„Wie eine Maschine funktionieren“

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Lyndon Sosa brachte vergangene Woche das Kunststück fertig, als erster luxemburgischer Trapschütze überhaupt eine Medaille bei einem Weltcup des Schützenverbandes ISSF zu gewinnen. Dabei stand der 25-Jährige beim Wettbewerb in Guadalajara in Mexiko sogar ganz oben auf dem Treppchen. Im Tageblatt-Interview blickt der COSL-Athlet unter anderem auf seinen historischen Sieg zurück und gibt Einblicke in die Welt des Trapschießens.

Tageblatt: Lyndon, beim Weltcup in Guadalajara ist dir etwas Historisches für den Luxemburger Schießsport gelungen. Hast du selbst damit gerechnet?

Lyndon Sosa: Ich wusste schon immer, dass ich es drauf habe. Aber es ist bisher nur selten vorgekommen, dass einfach alles gepasst hat. Die Form stimmte und ich bewahrte meine Coolness den ganzen Wettbewerb über. Diese Nervenstärke ist auf diesem Niveau extrem wichtig. Es war schon sehr speziell, schließlich habe ich viele Glückwünsche von Kollegen und internationalen Sportschützen erhalten. Ich wurde sogar zweimal vor der Kamera interviewt. Einmal für das ISSF („International Shooting Sport Federation“) und einmal für das mexikanische Fernsehen. Das kommt auch nicht alle Tage vor.

Welchen Stellenwert hat diese Goldmedaille für dich?

Es war zwar von den Punkten her nicht die beste Leistung, die ich je geschossen habe, aber ganz oben auf dem Treppchen stand ich noch nie. In Granada habe ich nämlich einmal 123 Scheiben getroffen. Die Goldmedaille hat bei mir aber jetzt einen viel höheren Stellenwert.

Gibt dir das jetzt einen Motivationsschub für die kommenden Aufgaben?

FLTAS-Präsidentin Claudia Dall’Agnol nannte mich jetzt als positives Beispiel dafür, dass man auch als Hobbysportler in der Welt der Profischützen bestehen kann. Mit diesem Ergebnis habe ich gezeigt, dass wir uns als „kleine“ Luxemburger nicht zu verstecken brauchen. Auch wir können es schaffen.

Wie gravierend ist der Unterschied zwischen einem Profischützen und einem Hobbysportler?

Ein Profischütze kann fast ausschließlich von diesem Sport leben. Sie haben daher auch den Weg als Polizist eingeschlagen oder sind beim Zoll oder der Armee beschäftigt. Das heißt, sie bekommen ein Gehalt neben ihrem „Hobby“ und sind wegen des „Congé sportif“ für die Wettbewerbe freigestellt. Sie brauchen sich in finanzieller Hinsicht also keine großen Gedanken über ihre Zukunft zu machen. Ich hätte theoretisch auch diesen beruflichen Weg gehen können, doch die Mathematik war seit jeher meine Leidenschaft. Jetzt werde ich im Sommer mein Bachelor-Studium abschließen und danach noch ein Master-Studium anstreben. Aber ich kann aufgrund der Unterstützung des COSL, des nationalen Schießverbands und diverser Sponsoren mein Hobby während meiner Universitätszeit ausüben. Ohne ein Einkommen wäre mein Sport finanziell nicht tragbar. Denn der pekuniäre Aufwand ist schon gewaltig. Schließlich kosten nicht nur die Ausstattung und das ganze Material Geld, sondern auch das viele Reisen.

Deine Saison erstreckt sich meistens von März bis September. Wann oder wo trainierst du überhaupt?

Es gibt insgesamt drei Schießanlagen in Luxemburg. Diese befinden sich in Rümelingen, Differdingen und Echternach. Im Winter ist es aber alles andere als einfach, unter diesen Bedingungen zu trainieren. Noch vor der Woche, als ich nach Mexiko gereist bin, herrschten phasenweise minus zehn Grad. Auch meine letzte Trainingseinheit musste ich bei minus fünf Grad absolvieren. Man schafft es nicht, länger als 25 Minuten in der Eiseskälte zu stehen. Am Anfang ist noch alles mehr oder weniger auszuhalten, aber dann fangen der Rücken und die Hände an, kalt zu werden.

Wie gehst du dagegen vor?

Ich trainiere daheim vor dem Spiegel. Das Ganze nennt sich dann Trockentraining. Das mache ich auch immer vor dem Saisonstart, um die ganze Muskulatur wieder in Schwung zu bringen. Es sind nämlich viele Muskeln, die bei dieser spezifischen Schießhaltung beansprucht werden. Ideal wäre es natürlich, wenn wir als Sportschützen ein sogenanntes „Schießkino“ zur Verfügung gestellt bekämen. Dies ist eine Raumschießanlage, in der ein naturgetreues Szenario auf eine Leinwand projiziert wird. Die Flinte ist dabei mit einem Laser ausgestattet. Jedoch wurde noch kein geeigneter Platz hier in Luxemburg gefunden, um dieses Projekt auch in die Tat umzusetzen. Das Budget dafür ist auf jeden Fall vorhanden. Diese Art von Training wäre natürlich in der Winterzeit ideal.

