Wenn der Premier deinen Namen kennt

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Karate-Juniorenweltmeisterin Kimberly Nelting spricht im Tageblatt-Interview u.a. über ihren WM-Sieg und den "Prix du jeune espoir".

Am 27. November stand das kleine Luxemburg im großen Fokus des Weltinteresses. Zumindest im Karatesport. Bei den Juniorenweltmeisterschaften in Santa Cruz auf Teneriffa (ESP) hatte Kimberly Nelting die Goldmedaille gewonnen.

Von unserem Korrespondenten Marc Biwer

Es ist nicht so, dass Kimberly Nelting in Karatekreisen eine Unbekannte war. Die Karateka des KC Niederanven ließ ihr Können in den diversen Altersklassen immer wieder aufblitzen, auch auf den internationalen Tatamis. Nur bei den ganz großen Wettkämpfen reichte es nicht.

In Niederanven gereift, wurde ihr von Nationaltrainer Michael Lecaplain der Feinschliff verpasst. Gepaart wurde das Ganze mit Mentaltraining. Fertig war der WM-Titel. Wie sie zu einer Weltmeisterin wurde, wie es ihr vor, bei und nach der WM erging, darüber gab Kimberly Nelting dem Tageblatt Auskunft. Auch über ihre Zukunft und über ihren Stil lüftete sie so manches Geheimnis.

Tageblatt: Wie hat sich dein Leben nach dem WM-Titel verändert?

Kimberly Nelting: Die Aufmerksamkeit ist gewachsen, man ist nicht mehr so „durchsichtig“. Vor allem die Presse hat mich wahrgenommen. Bei mir persönlich hat sich nicht viel geändert. Ich versuche weiterhin mit beiden Füßen am Boden zu bleiben und nicht zu glauben, dass ich die beste Karateka der Welt bin und alles erreicht habe. Es fängt immer wieder von null an. Im Moment ist der Hype noch relativ groß. Ich spüre aber, dass so langsam alles wieder zur Normalität zurückkehrt. Der Alltag kehrt wieder ein.

Hat dich die große Reaktion nach dem Erfolg überrascht?

Mir war diese Resonanz nicht bewusst, das hat mich voll überrascht. Erst im Nachhinein habe ich realisiert, was der Titel so alles mit sich bringt. Ich hatte einen kleinen Bericht in der Zeitung erwartet, dann aber kamen Radio, Fernsehen und große Berichte in den Zeitungen über mich. Auch die vielen Glückwünsche nach dem Sieg hatte ich so nicht erwartet. Gefreut habe ich mich insbesondere über die Gratulationen vom Direktor meiner Schule, vom Sportminister und vom Premierminister. Ich fand das so cool, dass Xavier Bettel plötzlich meinen Namen kennt. Aber auch über die Glückwünsche von Freunden und Bekannten habe ich mich riesig gefreut.

Wie hast du diese große Begeisterung empfunden?

Das ist etwas ganz Tolles. Es ist der Beweis dafür, dass Luxemburg eine riesengroße Familie ist. Alle Menschen und auch Athleten aller Sportarten haben sich für mich gefreut. Ich denke deshalb, dass wir das alle zusammen erreicht haben. Es ist auch ein wichtiger Schritt für den Karatesport, der normal immer etwas im Abseits steht.

Wie gehst du mit der neuen Situation um?

Der Titel hat mir mehr Selbstvertrauen gegeben. Ich weiß, dass ich schon etwas Großes im Leben schaffen kann. Um ehrlich zu sein, bin ich etwas stolz darauf.

Wie denkst du heute über die WM?

Im Vorfeld der WM macht man sich keine großen Gedanken. Gut, man will weit kommen und wenn man es dann bis auf Platz 1 packt, dann ist das sehr schön. Ein erster Adrenalinschub zeigt dir dann, dass du dein erstes wichtiges Ziel erreicht hast. Erst später wurde mir bewusst, dass ich im Grunde genommen etwas ganz Großes vollbracht habe.

Wann genau wurde dir das bewusst?

Im Grunde genommen erst, als die Nachricht in Luxemburg angekommen war. Im Karate bleiben die Erfolge normalerweise im kleinen Kreis, sozusagen unter uns. Meine Goldmedaille ging aber wie ein Lauffeuer durchs Land. Alle meine Freunde und Bekannten haben es in den sozialen Medien gepostet. O.k., da war mir bewusst, jetzt weiß jeder davon.

Wie sah dein Plan vor der WM aus?

Mein Plan war es, nicht zu viel zu denken und mir so keinen Druck aufzuerlegen. Ich habe aus den eigenen Fehlern gelernt. Bei ähnlichen Wettkämpfen zuvor hatte ich zu viel nachgedacht und das ging dann leider schief. Je mehr man darüber nachdenkt, umso mehr Zweifel kommen auf. Bei der WM wollte ich einfach nur mein Bestes geben und mitnehmen was rauskommt.

Die sportspress.lu zeichnet dich mit dem „Prix du jeune espoir“ aus, einem Preis für junge Sportler mit Perspektiven. Was bedeutet dir dieser Preis?

