Schluss mit „Narrenfreiheit“

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Nach der ersten Veröffentlichung der Freiburger Evaluierungskommission zu Doping-Vergehen in der Bundesliga wächst auch der Druck auf den DFB.

Die Doping-Jäger machen Druck: Bei der Aufklärung der offenbar dunklen Doping-Vergangenheit der Bundesligen steht nach Ansicht der Experten der Deutsche Fußball-Bund (DFB) in der Pflicht. Nach den Untersuchungen der Freiburger Evaluierungskommission soll Schluss sein mit der „Narrenfreiheit“ – Bundestrainer Joachim Löw, der für die belasteten Vereine in Stuttgart und Freiburg gespielt hatte, gab am Dienstag die Richtung vor. „Doping hat im Sport nichts verloren, ich lehne es absolut ab, das galt für mich als Spieler genauso wie es heute als Bundestrainer immer noch gilt“, sagte der 55-Jährige dem SID.

Jetzt ist der Verband gefordert. „Da muss der DFB in Zukunft eine Schippe drauflegen, damit er glaubwürdig wird“, sagte der Pharmakologe Fritz Sörgel, der auch dem Tageblatt bereits als Experte diente und seit Kurzem selbst Kommissionsmitglied ist, dem ZDF-Morgenmagazin: „Fußball ist ein Volkssport, der wichtigste Sport in Deutschland – da kann man sich nicht erlauben, dass etwas ungeklärt bleibt.“ Der Verbandsriese müsse über die „Narrenfreiheit“, die der Fußball nun einmal habe, nachdenken.

Gravierende Vorwürfe

„Wir kennen weder Ergebnisse noch einen Bericht der Kommission und können deshalb auch zur Sache selbst nichts sagen“, teilte Rainer Koch, Vorsitzender der Anti-Doping-Kommission des DFB, mit: „Um das Ganze seriös einordnen zu können, müssten wir den detaillierten Bericht kennen.“ Öffentlich geworden seien bislang aber „gravierende Vorwürfe, die selbstverständlich umfänglich aufgeklärt werden müssen“. Am Montag waren – wenn auch unter fragwürdigen Umständen – erste Erkenntnisse der Ermittlungen der Kommission, die sich mit der Doping-Vergangenheit an der Freiburger Universität beschäftigt, an die Öffentlichkeit gelangt.

Demnach sei in den „späten 1970er- und frühen 1980er-Jahren“ beim Bundesligisten VfB Stuttgart „im größeren Umfang“ und, „wenn auch nur punktuell nachweisbar“, auch beim damaligen Zweitligisten SC Freiburg Anabolika-Doping vorgenommen worden. „Diese Beweise würde ich gerne sehen“, sagte François Caneri, von 1976 bis 1982 beim VfB als Physiotherapeut angestellt, den Stuttgarter Nachrichten: „Doping hat es beim VfB nicht gegeben – das hätte ich gewusst. Ich war sechs Jahre lang mit den Spielern jeden Tag zusammen, so etwas hätte man ihnen angesehen – an der Haut, an den Augen, am Muskelzuwachs, am Reaktionsvermögen.“

Allerdings schränkte er ein: „Grundsätzlich ist alles möglich, die Spieler verraten einem nicht alles.“ Er habe aber „selbst mit den Spielern die Medikamente in der Apotheke eingekauft“, sagte Caneri: „Ich weiß, was in den Tüten war.“ Die Schlüsselfigur in dem Skandal ist der damalige Leiter der Sporttraumatologischen Spezialambulanz, Armin Klümper, bei dem auch VfB-Spieler über einen längeren Zeitraum in Behandlung gewesen sein sollen.

Keine spektakulären Fälle

Der Sportmediziner selbst lebt in Südafrika, zu den immer wieder auftauchenden Vorwürfen äußert er sich längst nicht mehr. Der VfB machte sehr deutlich, dass Klümper „zu keinem Zeitpunkt Vereinsarzt des VfB Stuttgart“ war. „Fairerweise muss man sagen“, sagte Sörgel, „dass im Fußball bisher keine spektakulären Fälle aufgetreten sind, sodass man mit irgendwelchen Verdächtigungen sehr vorsichtig sein muss.“

Die Vergangenheit aber sei „ein ganz anderes Kapitel“. Am Beispiel der Stimulans Captagon sagte er: „Die Fußballer haben auch kräftig experimentiert. Das war über drei, vier Jahrzehnte einfach etwas, was nebenher lief. Was die Fußballer angewendet haben, um am nächsten Sonntag wieder spielen zu können.“