Julien Henx: „So schnell wie möglich unter 50 Sekunden schwimmen“

Julien Henx: „So schnell wie möglich unter 50 Sekunden schwimmen“

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Ziemlich genau vor zwei Jahren krempelte Julien Henx mit dem Umzug nach Frankreich sein Leben und den Sport um. Eine Entscheidung, die der 22-Jährige bis heute nicht bereut hat.

Von unserem Korrespondenten Marc Biwer

Schon in jungen Jahren war das Talent des Julien Henx ersichtlich. Genau wie sein Idol Raphaël Stacchiotti dominierte der Düdelinger seine Altersklassen. Als er endlich die Lorbeeren seiner langen Trainingsjahre ernten sollte, gerieten die Karriere und die Zeiten ins Stocken. Es passte nicht mehr so richtig in Luxemburg. Das Training war vornehmlich auf die langen Distanzen ausgerichtet, die eher Stacchiotti und Laurent Carnol entgegenkamen. Zweifel kamen auf und bei einem Lehrgang in Thailand wurden Julien Henx in der Diskussion mit ausländischen Trainern andere Möglichkeiten angeboten, auch die vom CN Talence.

Julien Henx trat mit seinem Problem an Ingolf Bender heran, zögerte aber mit einem Wechsel. Als die Leistung beim Euro Meet 2016 nicht stimmte, ging es ratzfatz. In Absprache mit dem Nationaltrainer schloss sich der damals 20-Jährige dem Cercle an und zog nach Talence um.

Fernab von „Hotel Mama“

Für Julien Henx tat sich fernab von „Hotel Mama“ eine neue Welt auf: „Man sieht zunächst nur das Positive, mit dem Ausbau der Schwimmkarriere. Aber ich war plötzlich auf mich allein gestellt. Ich war es nicht gewohnt, zu kochen, zu putzen, zu waschen oder einen Haushalt zu führen.“ Der Jugendliche fand sich aber rasch zurecht, erlernte den Tagesablauf schnell: „Es kam mir entgegen, dass ich die Unordnung hasse. So war ich gezwungen, alles sauber zu halten. Inzwischen liebe ich es, zu kochen und einzukaufen. Vielleicht auch, weil ich gerne esse.“

Der große Unterschied war aber das Training. „Mir behagte das Volumen-Training mit vielen Kilometern nicht so gut. Auch die Balance mit dem Krafttraining stimmte nicht für mich. Ich hatte schwere Arme, der Spaß am Training fehlte.“ In Frankreich fand der Düdelinger nicht nur eine größere Trainingsgruppe, sondern mit Arslane Bris einen Coach für die Sprintstrecken. Am Anfang ging es nur darum, Muskeln aufzubauen. Das Training wurde insgesamt umgebaut, mit weniger Kilometern, dafür mehr intensiven Längen im Becken und viel Zeit im Kraftraum: „Der Muskelkater war ein ganz anderer.“ Und noch einen Vorteil hatte der Wechsel in den Stadtteil von Bordeaux, das Wetter: „Im Sommer haben wir 30 Grad und wir trainieren im Freibad. Die Coque ist eine tolle Einrichtung, aber es ist angenehmer, draußen zu trainieren als im Keller.“

Der nächste Schritt folgte ein halbes Jahr später. Anfang September 2016 quartierte sich Henx auf Herrenberg ein. Mitte Januar 2017 war die Ausbildung geschafft und als Mitglied der Sportsektion der Armee standen dem Berufssoldaten andere Chancen offen. Diese wurden wieder in Talence genutzt, ein Weg, den der „professionelle Schwimmer“ nie bereute. Die Bilanz nach einem Jahr nach seiner Rückkehr nach Bordeaux ist sehr positiv, auch moralisch: „Ich habe wieder Lust auf Rennen. Mein Trainer hat mir gezeigt, dass der Wettkampf nach hartem Training die Kirsche auf dem Kuchen ist. Es macht Spaß, wenn man weiß, dass die Vorbereitung fruchtet und man schnell ist.“ Den Beweis liefern die nackten Zahlen: Fast bei jedem Einsatz konnte Julien Henx seine Zeiten verbessern und schwamm seit seinem Wechsel 15 Landesrekorde.

Aus Dankbarkeit

Am Wochenende wird der Kraulspezialist beim Euro Meet antreten. Wie für die meisten Schwimmer liefen die Vorbereitungen aber nicht auf das Meeting hinaus: „Ich bin seit drei Wochen wieder im Training. Für das Krafttraining haben wir ein neues Programm ausgearbeitet, das wir jeweils mittwochs und donnerstags intensivieren. Am Freitag werde ich per Zug nach Luxemburg reisen und gleich am späten Nachmittag schwimmen. Ich spüre aber, dass ich für den Sprint schnell genug bin.“

