„Viele Leute verkennen das Potenzial“

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Acht Jahre verbrachte Baltemar Brito als Assistent an der Seite von José Mourinho. Der Brasilianer war bei União Leiria, dem FC Porto und Chelsea London die rechte Hand von „The Special One“. In diesem Winter übernahm der 66-Jährige das Traineramt beim BGL-Ligisten Union Titus Petingen und will den Verein im nächsten Jahr in die Top 4 führen.

Herr Brito, Sie waren als Trainer und Assistent bereits auf vier Kontinenten aktiv. Wie landet man in Luxemburg?
Baltemar Brito: Den ersten Kontakt hat Celso Duarte hergestellt (ein in Luxemburg ansässiger Spielerberater, d. Red.). Ich habe ihn vor 25 Jahren in Portugal kennengelernt. Vor drei Jahren bin ich zum ersten Mal nach Luxemburg gekommen. Danach war ich immer mal wieder hier, um den Fußball und die Kultur kennenzulernen. Das Land hat mir sehr gut gefallen und deshalb habe ich mich mit der Idee beschäftigt, hier Trainer zu werden. Es gab Angebote aus Asien und Afrika. Aber ich bevorzuge es, in der Nähe meiner Familie zu sein, die in Portugal lebt.

Hat sich der Fußball in Luxemburg verändert, seit Sie zum ersten Mal hier zu Besuch waren?
Als ich mir das erste Spiel von Petingen angesehen habe, gab es keinen einzigen Profispieler in der Mannschaft, heute sind es 13. Das Niveau verbessert sich allmählich – auch durch die professionellen Spieler. Aber auch in den luxemburgischen Spielern steckt sehr viel Qualität. Viele Leute verkennen noch das Potenzial, das hierzulande vorhanden ist. Noch fehlt der Respekt. Aber das wird sich in den nächsten Jahren ändern. Durch die Nähe zu Belgien, Frankreich und Deutschland ist die luxemburgische Meisterschaft interessant. Teams aus diesen Ländern werden in Zukunft immer öfter hier vorbeischauen, um Spieler zu verpflichten.

Sie hatten vier Wochen, um Ihre neue Mannschaft auf die anstehende Meisterschaft vorzubereiten. Was haben Sie kurzfristig verändert?
Unser erstes Ziel muss es sein, dass die Spieler in der Lage sind, während 90 Minuten konzentriert zu agieren. Petingen hatte in der Rückrunde viele Leistungsschwankungen. Wir wollen, dass die Mannschaft konstant ihre beste Leistung abrufen kann. In den nächsten Monaten geht es darum, die Meisterschaft respektabel abzuschließen. Das übergeordnete Ziel ist aber die Vorbereitung der nächsten Saison. Wir wollen in die Top 4 vorstoßen.

Mit Aldin Skenderovic und Dirk Carlson haben zwei Eckpfeiler der Abwehrkette den Verein im Winter verlassen. Als Ersatz wurde nur ein Verteidiger geholt. Reicht das, um die anfällige Abwehr zu verstärken?
Zwei große Spieler haben unseren Verein verlassen, das steht fest. Das ist kein größeres Problem, ist aber auch nicht ideal. Der Transfer von Dirk Carlson ging sehr spät über die Bühne und wir hatten keine Möglichkeit mehr, zu reagieren. Leider haben uns ein paar Regeln des luxemburgischen Fußballs das Leben schwer gemacht. Es sind nur zwei Wintertransfers erlaubt, man muss sieben Erstlizenzen auf dem Spielbogen eintragen und man darf nur 16 Akteure aufstellen. Das müssen wir jetzt lernen, zu managen.

Was versprechen Sie sich von Ihren beiden Neuzugängen Tiago Duque (von Académica Coimbra/P) und Diego Esch (vom FC Nova Iguaçu/BRA)?
Tiago Duque kommt mit guten Referenzen nach Luxemburg und war in der Vergangenheit Mitglied der portugiesischen Jugendnationalmannschaften. Er ist ein ambitiöser Innenverteidiger, der hier seine Qualitäten zeigen will, um Vereine aus den Nachbarländern auf sich aufmerksam zu machen. Diego Esch hat unser Sportdirektor Carlos Fangueiro in Rio de Janeiro entdeckt. Es ist jedoch das erstes Mal, dass er außerhalb Brasiliens unter Vertrag steht. Es wird ein bisschen Zeit brauchen, bis er sich an die Kultur und das Wetter gewöhnt hat. Diego ist ein talentierter Spielmacher, der jedoch seine Defizite im Defensivverhalten ausmerzen muss.

