Carlsen provoziert WM-Showdown

Carlsen provoziert WM-Showdown
(AP/Mark Lennihan)

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Magnus Carlsen hat in der letzten regulären Partie der Schach-WM auf einen Angriff verzichtet und damit den Showdown im Tiebreak provoziert. Der Weltmeister im Schnellschach rechnet sich im Duell mit verkürzter Spielzeit die besseren Chancen aus - ein riskantes Spiel.

Magnus Carlsen grinste spitzbübisch. Warum er sich den Tiebreak gewünscht habe, wurde der Norweger nach der letzten regulären Partie der Schach-WM gefragt. „Wir werden es sehen“, sagte der Weltmeister und lächelte vielsagend. In Rekordzeit hatte Carlsen das 12. Match gegen seinen russischen Herausforderer Sergej Karjakin ins Remis gelenkt – und damit einen Schnellschach-Showdown am Mittwoch bewusst provoziert.

Offensichtlich wähnt sich Carlsen in den Duellen mit verkürzter Spielzeit im Vorteil. In den oft über sechsstündigen Partien der vergangenen Wochen hatte er sich an Karjakins zäher Verteidigung immer wieder die Zähne ausgebissen, war im achten Match von New York trotz des Vorteils der weißen Steine sogar in einen Konter gelaufen. An seinem 26. Geburtstag am Mittwoch sollen nun endlich die vermeintlich überlegenen Improvisations-Fähigkeiten des „Mozart des Schachs“ zum Tragen kommen. Dafür nahm Carlsen am Montag selbst den Unmut der Zuschauer in Kauf.

„Langweiligste aller langweiligen Langweilervarianten“

„Ich entschuldige mich bei den Fans, die eine längere Partie sehen wollten“, sagte er nach einem Spiel, das beispielsweise Die Zeit als die „langweiligste aller langweiligen Langweilervarianten“ wertete. Carlsen tauschte nach seiner Eröffnung zielstrebig Figur um Figur, sodass nach nur 35 Minuten und nur 30 Zügen das gewünschte Remis besiegelt wurde. Noch nie in 130 Jahren WM-Geschichte war eine Partie so schnell beendet.

„Ich bin wirklich überrascht. Ich dachte, er versucht es zumindest“, sagte deshalb auch Fabiano Caruana (USA), hinter Carlsen derzeit Zweiter der Weltrangliste: „Er ist im Tiebreak natürlich noch immer der Favorit, aber der Zufall spielt eine größere Rolle.“ Selbst in Carlsens Heimat Norwegen war sich etwa die Tageszeitung Verdens Gang nicht sicher, ob der Entschluss zu pokern nun „genial oder wahnsinnig“ sei. Immerhin freue man sich nun auf „das TV-Ereignis des Jahres“.

„Genial oder wahnsinnig“?

Schließlich verspricht der Modus ein spektakuläres Finale. Steht nach zunächst vier Partien mit auf 25 Minuten verkürzter Bedenkzeit noch kein Sieger fest, duellieren sich die beiden Kontrahenten im Blitzschach mit noch fünf Minuten Bedenkzeit. Nach maximal fünf solchen Duellen käme es dann zu einer „Armageddon“-Partie, wobei der Spieler mit den weißen Figuren fünf, sein Gegner vier Minuten Bedenkzeit hat. Bei einem Remis ist der Spieler mit Schwarz Weltmeister.

Die Favoritenrolle fällt in allen denkbaren Szenarien Carlsen zu. 2015 verteidigte er seinen WM-Titel im Schnellschach in Berlin erfolgreich, war zudem schon zweimal Weltmeister im Blitzschach. Allerdings hat Karjakin in den letzten Tagen zur Genüge bewiesen, wie gut ihm die Rolle des Außenseiters gefällt. 2012 war auch er zudem bereits Schnellschach-Weltmeister. Damals nur zweitplatziert: Magnus Carlsen.