Als eine der Galionsfiguren des luxemburgischen Schwimmsports ist es Henx ein Bedürfnis, beim Euro Meet zu schwimmen. Aus Dankbarkeit und auch um zu zeigen, dass seine Entscheidung zum Wechsel richtig war. Nicht alle zeigten Verständnis für diesen Schritt. Für den 22-Jährigen ist es immer ein gutes Gefühl, vor heimischem Publikum zu schwimmen. Zumal das Euro Meet Jahr um Jahr zu einem großen Event gewachsen ist: „Wenn man die Teilnehmerliste vom Wochenende sieht, dann hat das Euro Meet fast schon EM-Charakter. Es würde mich nicht wundern, wenn das Meeting in Zukunft als LEN-Meeting aufgewertet wird. Es wird schwer sein, in ein Finale vorzustoßen.“

Nach dem Euro Meet wird Henx für einen Monat in Luxemburg verweilen. Sein Trainer muss sich einer Operation unterziehen. Gemeinsam kam man überein, dass er sein Training ins Großherzogtum verlegen soll. Das Krafttraining unter der Leitung von Alain Hammang, das Schwimmtraining (Ingolf Bender ist mit der Nationalmannschaft unterwegs) mit Mitsch Rolko und Claude Waltzing. Alles in Absprache mit Bris.

Beim Cercle des Nageurs de Talence gehört der Luxemburger einer zwölfköpfigen Trainingsgruppe mit den schnellsten Sprintern an. Vier Schwimmer in dieser Gruppe haben das Niveau A (Top-Platzierungen im französischen Championat). Julien Henx ist nicht nur der „Doyen“, sondern mittlerweile auch der Schnellste. Julia Almeida und Delfinspezialist Adrien Galle zählen ebenfalls zu den Eckpfeilern des Vereins. Innerhalb der Gruppe herrschen eine vorzügliche Stimmung und ein großer Zusammenhalt. Auch wenn es manchmal zu kleinen Zankereien kommt, wie in jeder Familie.

Tokio: Großer Traum

Die kurzfristigen Ziele des Luxemburgers laufen auf die EM im August in Glasgow hinaus. In Schottland will er vor allem athletisch gut in Form sein. Das soll im Krafttraining über einen natürlichen Aufbau erfolgen. Spätestens bei der EM will Henx dann endlich die 50″-Marke über 100 m Kraul knacken, über 50 m unter 22″50 anschlagen.

Ob er bei den französischen Meisterschaften starten wird, ist eher ungewiss, weil Ausländer nicht ins 100-m-Kraul-Finale vordringen dürfen. Einsätze am Morgen mag Henx nicht so sehr. Deshalb stellt er sich für Glasgow keine Ziele im Ranking: „Man muss morgens 100 Prozent geben, um eine Chance auf ein Halbfinale zu haben. Ich mache mir deshalb keinen zusätzlichen Druck. Es wäre zu enttäuschend, wenn man auf Platz 20 liegt. Sollte es klappen, wäre das Halbfinale ein Bonus.“ Der Krauler will sich über 50 m und 100 m Schmetterling ein zweites Standbein aufbauen: „Auch, weil die Delfindisziplin andere Muskeln beansprucht.“

Die Olympischen Spiele 2020 in Tokio sind der große Traum von Julien Henx: „Im März 2019 wird es möglich sein, die Norm zu schwimmen. Die Qualifikation will ich so schnell wie möglich realisieren. Für mich wäre es ein Horror, wenn ich die Pflichtzeit erst kurz vor Ladenschluss schaffen könnte.“ Aber auch Paris 2024 will der Olympiakandidat im Auge behalten: „Ich habe das große Glück, dass ich mich voll auf das Schwimmen konzentrieren kann. Dank der Unterstützung der Armee, des COSL und meiner Eltern bin ich finanziell unabhängig. Dafür bin ich sehr dankbar und ich will es mit Leistung zurückzahlen.“

Ich habe wieder Lust auf Rennen. Mein Trainer hat mir gezeigt, dass der Wettkampf nach hartem Training die Kirsche auf dem Kuchen ist.

Das Tagesprogramm ist für Henx fast jeden Tag das gleiche: „Viel Zeit für Privates bleibt nicht.“ Damit die Routine nicht zu eintönig wird, haben die Trainer das Pensum auf verschiedene Zeiten verteilt. Zweimal in der Woche muss er morgens um sechs ins Becken, was ihm nicht so behagt: „Der Rhythmus ist aber immer derselbe: Aufstehen – Essen – Training – Essen – Siesta  – Essen – Training – Abendessen.

Um 22.00 Uhr falle ich todmüde ins Bett.“ Nur am Wochenende gibt es Abwechslung. „Ich habe ein sehr gutes Verhältnis mit dem Bürgermeister von Talence. Der lädt mich regelmäßig zu Fußballspielen von Bordeaux ein. Alle zwei Wochen eine Partie der Ligue 1 zu verfolgen, ist toll. Dann kommt es schon mal vor, dass ich erst gegen 23.00 Uhr zu Bett gehe. Im Sommer ist ein Spaziergang durch Bordeaux ebenfalls etwas Besonderes, mit einem Café auf einer Terrasse. Bordeaux ist eine wunderschöne Stadt. Das sagen auch alle Leute, die mich besuchen kommen.“

Fast könnte man meinen, Julien Henx würde leben wie Gott in Frankreich. Wenn da nicht das brutale Training wäre.