Zurück zur Vergangenheit. Jahrelang waren Sie die rechte Hand von José Mourinho. Haben Sie bereits mit ihm über Ihren Wechsel nach Luxemburg gesprochen?
Alle Mitglieder aus dem ehemaligen Chelsea-Betreuerstab wissen Bescheid, dass ich hier bin, und haben mir Glück gewünscht (u.a. André Villas Boas). José (Mourinho) hat mir versprochen, dass er mich nächstes Jahr in Luxemburg besuchen kommt. Er war etwas überrascht, als ich ihm die positiven Seiten des luxemburgischen Fußballs erklärt habe, und will sich das jetzt ansehen.

Was war Ihre Aufgabe im Team von Mourinho?
Alles, was sich auf dem Platz abspielte und was gerade gebraucht wurde, habe ich gemacht. Ich war stark involviert in die Trainingseinheiten. Diese waren sehr komplett, weil die Methodik von Mourinho es nicht vorsieht, dass Technik, Taktik und Fitness getrennt trainiert werden.

Warum verließen Sie 2008 das Trainerteam von Mourinho?
Es gab eine Meinungsverschiedenheit und danach haben wir entschieden, dass wir getrennte Wege gehen würden. Das heißt aber nicht, dass wir uns privat nicht mehr verstehen. Wir haben regelmäßig Kontakt und respektieren uns gegenseitig weiterhin sehr.

Ist José Mourinho im Privatleben eine andere Person als auf der großen Fußballbühne?
Auch wenn er „The Special One“ genannt wird, ist er doch ein „Normal One“. José (Mourinho) hat Schwächen und Stärken wie jeder Mensch. Seine guten Eigenschaften überwiegen jedoch deutlich. In den Interviews zeigt er nicht sein wahres Gesicht, das tut er nur unter Freunden.

Nach dieser Ära haben Sie sich während ein paar Jahren als Cheftrainer versucht. Warum hat das nie geklappt?
Meinen ersten Vertrag als Profi-Cheftrainer habe ich bei Belenenses Lissabon unterschrieben. Noch bevor ich meine Arbeit aufnehmen konnte, kam ein neuer Präsident, der einen neuen Trainer einstellte. Danach ging es weiter nach Libyen zu Al-Ittihad. 2010 begannen dort die Unruhen und ich habe das Land verlassen, weil es mir zu unsicher wurde. In Brasilien bei Gremio Osasco wollte ich die Einstellung ändern. Ohne Trainerteam war ich auf mich alleine gestellt und konnte meine Vorstellungen nicht umsetzen. Mit Al-Dhafra habe ich den Confederations Cup der Arabischen Emirate gewonnen, wurde aber kurz danach nach einer Niederlage in der Meisterschaft entlassen. 2014 bin ich noch einmal nach Libyen zurückgekehrt und habe schnell festgestellt, dass es mir weiter zu unsicher war.


Sein Assistent

Als Co-Trainer hat Brito den Portugiesen Antonio Torres mit nach Petingen gebracht. Der 30-Jährige war u.a. Jugendtrainer bei Paços Ferreira und Co-Trainer beim Drittligisten São Martinho. Seinen Master-Abschluss in Fußballwissenschaften absolvierte Torres an der Escuela Universitaria Real Madrid in der spanischen Hauptstadt. „Portugal ist klein und in der Szene kennt jeder jeden. Über einen Bekannten habe ich Antonio Torres kennengelernt. Nach ein paar Gesprächen habe ich gemerkt, dass wir die gleiche Fußballsprache sprechen“, erklärt Brito seine Wahl.


Steckbrief

Name: Baltemar José Oliveira Brito
Geboren am 9.1.1952 in Recife (Brasilien)
Staatsangehörigkeit: Brasilianer und Portugiese
Position als Aktiver: Innenverteidiger
Vereine als Aktiver: Sport Club do Recife, Santa Cruz FC (beide BRA), Vitória Guimarães, Paços de Ferreira, Feirense, Paços de Ferreira, Rio Ave, Vitória Setúbal, Rio Ave, Varzim (alle P)
Vereine als Trainer: Varzim, Macedo de Cavaleiros, Barrosas (alle P), Al-Ittihad (LYB), Al Dhafra (VAE), Gremio Osasco (BRA), Al-Ittihad (LYB)
Vereine als Assistent: União de Leiria, FC Porto (beide P), Chelsea London (ENG), Espérance Tunis (TUN), AEK Athen (GRE)