionierung die Treue hielt.

Marcels Interessen pendelten zwischen Voyages Weber und Radrennen hin und her. Als Jugendlicher versuchte er sich eine Zeitlang auch als Copilot bei Autorallyes, doch relativ bald merkte er, dass ihm das Reisen und der Radsport viel mehr bedeuteten. Die Liebe zur „petite reine“ in all ihren Facetten war Marcel in Schüttringen im Fahrradgeschäft seines Vaters sozusagen in die Wiege gelegt worden.

Unverwechselbare Stimme

Der Wissbegierige, der schon als Bub die Daten aller Radlegenden aus dem Effeff kannte, musste früher oder später mit den Medien in Kontakt kommen. Für die Zeitungen verfasste er in den siebziger Jahren als nebenberuflicher Reporter ab und zu Artikel, machte dazu auch Fotos, doch richtig bekannt wurde er in dem Metier erst durch seine unverwechselbar kräftige Stimme bei RTL.

Jahrzehntelang berichtete er mit umfangreicher Fachkenntnis über die kleinsten, aber auch die größten Radrennen. Wo Luxemburger Fahrer im Sattel saßen, war er fast überall präsent, sehr oft auch, weil er seine Vereinsmannschaft oder eine nationale Selektion als Präsident, Vizepräsident, Sekretär, Manager oder sportlicher Leiter begleitete.

Ein Idealist

Dass der Luxemburger Radsport in seinen Flautejahren nicht vom Rundfunk „totgeschwiegen“ wurde, war zum größten Teil Gilles’ Verdienst. Später, mit wiederkehrender Blütezeit, erhielt der nimmermüde Idealist von den Fahrern das Dankeschön für seinen leidenschaftlichen Einsatz in Form von Siegen zurück.

Marcel Gilles, Präsident und Mädchen für alles in seinem Klub ACC Contern, organisierte, was das Zeug hielt. Er holte ausländische Fahrer in den Verein (Kim Andersen, Bjarne Riis, Jesper Skibby, usw.), rief die „Cyclosportive Charly Gaul“ ins Leben und „erfand“ 1996 die „Gala Tour de France“. Im Radsportverband (FSCL) wirkte er über vier Jahrzehnte. Bis zu seinem Tode war er Vizepräsident des Verwaltungsrates.

Für außergewöhnliche Verdienste um die Tour de France wurde Marcel Gilles 2012 von der Tour-Direktion mit dem silbernen Teller ausgezeichnet, den die „Suiveurs“ erhalten, die wenigstens 35 Mal bei der „Grande Boucle“ akkreditiert waren. Im Sommer, wenn in Leeds die 101. Rundfahrt beginnt, wird der stets gut gelaunte Kollege mit dem trockenen Humor vor allem von denjenigen vermisst werden, die jahrelang nach getaner Arbeit den Tisch mit ihm teilten.

Seiner schwer geprüften Mutter Elise, die ihren Marcel bis zum letzten Tag liebevoll umsorgte, drückt das Tageblatt sein tief empfundenes Beileid aus.