Erste neun Etappen des Giro d’Italia: Von Überfliegern und Weltuntergangsstimmung

Erste neun Etappen des Giro d’Italia: Von Überfliegern und Weltuntergangsstimmung

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

1.269,8 von insgesamt 3.578,8 km wurden beim Giro d’Italia schon erfolgreich gemeistert. Am gestrigen Ruhetag konnten die Radfahrer ihre Akkus vor den anstrengenden Bergetappen – die erste wartet am Freitag – wieder ein wenig aufladen. Bisher konnten die Favoriten ihre Karten aufgrund des flachen Streckenprofils noch nicht wirklich auf den Tisch legen. Heute wittern die Sprinter von Ravenna nach Modena über 145 km wieder ihre Chance. Doch wer oder was stach in den ersten neun Tagen bei der Italien-Rundfahrt ins Auge?

Aus Ravenna berichtet Laurent Neiertz

Der Überflieger

Primoz Roglic wird als der große Favorit auf den Sieg beim diesjährigen Giro d’Italia gehandelt. Bisher hat er diese Erwartungen mehr als erfüllt. Der 29-Jährige dominierte die zwei bisher wichtigsten Etappen für die Gesamtwertung, nämlich die zwei Einzelzeitfahren, nach Strich und Faden. Beim acht Kilometer langen Kampf gegen die Uhr in Bologna siegte der ehemalige Skispringer mit einem Vorsprung von insgesamt 19 Sekunden auf den Zweitplatzierten Simon Yates. Auch am Sonntag setzte sich der Slowene bei der 34,8 km langen Prüfung nach San Marino durch. Dies, obwohl der Profi von Team Jumbo-Visma mit schwierigen Wetterbedingungen zu kämpfen hatte. „Roglic spielt derzeit in einer anderen Liga“, sagte Bob Jungels nach dem Einzelzeitfahren. Es wird wohl nur eine Frage der Zeit sein, wann er wieder das Rosa Trikot überstreifen wird.

Die Verlierer

Die 102. Auflage des Giro befindet sich nicht einmal in der heißen Phase, doch zwei Anwärter auf eine Spitzenposition in der Gesamtwertung ließen bereits mächtig Federn. Simon Yates (Mitchelton-Scott) und Miguel Angel Lopez (Astana Pro Team) erwischten beim Zeitfahren in San Marino einen rabenschwarzen Tag. Yates, der Vuelta-Sieger von 2018, verlor insgesamt 3:11 Minuten auf Roglic, Lopez sogar 3:45 Minuten. Beide werden sich auf den Bergetappen wohl angriffslustig zeigen, wenn sie noch ein Wörtchen um die vorderen Ränge mitreden wollen.

Die Luxemburger

Mit Bob Jungels (Deceuninck – Quick-Step) und Ben Gastauer (Ag2r La Mondiale) sind bekanntlich zwei luxemburgische Radfahrer am Start. Beide starteten mit unterschiedlichen Ambitionen in die Italien-Rundfahrt. Während Jungels zum Kreis der Favoriten um den Gesamtsieg zählt, konzentriert sich Gastauer darauf, wertvolle Helferdienste für seine Teamkollegen zu leisten. Bisher verläuft für Jungels im Großen und Ganzen alles nach Plan. Er liegt derzeit auf dem 14. Rang in der Gesamtwertung. Die beiden bisherigen Bewährungsproben meisterte er ordentlich. Beim ersten Zeitfahren war er laut eigenen Aussagen etwas übermotiviert. In San Marino lief es dagegen besser. „Im Gegensatz zu anderen Favoriten bin ich nicht eingebrochen. Ich bin auf dem Level, auf dem ich zu diesem Zeitpunkt des Giro sein möchte“, verriet der Quick-Step-Profi. Erst am Freitag wartet der erste Härtetest in den Bergen. Erst dann wird man wohl sehen können, wie es um die Form des 26-Jährigen wirklich steht. Im virtuellen Klassement der Favoriten um das „Maglia rosa“ liegt der Luxemburger Sportler des Jahres von 2018 auf dem vierten Platz, dies mit einem Rückstand von 2:18 Minuten auf Roglic. Für Ben Gastauer verliefen die ersten neun Tage ruhig. Trotzdem musste er bereits zwei kleine Stürze hinnehmen und hat mit Problemen beim Sitzen auf dem Sattel zu kämpfen. Der Ag2r-Profi liegt derzeit auf dem 62. Rang in der Gesamtwertung.

Prominente Ausfälle

176 Radfahrer nahmen sich der Herausforderung des diesjährigen Giro an, 13 davon werden aus unterschiedlichen Gründen das Ziel in Verona nicht mehr erreichen. Tom Dumoulin (Sunweb) und Fernando Gaviria (UAE Team Emirates) sind dabei die prominentesten Ausfälle. Dumoulin, Gewinner des Giro 2017, war auf der vierten Etappe in einen Sturz verwickelt und kämpfte sich noch mit einem blutenden Knie ins Ziel. Jedoch verlor der Niederländer durch diesen Zwischenfall viel Zeit. Kurz nach dem Start der fünften Etappe stieg der 28-Jährige vom Rad. „Die Schmerzen waren zu groß“, sagte er.
Top-Sprinter Gaviria gab auf der siebten Etappe wegen zu starken Schmerzen am linken Knie auf. Trotzdem sprang für den 24-Jährigen ein Sieg auf der dritten Etappe heraus. Dabei profitierte der Kolumbianer aber von Elia Vivianis Deklassierung.

Der Senkrechtstarter

Pascal Ackermann (Bora-hansgrohe) präsentiert sich bei seinem Giro-Debüt in starker Form. Der deutsche Meister ist die Entdeckung der diesjährigen Italien-Rundfahrt.
Seine Unbekümmertheit und sein Selbstvertrauen haben ihm bisher zwei Etappensiege eingebracht. Vor allem auf der fünften Etappe düpierte der Teamkollege von Jempy Drucker die Konkurrenz, als er aus einer doch eher ungünstigen Ausgangsposition noch an den Sprint-Assen Gaviria und Démare vorbeiflog.

Des Weiteren glänzte Ackermann noch mit drei weiteren Top-4-Platzierungen. Kein Wunder also, dass der 25-Jährige das Trikot des besten Sprinters trägt.

Das Wetter

Von wegen „Bella Italia“ – zumindest, was die Wetterbedingungen angeht. Der Regen scheint ein stetiger Begleiter bei der diesjährigen Rundfahrt zu sein. Es schüttete phasenweise aus Eimern. Vor allem auf der fünften und der neunten Etappe meinte es der Wettergott alles andere als gut mit den Radprofis. „Der ganze Tag war wegen des Regens und der Kälte irgendwie unheimlich. Zeitweise konnte man fast nichts sehen“, erklärte Pascal Ackermann nach seinem Sieg in Terracina. Auch Ben Gastauer sagte am Sonntag, dass diese Verhältnisse „einem zu schaffen machen“.

Zumindest versprechen die Vorhersagen für die nächsten Tage Besserung.