Mir bedeutet diese Auszeichnung sehr viel. Es ist eine ganz große Ehre, dass die Vereinigung der Sportjournalisten an mich gedacht hat, da es doch sehr viele Sportarten und unzählige gute junge Sportler in Luxemburg gibt. Deshalb ist dieser Preis etwas ganz Besonderes.

Welche Vorteile hat dir der WM-Titel eingebracht?

In der Schule hat mich der Erfolg ein Stück weitergebracht. Wegen der vielen Wettkämpfe muss ich leider oft in den Kursen fehlen. Das wurde nicht immer gerne gesehen. Aber jetzt konnte ich etwas zurückgeben und ich habe gezeigt, dass mein Fehlen nicht umsonst ist und dass dabei etwas herauskommt. Seit dem Titel ist die Unterstützung jedenfalls größer geworden. Die Lehrer stehen meinem Sport anders gegenüber. Das freut mich und ist hilfreich.

Weltmeisterin zu sein, ist auch eine Bürde. Wird der Druck größer?

Natürlich wächst der Druck mit dem Titel. International sieht man in mir jetzt die Weltmeisterin und man will unbedingt gegen mich gewinnen. Gemeinsam mit meiner Mentaltrainerin Marie Lanners versuchen wir der neuen Tatsache entgegenzuwirken. Auch national wird der Druck größer, weil man in Luxemburg jetzt auf weitere gute Ergebnisse hofft. Und ich will niemanden enttäuschen. Aber ich darf das jetzt nicht zu sehr an mich heranlassen und wieder anfangen, zu viel darüber nachzudenken. Deshalb ist das Mentaltraining enorm wichtig für mich.

Die erste Hürde bei den Landesmeisterschaften hast du mit Bravour gemeistert. Warst du im Vorfeld nervös?

Es war nicht so einfach, weil ich im Blickpunkt stand. Das Medieninteresse war wesentlich größer als bei anderen Meisterschaften. Jeder hat plötzlich auf mich geschaut, auch die Eltern, die mich von klein an kennen. Ich habe versucht, das alles zu verdrängen. Etwas Druck ist wichtig, aber mit zu viel Druck fällt die Leistung. Dann geht das Resultat in die Hose.

Wie wird das in Zukunft international sein? Denkst du, die Gegnerinnen werden dir anders gegenüberstehen und damit die Aufgabe erschweren?

Der Titel kann auch ein Vorteil sein. Die Gegnerinnen werden etwas mehr Respekt vor mir haben. Ich habe gelernt, die Unsicherheit des Gegners für mich zu nutzen. Ich muss versuchen, den Druck, der auf mir lastet, zu unterdrücken und den Respekt des Gegners zu nutzen. Meine Taktik liegt vornehmlich darin, nicht auf die Gegnerin zu schauen, sondern auf meine eigene Leistung. Ein weiterer Vorteil des Titels liegt aber auch im Schiedsrichterwesen. Als kleines Land wurde Luxemburg bei diskussionswürdigen Entscheidungen sehr oft benachteiligt. Jetzt werden die Referees den luxemburgischen Kämpfern wohl etwas offener gegenüberstehen. Dieser Titel ist für uns alle hilfreich.

Wann wirst du komplett in den Elitebereich einsteigen?

Im nächsten Jahr im Oktober, nach meinem 18. Geburtstag, werde ich es in beiden Altersklassen versuchen, aber verstärkt im Seniorenbereich. So bleiben mir drei Jahre Zeit, alle Erfahrungen zu sammeln, die mich weiterbringen. Mein WM-Titel bei den Juniorinnen ist etwas ganz Tolles, aber das Ziel muss immer bei der Elite liegen. Mein großes Ziel sind die Olympischen Spiele und das erreicht man nur über Punkte bei großen Wettkämpfen im Elite-Bereich. Das wird keine leichte Aufgabe. Auch hier werde ich mich nicht unter Druck setzen lassen, 2024 finden ja wieder Olympische Spiele statt.

Wie realistisch ist dein Ziel von Olympia?

Etwas übers Knie zu brechen, wäre grundfalsch. Meine Devise lautet eher Schritt für Schritt. Natürlich spukt Tokio 2020 im Hinterkopf. Aber bis dahin muss man viele Hürden meistern. Wenn ich mich nur auf den jeweiligen Wettkampf fokussiere, dann kann ich es packen.

Dein Motto lautet, dass sich der Sieg im Kopf entscheidet. Wendest du das im Kampf an?

Ja, man muss stark im Kopf sein. Nicht nur auf dem Tatami, auch schon vorher in der Aufwärmhalle. Schon da wollen die Athletinnen zeigen, was sie können, um die Konkurrenz einzuschüchtern. Ich habe da in den letzten Jahren negative Erfahrungen gemacht. Ich habe aus den Fehlern gelernt und das im Umkehrschluss angewendet. Man darf aber auch nicht zu viel auf die Gegnerinnen einwirken, sonst verliert man das eigentliche Ziel aus den Augen.