Dan Martin schlauer als Valverde und Co.

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Die 108. Lombardei-Rundfahrt endete mit dem überraschenden Sieg des Iren Daniel Martin. Der 28-Jährige setzte sich vor Alejandro Valverde und Rui Costa durch. Frank Schleck beendete das Rennen auf dem 24. Platz, Laurent Didier gab auf.

Die einen beäugten und bestaunten sich, der andere fuhr an ihnen vorbei und siegte. So könnte man in kurzen Worten die 108. Auflage des „Giro di Lombardia“ zusammenfassen, die am Sonntag für einmal bei schönstem Herbstwetter (in den vergangenen Jahren regnete es in Strömen) vom Iren Daniel Martin gewonnen wurde.

Radsport in Zahlen

108. Lombardei-Rundfahrt von Como nach Bergamo über 254 km: 1. Daniel Martin (IRL/Garmin) 6:25:33 Stunden, 2. Alejandro Valverde (ESP/Movistar) 0:01 Minuten zurück, 3. Rui Costa (POR/Lampre), 4. Tim Wellens (B/Lotto), 5. Samuel Sanchez (ESP/BMC), 6. Michael Albasini (SUI/Orica), 7. Philippe Gilbert (B/BMC), 8. Joaquim Rodríguez (ESP/Katjuscha), 9. Fabio Aru (ITA/Astana) alle gleiche Zeit, 10. Rinaldo Nocentini (ITA/Ag2r) 0:14, … Frank Schleck (LUX/Trek) 0:42.

Martin setzte sich aus einer neunköpfigen Spitzengruppe, die sich im letzten Anstieg im Herzen von Bergamo gebildet hatte und zusammen abwärts Richtung Ziel brauste, ab und überraschte damit die Sprinter, die sich in dem Augenblick sicher wähnten, dass diesmal nicht wie in den letzten Jahren ein Kletterspezialist (Rodriguez) ihnen zuvorkommen würde.

Zu den neun gehörten neben Dan Martin noch Alejandro Valverde, Rui Costa, Tim Wellens, Samuel Sanchez, Michael Albasini, Philippe Gilbert, Joaquim Rodriguez und Fabio Aru. Alles schien in dem Moment wie geschmiert für Valverde zu laufen, denn er war auf dem Papier der schnellste Mann der Spitzengruppe.

Der Spanier aber hatte, wie seine andern Begleiter, die Rechnung ohne Martin gemacht. Als dieser aus einer hinteren Position heraus auf der rechten Straßenseite angriff, zögerten alle, die Verfolgung aufzunehmen, um sich für den Endspurt Kraft zu sparen, … die sie nachher nicht mehr brauchten. Martin war nämlich auf und davon, unerreichbar für die verdutzten Mitkonkurrenten. Der Ire hatte im richtigen Augenblick genau das Richtige getan.

Radfahrerfamilie

Der 28-jährige Martin (geb. am 20. August 1986 in Birmingham) stammt aus einer Radfahrerfamilie. Sein englischer Vater Neil war ein eher mittelmäßiger Profi, seine irische Mutter ist die Schwester des berühmten Stephen Roche, der 1987 als einziger Fahrer nach Eddy Merckx im selben Jahr den Giro, die Tour de France und die Weltmeisterschaft gewann. Stephen ist also der berühmte Onkel des zauberhaft jovialen und freundlichen Daniel. Vor zehn Jahren war Martin britischer Meister bei den Junioren, doch danach entschied er sich, nur noch unter irischer Flagge zu starten. Er ist nach Sean Kelly, der die Lombardei-Rundfahrt in den Jahren 1983, 1985 und 1991 auf magistrale Art gewann, der zweite irische Fahrer, der seinen Namen ins Palmarès des „Rennens der fallenden Blätter“ schrieb. Ein Engländer steht bisher noch nicht in der Ehrentafel.

„Ich wusste, dass ich vor der letzten Rechtskurve, die auf die Zielgerade führt, vorne sein musste, um zu gewinnen“, meinte Dan Martin im Ziel. „Das ist mir gelungen. Ich habe eine schlimme Saison hinter mir, aber es ist wunderschön, hier ganz oben auf dem Siegerpodest zu stehen. Ich habe immer an mich geglaubt, und das Team hat alles für mich gegeben. Im letzten Anstieg wollte ich angreifen, doch ich war ‚eingeklemmt‘ und kam nicht an den Gegnern vorbei. Nach dem Anstieg in di ‚Citta alta‘ waren wir noch zu neunt. Ich sah, dass u.a. Valverde, Albasini und Gilbert dabei waren und ich im Sprint keine Chance hätte. Darum setzte ich 500 m vor dem Ziel alles auf eine Karte. Es war meine einzige Trumpfkarte, und die stach.“

Schleck nicht im Finale

Für die 108. Ausgabe der „Classique“, die zu den fünf „Monumenten“ des Radsports gehört, war die Streckenführung im Vergleich zu den Vorjahren abgeändert worden. Vier Kilometer vor dem Ziel in Bergamo war eine letzte Steigung „eingebaut“ worden, in der die Favoriten die Vorentscheidung einleiteten. Nach einem Angriff des Belgiers Tim Wellens konnte sich die Spitzengruppe absetzen, in der sich Sieganwärter wie Valverde, Rui Costa, Rodriguez, Gilbert oder Sanchez (letztere beiden aus dem BMC-Team!) gegenseitig belauerten, bis ihnen Martin ein Schnippchen schlug.

Frank Schleck hatte mit dem Ausgang des Rennens nichts zu tun. Er musste im letzten Anstieg lockerlassen und gehörte nicht zu den neun Fahrern, die gemeinsam Richtung Ziel fuhren. Schleck war in einer zweiten Gruppe mit u.a. Alberto Contador, der in der letzten Rechtskurve Bekanntschaft mit den Barrieren machte. Mehrere Fahrer, darunter auch der Franzose Barguil, gingen zu Boden. Für Schleck aber war das Rennen in dem Moment längst verloren. Er fuhr als 24. mit 42 Sekunden Rückstand ins Ziel. Sein Teamkollege Laurent Didier steckte auf. Weltmeister Michal Kwiatkowski verließ das Rennen im Schlussteil wegen Krämpfen. Zuvor schon war mit Jaroslaw Popowitsch ein Trek-Fahrer nach Sturz ins Spital gefahren worden.

Durch seinen zweiten Rang baute Alejandro Valverde seinen Vorsprung im World-Tour-Klassement auf Alberto Contador auf 66 Punkte aus und wird die Wertung wohl auch gewinnen. Es ist nämlich kaum anzunehmen, dass Contador nach seinem gestrigen Sturz mit lädiertem Knie an den Start der „Tour of Peking“ geht, dem letzten WorldTour-Rennen der Saison.