Wie wichtig ist es überhaupt, dass du mit deiner persönlichen Flinte in den Wettbewerb gehst?

Extrem wichtig. Nicht jede Flinte hat nämlich das gleiche Gewicht. Schon ein kleiner Unterschied in dieser Hinsicht kann dazu führen, dass die Präzision ein wenig abhanden kommt. Es soll nämlich eine Art Harmonie zwischen dem Sportschützen und seiner Flinte entstehen. Geht der Schütze nicht mit seiner Flinte in den Wettbewerb, so fehlt ihm die Sicherheit. Ein Tennisspieler hätte auch sicherlich seine Probleme damit, wenn er nicht mit seinem persönlich auf ihn abgestimmten Schläger antreten dürfte. Bei uns Sportschützen ist das nicht anders. Die Flinte ist nämlich unser Schläger.

Trapschießen fällt auch unter die Kategorie der Präzisionssportarten. Das Mentale spielt also demnach auch eine große Rolle …

Bei internationalen Wettbewerben ist es von großer Bedeutung, denn nur durch die mentale Stärke kommt man zu guten Resultaten. Jeder kann eigentlich diesen Sport ausüben, wenn man stets über Jahre hinweg an seiner Technik feilt. Hat man dann dieses bestimmte Level erreicht, ist es wichtig, sich selbst zu kontrollieren und besser kennenzulernen. Man muss lernen, wie man mit seinen Emotionen umgehen kann. Einfach alles ausblenden können und sich nur auf das Schießen konzentrieren, lautet das Erfolgsrezept. Wie eine Maschine soll der Schütze funktionieren.

Arbeitest du mit einem „mental coach“ zusammen?

Nein, ich arbeite mit keinen Sportpsychologen zusammen. Mein Vater und mein Trainer haben in dieser Hinsicht schon immer die richtigen Worte für mich parat, um aus mir die letzten Prozente herauszukitzeln.

Die Tagesform hat wohl beim Trapschießen einen größeren Einfluss auf die eigene Leistung als bei anderen Sportarten …

Wenn man z.B. als Fußballer einen schlechten Tag erwischt, kann man sich trotzdem noch irgendwie akzeptabel aus der Affäre ziehen. Er kann zwar keinen Ball kontrollieren, kann dafür trotzdem die Räume gut zustellen. Das Trapschießen kennt hier aber kein Pardon.

Wenn jeder an sich ein guter Trapschütze werden kann, wie kann man sich trotz allem noch weiter verbessern?

Ich habe angefangen, andere Trainingsmethoden auszutesten. Am Anfang meiner Karriere habe ich auch im Training nur in Serien geschossen und auf meine Punktzahl geachtet. Das kann problematisch werden, wenn man im Wettbewerb dann nicht die gleiche Leistung wie im Training bringt. Somit können nämlich schnell negative Emotionen aufkommen. Seit vier Jahren lege ich jedoch größeren Wert darauf, die Technik zu verfeinern. Auch psychologische Spielchen gehören beim Training dazu. Ebenfalls wird die Position des Postens verändert, sodass sich ein anderes Zielbild ergibt. Eigentlich ist es das Ziel eines jeden Schützen, die perfekte Kontrolle mit der Flinte zu erlangen.

Du gehörst auch dem Elite-Kader des COSL an. Verleiht dir das Motivation oder verspürst du dadurch eher Druck?

Nach meiner guten Leistung bei der Junioren-Weltmeisterschaft 2010 wurde ich in den Promotionskader aufgenommen. 2013 wurde ich aber nach meinem elften Platz bei der Weltmeisterschaft in Peru gleich in den Elitekader befördert. Das war eigentlich nicht so vorgesehen, denn im Elitekader muss man dann gewisse Anforderungen erfüllen und Leistungen bringen. Damit wird auch mehr von dir erwartet. Am Anfang verspürte ich deshalb schon Druck, aber mit den Jahren wurde es immer besser.

Sind die Olympischen Spiele in Tokio ein langfristiges Ziel für dich?

Klar. Aber zunächst will ich zu den Europaspielen in Minsk 2019. Aufgrund meines guten Ergebnisses in Mexiko würde ich schon sagen, dass mir die Qualifikation für dieses Event praktisch sicher ist. Danach ist sicherlich Tokio das große Ziel. Ab September 2018 sind die ersten Plätze für die Olympischen Spiele bei den Weltmeisterschaften zu ergattern. Erreicht ein Schütze hier das Podium, ist er sicher bei den Sommerspielen dabei. Man qualifiziert sich nämlich durch die Platzierung und nicht durch Punkte. Es gibt insgesamt acht (die zwei Weltmeisterschaften 2018 und 2019, vier Worldcups 2019, die Europameisterschaft 2019 und die Europaspiele 2019) Wettbewerbe, bei denen sich ein Europäer für Olympia qualifizieren kann.